# taz.de -- Kolumne Nullen und Einsen: Die Internetausdrucker
       
       > Ein Buch, das aus einer ausgedruckten Liste von Internetadressen besteht?
       > Gibt es! Und angeblich ist es sogar die bessere Alternative zu Google.
       > Klar.
       
 (IMG) Bild: Aus der Reihe bescheuerte Aufgaben: Die 6.000 wichtigsten Web-Adressen raussuchen.
       
       Endlich Herbst. Endlich wieder Laub, Kürbisse, Champions League. Und
       endlich wird in den Buchläden die neue Auflage des „Web-Adressbuchs für
       Deutschland“ verkauft, die 16. inzwischen, „Mit den besten GEHEIMTIPPS aus
       dem Internet“. Das Buch ist eine Emulation der späten Neunziger: Die
       Titelschrift mit Schatteneffekt, der Umschlaghintergrund mit Farbverlauf
       und Clipart-Fernglas, im Editorial wird „viel Spaß beim Surfen auf der
       Datenautobahn“ gewünscht – eigentlich fehlt nur noch eine beigelegte CD-ROM
       mit 50 Gratisstunden AOL.
       
       Ja, Sie haben das richtig verstanden: Es handelt sich wirklich um eine
       ausgedruckte Liste von Internetadressen. „Die Redaktion testet, bewertet
       und vergleicht jedes Jahr aufs Neue alle (!) Web-Seiten“, verspricht der
       Herausgeber. Alle! Wie viele es wohl gerade gibt? Die „6.000 wichtigsten“
       finden sich jedenfalls sortiert in Rubriken, mit Dreizeiler, URL und
       Register. Das Buch soll die bessere Alternative zu Google sein, denn
       endlich sparen wir uns „das ewige Herumsurfen und Durcharbeiten der
       Trefferlisten in Suchmaschinen“. Ohne Suchfunktion. Klar.
       
       Nun ist gegen kuratiertes Internet erst mal nichts einzuwenden, und beim
       ersten Durchblättern scheinen die meisten Themen sinnvoll abgedeckt, sogar
       [1][Abgeordetenwatch], [2][Nerdcore] und [3][Mundraub] sind dabei. Aber,
       hey: Ist ja eigentlich auch nicht so schwer. Die Redaktion hatte
       schließlich auch [4][Google] (Seite 456: „Google findet schnell und
       zuverlässig relevante Web-Seiten, Bilder und Nachrichten mit der
       preisgekrönten Stichwortsuche“) und jede dritte Adresse ist einfach der
       Suchbegriff mit einem .de oder .org dahinter.
       
       An der bescheuerten Aufgabe, die 6.000 wichtigsten Adressen auszusuchen,
       scheitert das Buch natürlich. Vimeo und Soundcloud fehlen, dafür gibt es
       eine Seite mit „Infos aller Art zum Amiga-Betriebssystem“. Celle hat gleich
       drei Einträge, Indonesien keinen einzigen, und wenn es noch irgendeinen
       Zweifel daran gibt, dass die Macher keinen Bezug zum Internet haben: Zwölf
       Hundeseiten sind gelistet, aber nur drei Katzenseiten. Nach welchen
       „Kriterien“ es die Webshops für Zäune, Perücken, Zimmerbrunnen usw. ins
       Buch geschafft haben, möchte man auch lieber nicht wissen (eine „Farbige
       Screenshot-Abbildung Ihrer Web-Seite inkl. Premium-Texteintrag“ [5][kostet
       599 Euro], nur mal nebenbei).
       
       Trotzdem gibt es eine Zielgruppe: Menschen, die Angst vorm Internet haben,
       aber zu jung sind, um „damit jetzt gar nicht mehr anzufangen“. Die ihren
       Kindern jeden Artikel zum Thema Cyber-Kriminalität aus der Lokalzeitung
       ausschneiden. Und die Google-Treffer nicht von Google-Kleinanzeigen
       unterscheiden können. Für sie wurde alles auf eine potemkinsch anmutende
       Seriosität gebügelt: Der Herausgeber trägt stolz ein „Dipl.-Pol.“ und
       gleich vorne werden jede Menge Safer-Surfing-Gütesiegel vorgestellt,
       darunter das vom Web-Adressbuch-Verlag selbst erfundene Jodeldiplom
       „Zertifizierte Web-Seite“ (auch hier kostet der Mitgliedsbeitrag 599 Euro
       im Jahr).
       
       Auch aufgeführt ist natürlich die Eigenseite [6][www.web-adressbuch.de].
       Eine Website, die ein Buch vorstellt, in dem Internetadressen stehen, die
       aber auf der Seite nicht zu finden sind – irgendwas ist mit der Zukunft in
       den vergangenen Jahren ziemlich schiefgelaufen.
       
       9 Nov 2012
       
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