# taz.de -- Ottfried Fischers Prozess gegen „Bild“: Sex, Lügen, Video
       
       > Der Schauspieler Ottfried Fischer verliert in vierter Instanz gegen die
       > „Bild“-Zeitung. Der Fall erzählt viel über die Regeln von PR und
       > Boulevardjournalismus.
       
 (IMG) Bild: Der Neue bei „Mad Men“? Nein: Prozessgewinner Wolf-Dietrich S.
       
       MÜNCHEN taz | Am Ende ist Ottfried Fischer der Verlierer. Das Landgericht
       München hat den Bild-Ressortleiter, gegen den der Schauspieler bereits in
       vierter Instanz klagte, erneut freigesprochen. Damit steht es nun 2:1 für
       Bild. Ob der Kampf Fischer gegen das Boulevardblatt zu Ende ist, ist noch
       nicht sicher. Fischers Anwälte kündigten an, eine Anfechtung des Urteils zu
       prüfen.
       
       In dem Prozessmarathon, der sich seit 2009 hinzieht, geht es um viel:
       Vordergründig um Prostituierte, Zuhälter und Kreditkartenbetrüger, um ein
       heimlich gedrehtes Sexvideo und schlüpfrige Schlagzeilen des Boulevards.
       Für Fischer geht es jedoch um „Erpressung“, juristisch korrekt: den
       Tatbestand der Nötigung.
       
       Bild-Reporter Wolf-Ulrich S. habe Fischer und seiner damaligen PR-Agentin
       mit der Veröffentlichung des Videos gedroht und den 59-jährigen
       Schauspieler damit zu einem Exklusivinterview bewegt. Eben das, so
       entschied das Gericht nach zehnstündiger Verhandlung, könne dem
       Journalisten nicht nachgewiesen werden. Eine gewisse „Nähe zu unkorrektem
       Verhalten“ sei gegeben, eine Schuld des Angeklagten aber nicht
       feststellbar, sagte der Vorsitzende Richter am Donnerstag.
       
       Was der Fall illustriert, sind die ungeschriebenen Regeln, nach denen
       Boulevardjournalismus in Deutschland funktioniert. Der scheint für alle
       Beteiligten in der Regel ein Tauschgeschäft zu sein, von dem alle
       profitieren.
       
       ## Fischers neue PR-Beraterin
       
       Im Herbst 2009 titelte die Bild „Otti Fischer. Ärger mit vier
       Liebesmädchen“ und fragte im Blatt: „Haben 4 Huren Otti Fischer um 32.000
       Euro betrogen?“ Nach Erscheinen des Artikels telefoniert Fischers
       PR-Agentin, die er gerade erst engagiert hatte, um sein schlechtes
       Presse-Image zu verbessern, mit Wolf-Ulrich S. von der Bild. Die beiden
       kennen sich seit Jahren, sie haben schon viele gute Geschichten zusammen
       gemacht. Nach dem Gespräch war klar, dass es das Video gibt.
       
       „Wir sind in Zugzwang“, schrieb die PR-Managerin an Fischer. Sollten Bilder
       aus dem Video erscheinen, könnte der Schauspieler seine Werbeverträge und
       die Fernsehrolle als „Pfarrer Braun“ verlieren. „Ich hatte Angst um meine
       Existenz“, sagte Fischer vor Gericht. Zu Recht. Die Aufträge sind seither
       ausgeblieben.
       
       Damit das Video verschwindet, riet die Agentin Fischer zu einem Deal. Dazu
       gehört auch das Exklusivinterview mit peinlichem Seelenstrip. Außerdem
       sollte Fischers Anwalt darauf drängen, dass der anhängige Betrugsprozess
       unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, so dass es anderen Medien
       außer der Bild nicht möglich ist, darüber „unkontrolliert“ zu berichten.
       Dazu kam es nicht. Fischer stellte Strafantrag gegen den Journalisten wegen
       Nötigung und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensrechts. Es folgte eine
       juristische Odyssee.
       
       Im Oktober 2010 verurteilte das Amtsgericht München den Reporter in erster
       Instanz wegen Nötigung zu 180 Tagessätzen à 80 Euro Geldstrafe. Der
       Journalist habe sich laut dem Gericht so verhalten, dass die Agentin auf
       seinen Willen schließen konnte.
       
       ## Der schlechte Ruf eilt ihr voraus
       
       Was da zum Tragen kommt, ist der Ruf, der Boulevardmedien im Allgemeinen,
       der Bild-Zeitung aber im Speziellen, vorauseilt: Klatschreporter, die ein
       solches Video besitzen, werden es verwenden, um zu bekommen, was sie
       wollen. Das wissen Prominente wie Ottfried Fischer. Das weiß auch die
       erfahrene PR-Agentin.
       
       Dass der Bild-Mann ausdrücklich sagt, was wäre wenn, ist nicht nötig. Die
       Agentin kommt dem Reporter zuvor. Ihre Taktik: „offensive Pressearbeit“.
       Berichte der Boulevardmedien, die sie nicht verhindern kann, will sie
       kontrollieren, damit ihr Kunde am Ende in einem positiven Licht erscheint.
       Wenn dieses Geschäft, das mit unabhängigem Journalismus nichts mehr zu tun
       hat, gut ausgeht, sind alle zufrieden. Dumm nur, wenn einer nicht mehr
       mitspielen will.
       
       Das Problem: Zur Nötigung braucht es eine ausgesprochene Drohung mit einem
       empfindlichen Übel, wie es Juristen ausdrücken. Die gab es aber in der
       Causa Fischer nicht. Das Münchner Landgericht sprach deshalb Wolf-Ulrich S.
       in der Berufung frei – und folgte dieser Begründung auch in vierter
       Instanz.
       
       Das Verfahren hätte die Regeln des Boulevardjournalismus‘ verändern können,
       hieß es immer. Das ist nicht geschehen. Journalisten dürfen weiterhin
       kompromittierendes Material kaufen, auch illegal, um Vorwürfe zu
       überprüfen. Damit ist die Freiheit der Presse gewahrt. Doch solange sich
       PR-Manager nicht nur ihren Kunden verpflichtet fühlen, sondern auch den
       Boulevardjournalisten, werden auch künftig keine ausgesprochenen Drohungen
       nötig sein, um peinliche Interviews zu garantieren.
       
       25 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marlene Halser
       
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