# taz.de -- Kritik an Migrantenverbänden: Jonny? Egal, war keiner von uns
       
       > Der Mord an Jonny K., mutmaßlich von Migranten verübt, sorgt für
       > Entsetzen. Nun kritisieren Deutschtürken Migrantenverbände für ihre
       > Zurückhaltung.
       
 (IMG) Bild: Im Oktober wurde der 20-jährige Jonny K. im Herzen Berlins totgeprügelt. Der mutmaßliche Haupttäter ist weiterhin flüchtig
       
       BERLIN taz | Nach dem [1][Tod von Jonny K. am Alexanderplatz] melden sich
       nun Berliner Deutschtürken zu Wort. „Den Ursachen der Gewalt in unserer
       Stadt wird nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt, und Jonny ist das neueste
       Opfer dieser sinnlosen und anhaltenden Brutalität“, heißt in der Erklärung,
       die der taz vorliegt.
       
       Der 20-jährige Thai-Deutsche Jonny war in der Nacht zum 14. Oktober von
       einer Gruppe Jugendlicher so brutal zusammengeschlagen worden, dass er
       wenig später an einer Hirnverletzung starb. Sechs Verdächtige konnte die
       Polizei seither identifizieren, drei davon sind flüchtig und werden [2][in
       der Türkei bzw. in Griechenland vermutet].
       
       An Gewalttaten wie dieser trügen „die Ignoranz der Mehrheitsgesellschaft,
       das Justizsystem, die Familien, die Politiker, die im Namen von Migranten
       agieren, sowie Verantwortliche in der Bildungs- und Jugendpolitik eine
       Mitschuld“, heißt es in der Erklärung weiter.
       
       Das Besondere an ihr: Die 16 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner sind
       Erzieher und Fußballtrainer, Pflegerinnen und Juristinnen, Gastronomen und
       Bauunternehmer. Man könnte sagen: ein Querschnitt der deutschtürkischen
       Zivilgesellschaft.
       
       ## 16 Unterzeichner
       
       Abwesend sind nur jene, die sonst für sich beanspruchen, die Interessenten
       der Deutschtürken zu vertreten und in deren Namen zu sprechen. „An den
       Migrantenpolitikern, Lobbyvertretern und den acht Türken, die immer reden,
       haben wir Kritik“, sagt einer der Unterzeichner, der Sozialarbeiter Ercan
       Yasaroglu.
       
       Mit der Erklärung hätten sie gewartet, weil sie den Eindruck vermeiden
       wollten, dass sie Jonnys Tod instrumentalisieren würden. „Und wir haben
       gewartet, ob die Migrantenpolitiker und Verbandsvertreter von sich aus ihre
       Betroffenheit zeigen – aber da kam null Reaktion“, sagt Yasaroglu.
       
       Von seiner Kritik nimmt Yasaroglu allein Remzi Kaplan aus, Vorsitzenden der
       Türkisch-Deutschen Unternehmervereinigung. Die Verbandsvertreter seien
       nicht seine Feinde. Er fordere aber ein „Umdenken“.
       
       ## Unterstützer können sich bei der Facebook-Seite melden
       
       Aus Gesprächen mit deutschtürkischen Bekannten, auch solchen, die sich als
       „linke Humanisten“ sehen würden, habe er den Eindruck, dass folgende
       Ansicht weit verbreitet sei: „Jonny war keiner von uns, also interessiert
       uns das nicht.“ Selbst im Zusammenhang mit den NSU-Morden würden viele nur
       von den acht türkischen Opfern reden.
       
       Für Yasaroglu ist das der Ausdruck eines allgemeinen Phänomens: „In unserer
       Gesellschaft werden immer die Unterschiede und Defizite kommuniziert.
       Schuld haben immer die anderen.“ Im Hinblick auf Jonny ergänzt er: „An
       diesen Gewaltexzessen haben alle Schuld. Aber die größte Schuld haben die
       Eltern. Wenn sie ihren Kindern nicht vermitteln können, was richtig und was
       falsch ist, hilft alles andere nicht.“
       
       ## Debatte nur bei Türken
       
       „Rassismus und Gewalt haben keine Ethnie“, fügt die Autorin Gülcin Wilhelm
       hinzu, neben der Publizistin Arzu Toker die einzige bekannte
       Unterzeichnerin. Das Schweigen der deutsch-türkischen Politiker – wovon sie
       Cem Özdemir ausnimmt – hält sie für „Überschwappen des türkische
       Nationalismus“.
       
