# taz.de -- Neue Regierung in Litauen: Allianz im Kleinkrieg
       
       > Erstmals ist die Partei der polnischen Minderheit in einer
       > Regierungskoalition in Litauen. Auch mit dabei ist die linkspopulistische
       > „Arbeitspartei“.
       
 (IMG) Bild: Wach? Litauens neuer Regierungschef Algirdas Butkevicius.
       
       STOCKHOLM taz | Sechs Wochen nach den Parlamentswahlen hat Litauen einen
       neuen Regierungschef. Am Donnerstag wählten 90 der 141
       Parlamentsabgeordneten Algirdas Butkevicius, den Parteivorsitzenden der
       Sozialdemokraten und ehemaligen Finanzminister, ins Amt des
       Ministerpräsidenten.
       
       Er erhielt damit vier Stimmen mehr, als es rechnerisch der
       parlamentarischen Basis seiner Vierparteienkoalition entspricht. Zu der
       gehören neben seinen Sozialdemokraten die linkspopulistische
       „Arbeitspartei“, die liberale „Ordnung und Gerechtigkeit –
       Liberaldemokraten“ und die „Wahlaktion der Polen Litauens“.
       
       Damit regiert erstmals in Vilnius eine Partei der polnischen Minderheit
       mit. Rund 7 Prozent der litauischen Bevölkerung gehören ihr an, und um
       deren rechtlichen Status, speziell um die Stellung der Sprache und der
       Minderheitenschulen, gibt es seit Jahren Streit zwischen Polen und Litauen.
       Hier könnte die Regierungsbeteiligung der „Wahlaktion“, die mit 5,8 Prozent
       der Stimmen erstmals die 5-Prozent-Hürde nahm, zu einer Entspannung
       beitragen. Die sozialen Forderungen der Partei treffen sich außerdem gut
       mit dem Regierungsprogramm von Butkevicius, der eine Anhebung der
       Mindestlöhne und andere soziale Verbesserungen versprochen hat.
       
       Vermutlich wird die „Polen-Partei“ mit dem Energieministerium sogar ein
       Schlüsselressort erhalten. Butkevicius hat angekündigt, dass seine
       Regierung die „beratende“ Volksabstimmung respektieren werde, bei der im
       Oktober eine Mehrheit der LitauerInnen den Plänen für den Bau eines neuen
       AKWs eine Absage erteilt hatte. Es solle baldmöglichst eine entsprechende
       Parlamentsabstimmung und eine Energiewende geben.
       
       Ebenfalls an der Koalition beteiligt ist die von jeder vierten Litauerin
       und jedem vierten Litauer gewählte linkspopulistische „Arbeitspartei“, die
       von dem umstrittenen Geschäftsmann und bisherigen EU-Parlamentarier Viktor
       Uspaskich geführt wird. Uspaskich hatte wegen Korruptionsvorwürfen 2006
       schon einmal in Moskau politisches Asyl gesucht.
       
       Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite meint, der Partei wegen ungeklärter
       Finanzierungsfragen aus den Jahren 2003 und 2004 die Regierungsfähigkeit
       absprechen zu können. Grybauskaite hatte alles versucht, um die
       Regierungsbildung zu verhindern, war aber letztlich gescheitert.
       
       Doch ihr Kleinkrieg ist noch nicht zu Ende: Grybauskaite kündigte nun an,
       die Minister vor der Ernennung einer Sprachprüfung unterziehen zu wollen.
       Jedes Kabinettsmitglied müsse mindestens eine der EU-Arbeitssprachen
       beherrschen, um Litauen, das im zweiten Halbjahr 2013 erstmals die
       EU-Ratspräsident übernimmt, auch „ordentlich repräsentieren“ zu können.
       
       23 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Litauen
 (DIR) Litauen
 (DIR) Veteranen
 (DIR) Litauen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Ehemaliger litauischer Präsident: Doch nicht lebenslänglich
       
       Wegen krummer Geschäfte wurde Rolandas Paksas 2004 abgesetzt und für immer
       von allen Ämtern ausgeschlossen. Das war Unrecht, sagen die UN.
       
 (DIR) Nationalismus im Baltikum: Marschieren für die Waffen-SS
       
       Einige tausend Nationalisten erinnern in Lettland und Litauen an gefallene
       Kriegsveteranen. Trotz Verbots in Vilnius bleibt die Polizei untätig.
       
 (DIR) Parlamentswahlen in Litauen: Regierungsbildung blockiert
       
       Sozialdemokraten gewinnen die Wahlen und wollen mit zwei weiteren
       Oppositionsparteien die neue Regierung bilden. Der Präsidentin passt ein
       Koalitionspartner nicht.
       
 (DIR) Kommentar Litauen: Mutige Litauer
       
       Die Litauer haben nicht nur ihre Regierung abgewählt, sondern sich auch
       einem Atomreaktorneubau verweigert. Das ist beeindruckend.
       
 (DIR) Parlamentswahl in Litauen: Linke Opposition gewinnt
       
       Die litauischen Wähler haben die konservative Regierung für ihre
       Sparpolitik abgestraft. Ende Oktober kommt es zur Stichwahl um
       Direktmandate.
       
 (DIR) Votum gegen neuen Reaktor im Baltikum: Litauen sagt „Ne“ zum AKW
       
       Trotz einer Angstkampagne der Regierung stimmen die Wähler gegen den Bau
       eines neuen Meilers in Litauen. Das Votum soll respektiert werden.