# taz.de -- Kolumne Nullen und Einsen: Der heilige Sankt Mega Man
       
       > Wie Computerspielfiguren zu Ikonen wurden und 8-Bit-Grafiken zu Popkultur
       > – und ich zum Besitzer eines Bügeleisens.
       
 (IMG) Bild: It's easy as 1, 2, 3.
       
       Ganz schlimm finde ich diese alternden Männer, die für immer auf dem
       Hippie-Rock-’n’-Roll-Trip – dem Soundtrack ihrer Jugend, der einzig wahren
       Musik – hängen geblieben sind. Die ihr Haupthaar auch bei Zweidrittelglatze
       noch rebellisch lang tragen, mit ihrer Lederjacke verwachsen sind und nicht
       die geistige Beweglichkeit besitzen, sich elektronische Musik auch nur
       probeweise anzuhören.
       
       Dabei bin ich genauso. Bloß, dass meine Helden nicht Bob Dylan und Jim
       Morrison heißen, sondern Super Mario, Mega Man und Guybrush Threepwood.
       Sozialisiert als Nintendo-Fanboy in der ersten Hälfte der 90er Jahre und
       längst mit meinem Kapuzenpullover und den Skate-Sneakers verwachsen (dabei
       kann ich gar nicht skaten), bleiben für mich die einzig wahren Videospiele
       die aus der 8-Bit-Ära, in denen man noch jeden Pixel einzeln erkennen kann.
       
       Denn je fotorealistischer Grafik werden wollte, desto egaler wurde sie
       auch. Beziehungsweise sie wurde erst mal vor allem schlechter, weil eine
       miese Simulation der Wirklichkeit viel weniger hermacht als die
       offensichtliche Abstraktion der 8-Bit-Ästhetik.
       
       Inzwischen sehen Computerspiele zwar aus wie Filme – und Filme wie
       Computerspiele –, was sehr well-made ist, aber halt auch überhaupt nicht
       spezifisch. Erst die geringe Bildpunkteauflösung zwang die
       8-Bit-Characterdesigner ja zu einem eigenen Ausdruck, zur erhöhten
       Ikonografie. Nicht von ungefähr sind die bis heute bekanntesten
       Computerspielfiguren die aus den 70ern und 80ern.
       
       Damit bin ich nicht allein: Das ganze Internet ist voll mit Fan-Art und
       Ver-8-Bittungen von altem und neuem Popkulturgut. Dazu kann man
       [1][8-Bit-Krawatten], [2][8-Bit-Uhren], [3][8-Bit-Halsketten] und
       [4][8-Bit-Bier] kaufen, Space Invaders werben auf Aufklebern gegen
       [5][Antisemitismus], und sogar Google Maps wurde für einen Tag komplett auf
       [6][Pixeloptik] umgestellt. Na gut, es war der 1. April. Aber trotzdem.
       
       Und dann war ich vor ein paar Wochen bei Ikea. Eigentlich brauchte ich bloß
       so ein Abwaschabtropfdings (MAGASIN). Aber in der Spielwarenabteilung blieb
       ich an PYSSLA hängen. Eine große Plastikbox, gefüllt mit Tausenden
       Bügelperlen. Genau: Das sind kleine bunte Plastikzylinder mit einem Loch,
       mit denen man auf der Matrix eines Steckbretts Muster zusammenpuzzeln kann.
       Überbügelt man das fertige Bild – mit Backpapier dazwischen, wichtig! –
       verklebt die eine Seite der Zylinder und man kann sie vorsichtig von der
       Steckplatte lösen.
       
       Nun habe ich weder Kinder noch einen gesteigerten Bedarf an
       Saftglasuntersetzern oder Namensschildern an meiner Tür. Und eigentlich
       auch ausreichend Hobbys, ja sogar Freunde. Aber diese Perlen und die Matrix
       … auf einmal ergab alles einen Sinn.
       
       Ich setzt mich noch am gleichen Abend in die Küche, schloss meine neuen
       Lampen (LEDBERG) an und puzzelte einen Mega Man. Er sah toll aus! Na ja,
       ich musste ihn etwas stauchen und statt hellblau war er lila, denn ich
       hatte nur 29 mal 29 Pixel Arbeitsfläche und eine unzureichende Farbpalette.
       Aber er lebte! In meiner Küche!
       
       Am nächsten Tag kaufte ich mir zum ersten Mal in meinem Leben ein
       Bügeleisen.
       
       4 Jan 2013
       
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