# taz.de -- Blog über Piratenpartei: „Wir genießen still“
       
       > Die neuesten Absurditäten und Skandale der Piraten gibt es im Blog
       > „Popcornpiraten“. Ein Gespräch über Querelen, Unterhaltungswert und das
       > Polittheater.
       
 (IMG) Bild: „Politik ist letztlich oft auch ein Schauspiel. Und die Piraten bieten wirklich gutes Theater“, so der Macher der Blogs Caspar Clemens Mierau.
       
       taz: Herr Mierau, seit einem halben Jahr betreiben Sie das Weblog
       [1][Popcornpiraten.de]. Was motiviert Sie, so einen Aufwand um die Querelen
       in dieser Partei zu betreiben? 
       
       Caspar Clemens Mierau: Die Frage stelle ich mir manchmal auch.
       
       Und, was ist Ihre Antwort? 
       
       Das Projekt ist im letzten Herbst einfach so aus einem Moment heraus
       geboren. Es war ein Sonntag im August und ich las mal wieder eine dieser
       skurrilen Nachrichten aus dem Piratenkosmos und hatte das Gefühl: So ein
       Blog, das wäre die passende Erzählform für diese Partei. Und dann hab ich
       einfach die Seite aufgesetzt und am nächsten Tag losgelegt.
       
       Wissen Sie noch, worum es damals ging? 
       
       Der Auslöser war der Streit um die AG Nuklearia – das sind Piraten, die
       sich für Atomkraft einsetzen, obwohl die Partei eigentlich eine
       Anti-Atom-Linie vertritt. Eine Riesenbombe innerhalb der Piratenpartei. Es
       ging um Pro-Atom-Flyer mit dem Parteilogo drauf, es gab eine Abmahnung. Ich
       fand das total skurril. Aber lustig.
       
       Kam das bei den Lesern Ihres Blogs auch so an? 
       
       Zumindest kam so viel Feedback, die Seite hatte auf Anhieb so viele Leser,
       dass ich motiviert war, weiterzumachen. Inzwischen bekomme ich an normalen
       Tagen so etwa fünf, an starken auch mal fünfzehn potenzielle Geschichten
       über ein anonymes Formular zugeschickt.
       
       Von wem kommen die ganzen Hinweise? Auch von Piraten? 
       
       Ja, unter den Einsendern sind durchaus auch sehr gut informierte
       Parteimitglieder. Ihre Motive reichen von Sympathie mit meiner Erzählform
       über Nützlichkeitserwägungen bis hin zum bevorstehenden Parteiaustritt.
       Meistens bereite ich abends ein bis zwei Stunden lang die Storys vor und
       publiziere sie im Laufe des nächsten Tages.
       
       Die Piraten müssen Ihnen ziemlich wichtig sein – sonst würden Sie ja kaum
       so viel Zeit für sie aufwenden. Tragen Sie eine heimliche Liebe zu dieser
       Partei mit sich herum? 
       
       Es ist weder Liebe noch Hass. Das wären zu starke Emotionen. Eher eine
       Freude am Skurrilen. Ich glaube, dass man Teile der Politik ruhig mal als
       Unterhaltung betrachten kann. Politik ist letztlich oft auch ein
       Schauspiel. Und die Piraten bieten wirklich gutes Theater …
       
       Die Piratenpartei – konsequent reduziert auf absurdes Theater? 
       
       Ja, warum nicht. Ich genieße das und fühle mich selbst gut unterhalten von
       all diesen lustigen Nachrichten.
       
       Steht dafür auch der Begriff „Popcorn“ im Namen Ihres Blogs? 
       
       In der Netzkultur bezeichnet der Begriff Popcorn eine bestimmte Art von
       Auseinandersetzung im Internet: Ein Streit verläuft so grotesk, dass man
       sich am liebsten wie im Kino dazusetzen und Popcorn essen würde. Deshalb
       habe ich mein Blog auch mit einem Foto von Kindern illustriert, die im Kino
       sitzen und Popcorn essen. Dieses Bild steht für die Grundhaltung: Wir
       gucken zu, amüsieren uns und genießen still.
       
       Stimmt es, dass Sie selbst mal Mitglied in der Piratenpartei waren? 
       