       Das Schweigen der Lobbyvertreter sei kein Einzelfall; auch im Fall Giuseppe
       Marcone hätten sich diese zurückgehalten. Der 23-jährige Deutschitaliener
       war im September 2011 am Kaiserdamm in Berlin auf der Flucht vor Angreifern
       von einem Auto erfasst worden. Im März [3][verurteilte das Berliner
       Landgericht] zwei Angreifer zu Bewährungsstrafen. „Es war eine Flucht Hals
       über Kopf", meinten damals die Richter. „Wenn er etwas langsamer gelaufen
       wäre, wäre es nicht passiert.“
       
       Kenan Kolat, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Deutschlands, fühlt
       sich von dieser Kritik nicht angesprochen: „Wir haben Kontakt mit der
       Familie aufgenommen und uns mit der Sache beschäftigt.“ Er habe auch
       versucht, den flüchtigen Hauptverdächtigen zur Rückkehr nach Deutschland zu
       bewegen. Aber so was mache man nicht für die Öffentlichkeit. Jugendgewalt
       hält Kolat für ein ernstes Problem. „Aber diese Debatte wird nicht geführt,
       wenn deutsche Jugendliche einen Deutschen verprügeln.“
       
       Die Unterzeichner der Erklärung, die Wert darauf legen, dass sie keine
       Organisation sind auch keine werden wollen, sind unter [4][Facebook-Seite
       „Wir trauern um Jonny“] zu erreichen.
       
       13 Nov 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /!103782/
 (DIR) [2] /!104508/
 (DIR) [3] /!90632/
 (DIR) [4] http://www.facebook.com/WirTrauernUmJonny?fref=ts
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Deniz Yücel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Alexanderplatz
 (DIR) Migration
 (DIR) Gewalt
 (DIR) Gewalt
 (DIR) Jugendgewalt
 (DIR) Frank Henkel
 (DIR) Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
 (DIR) NRW
 (DIR) Kriminalität
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Experten warnen vor sozialer Spaltung: Die Gewalt ballt sich am Stadtrand​
       
       Die Jugendgewalt nimmt insgesamt ab, doch in einzelnen Kiezen geht es
       heftig zur Sache​.
       
 (DIR) Jugendgewalt in Deutschland: „Toleranz hat sich verändert“
       
       In der öffentlichen Wahrnehmung werden Jugendliche immer brutaler. Der
       Kriminologe Gerhard Spiess rückt das Bild im Gespräch mit der taz zurecht.
       
 (DIR) PROZESS: Es bleibt die Frage: warum?
       
       Am Montag beginnt der Prozess um den tödlichen Angriff auf den 20-jährigen
       Jonny K. am Alexanderplatz. Sechs Angeklagte stehen vor Gericht. Motiv
       weiter unklar.
       
 (DIR) Mordfall Jonny K.: Festnahme am Flughafen
       
       Der Hauptverdächtige des Mords an Jonny K. in Berlin hat sich den deutschen
       Behörden gestellt. Er wurde direkt nach seiner Ankunft aus der Türkei
       verhaftet.
       
 (DIR) Gedenken an Burak B. und Jonny K.: Misstrauen gegenüber den Behörden
       
       Mit einer Demonstration und einem Benefizkonzert soll am Wochenende in
       Berlin an die Ermordung zweier Jugendlicher gedacht werden.
       
 (DIR) Rassismus in Justizbehörde?: Gülegüle im Dönerparadies
       
       Angehende nordrhein-westfälische Juristen bekamen in ihrem Examen eine
       Aufgabe gestellt, die alle Klischees über Deutsch-Türken enthält. Richtig
       so!
       
 (DIR) Gewalt I: "Sie müssen es selbst wollen"
       
       Wozu sind Antigewaltmaßnahmen gut, wenn sie neue Taten nicht verhindern?
       Antigewalttrainer Ulf Kahle-Siegel sagt: Ohne Freiwilligkeit gibt es keine
       Erfolge.
       
 (DIR) Gedenken an Jonny K.: Ein Zeichen gegen die Gewalt
       
       Mehrere hundert Menschen erweisen dem vor 2 Wochen zu Tode geprügelten
       20-jährigen Jonny K. die letze Ehre. Das Thema Herkunft spielt dabei kaum
       eine Rolle.
       
 (DIR) Kolumne Besser: Der „Du-darfst-nicht“-Antirassismus
       
       Jonny K. ist tot. Zu Tode getreten von einer Gruppe türkischer
       Jugendlicher. Die Herkunft der Täter zu verschweigen ist dumm.
       
 (DIR) Trauern am Alex: Einfach nichts dazugelernt
       
       Nach dem Tod des 20-Jährigen am Alexanderplatz trauern die Berliner am
       Tatort - und verstricken sich in Diskussionen um Zuwanderung.