# taz.de -- Diskriminierung: Die Grenzen des Glaubens
       
       > Falsche Konfession: Das Hamburger Arbeitsgericht verhandelt die
       > Entlassung einer Mitarbeiterin aus einer kirchlichen Einrichtung. Nun
       > geht der Fall vor den Europäischen Gerichtshof.
       
 (IMG) Bild: Kein Hinweis auf die Konfession: Eine Altenpflegerin im Dienst.
       
       Christoph Duvigneau versteht die Welt nicht mehr und könnte glatt den
       Glauben verlieren: "Der Europäische Gerichtshof kann doch nicht in das
       Verfassungsrecht eines Landes eingreifen und deutsche Gerichte anweisen",
       entrüstet sich der grauhaarige Seniorchef der Anwaltskanzlei "Duvigneau und
       Scholz" - spezialisiert auf Vertretungen von Kirchen im Arbeitsrecht. Doch
       genau darum geht es an diesem Mittwoch im Saal 112 des Hamburger
       Arbeitsgericht. Verstößt der Rausschmiss der 24-jährigen Christina Hansen*
       bei der Evangelischen Stiftung Alsterdorf aus Konfessionsgründen gegen
       europäisches Recht? "Eine äußerst spannende Frage", sagt Arbeitsrichterin
       Susanne Loßmann und legt nun den Komplex dem Europäischen Gerichtshof
       (EUGH) in Luxemburg zur Prüfung vor.
       
       Christine Hansen hatte im Herbst vorigen Jahres einen Job in der Stiftung
       Alsterdorf in Hamburg angenommen - einer kirchliche Einrichtung, in der
       geistig und körperlich behinderte Menschen leben. Die gelernte
       Heilerzieherin sollte laut einem Rahmenvertrag nach Bedarf als Aushilfe
       eingesetzt werden und den betreuten Menschen, wie Hansen sagt, "Hilfe zur
       Selbsthilfe geben" - ein Job, der ihr auch Spaß machte.
       
       Im Dezember flatterte ihr dann ein Personalbogen ins Haus, den sie
       wahrheitsgemäß ausfüllte. Bei der Frage nach der Konfession trug sie
       "Neuapostolische Kirche" ein - was dazu führte, dass die Personalabteilung
       sie aufgeforderte, aus dieser "Sekte auszutreten". Andernfalls könne sie in
       der evangelischen Einrichtung nicht weiterbeschäftigt werden. Wenig später
       war sie dann ihren Job los. Ihr Vertrag war angeblich nur tageweise
       befristet.
       
       Eigentlich ging es in dem Arbeitsgerichtsverfahren daher um zwei brisante
       Punkte: Sind nicht Rahmenverträge rechtswidrig, die eine tägliche
       Befristung enthalten, um den Kündigungsschutz zu umschiffen? Das bejahte
       Arbeitsrichterin Loßmann, wenn nicht an jedem Arbeitstag die Befristung
       deutlich zum Ausdruck gebracht werde.
       
       Doch der Kernpunkt ist die Frage: War der Job von Christine Hansen nicht
       eine "verkündungsferne Tätigkeit", wie es im Kirchendeutsch heißt? Also
       eine Tätigkeit, in der die Konfession überhaupt keine Rolle spielt, anders
       als bei verkündungsnahen Aufgaben von Pastoren oder Gemeindepädagogen?
       
       Anwalt Christoph Duvigneau ist das egal. Er verweist auf ein umstrittenes
       Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1985, die den Kirchen
       bei Personalentscheidungen wegen Glaubensfreiheit viel Spielraum einräumt.
       Das Bundesverfassungsgericht hatte damals entschieden, dass auch für
       technisches Personal wie Handwerker, Hausmeister und Küchenhilfen die
       Religionszugehörigkeit für einen Job bei der Kirche vorausgesetzt werden
       darf - und damit eine konträre Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichtes
       gekippt. "Auch das Bundesverfassungsgericht hat schon falsche
       Entscheidungen getroffen", kontert Hansens Fachanwalt für Arbeitsrecht,
       Klaus Bertelsmann.
       
       Kirchenanwalt Duvigneau beruft sich zudem auf eine Klausel im neuen
       Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), die im Paragrafen neun den
       Paragrafen acht aushebelt und den Kirchen eine "zulässige unterschiedliche
       Behandlung" wegen der Religion gestattet. Die Kirchenzugehörigkeit könnte
       demnach durchaus als eine "gerechtfertige Anforderung" für einen Kirchenjob
       gesehen werden, sagt Duvigneau.
       
       Der Gesetzgeber habe - wie auch in anderen Punkten - an dieser Stelle "im
       AGG absichtlich die EU-Richtlinie nicht erfüllt", kritisiert Bertelsmann.
       "Das AGG ist an diesem Punkt rechtswidrig", sagt er, der Rauswurf von
       Christina Hansen ein Verstoß gegen die EU-Anti-Diskriminierungs-Richtlinie.
       Bertelsmann verlangt mindestens fünf Monatsgehälter Entschädigung wegen
       Diskriminierung und die Vorlage des Komplexes beim EUGH.
       
       "Die Frage ist nur, wem legt man den Fragenkatalog zuerst vor?", scherzt
       Richterin Loßmann. "Dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen
       Gerichtshof?" Loßmann entscheidet sich für den EUGH. Eine Antwort aus
       Luxemburg wird im nächsten Jahr erwartet.
       
       *Name geändert
       
       19 Aug 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai von Appen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Evangelische Kirche
 (DIR) kirchliche einrichtungen
       
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