       Das ist richtig. Allerdings nur sehr kurz. Ich bin Ende 2009 eingetreten
       und war drei Monate Mitglied. Nach meinem Eintritt habe ich mich auf den
       Mailinglisten der Partei eingetragen. Und gleich bei den ersten Mails wurde
       mir klar: Diese Leute kenne ich schon aus anderen
       Netzpolitik-Zusammenhängen, eigentlich will ich denen nicht schon wieder
       begegnen. Und so bin ich ganz schnell wieder ausgetreten.
       
       Egal scheint Ihnen diese Partei aber trotzdem nicht zu sein. 
       
       Klar, ich bin selbst Teil der Netzszene, aus der die Piratenpartei kommt
       und in der sie sich besonders positioniert. 2011 habe ich die Piraten hier
       in Berlin selbst gewählt. Da interessiert mich natürlich, was so aus deren
       Versprechen wird. Ab einem gewissen Punkt hat sich da bei mir eine gewisse
       Entgeisterung eingestellt.
       
       Ihr Blog lebt vom Unterhaltungswert, den die Dauerquerelen in der Partei
       bergen. Viele Piraten aber sind verzweifelt, dass quasi nur noch solches
       Popcorn – wie Sie es nennen – nach außen dringt. Verstehen Sie das? 
       
       Absolut. Ich glaube aber, dass mein Blog verschiedene Zwecke erfüllt.
       
       Und zwar? 
       
       Es gibt Leser, die solche Meldungen auf unpolitische Art einfach lustig
       finden. Es gibt auch Piraten, die das amüsiert. Und dann gibt’s Leute wie
       den Piraten-Bundesvorstand Klaus Peukert, der mal in einem Tweet schrieb:
       Die Popcornpiraten hauen jeden Tag auf uns drauf, aber das ist wichtig. Die
       Partei braucht so ein Korrektiv.
       
       Schaden oder nützen Ihre Popcorn-News der Partei? 
       
       Beides. Einige Leute haben mir gesagt: Wegen deiner Seite bin ich
       ausgetreten. Aber so ein Projekt kann auch eine positive Rückkoppelung
       auslösen. Letztlich ist meine Seite ein permanenter Appell: Macht was mit
       eurer Öffentlichkeitsarbeit!
       
       Glauben Sie, das Theater lässt sich durch bessere Öffentlichkeitsarbeit
       kontrollieren? 
       
       Mir kommt die Öffentlichkeitsarbeit in der Partei jedenfalls sehr
       halbherzig vor. Viele Piraten sind der Ansicht: Es kommt bei uns nur auf
       die Inhalte an. Dahinter steckt ein klassischer Netzgedanke: Was zählt, ist
       allein die logische Argumentation. Dabei vergessen viele Piraten, dass die
       Wähler Menschen mit Emotionen sind, für die auch die Form entscheidet.
       
       Viele Skurrilitäten dringen nach draußen, weil die Piraten transparenter
       kommunizieren als andere Parteien. Machen sich die Piraten mit ihrer
       Offenheit selbst ihr eigenes Projekt kaputt? 
       
       Es stimmt, dass man in anderen Parteien schwieriger an solches Popcorn
       herankommt. Aber wenn die Piraten für Transparenz stehen wollen, dann
       müssen sie souverän damit umgehen – also öffentlich zu Fehlern stehen,
       frühzeitig einräumen, dass jemand Mist gebaut hat. Stattdessen fallen sie
       häufig in die klassischen Abstreitmuster herein. Ich glaube, der
       Kommunikationsstil ist für die Piraten ein Riesenthema.
       
       Wenn man Ihr Blog als Spiegel des Parteilebens sieht, dann produzieren Sie
       ein absolutes Zerrbild. 
       
       Klar, aber es ist auch nicht mein Anliegen als Blogger, die gesamte
       Parteiarbeit abzubilden.
       
       Uns Journalisten wird gerne vorgeworfen, wir reduzierten die Partei zu viel
       auf ihre Querelen und sollten doch mal mehr über die progressiven Inhalte
       berichten. Finden Sie die Kritik gerechtfertigt? 
       
       Ehrlich gesagt nicht. Entweder, eine Partei schafft es, ihre Themen zu
       transportieren – oder sie macht irgendwas falsch. Wenn ich meine Inhalte
       nicht überzeugend genug verpacke, dann schreiben die Journalisten halt über
       andere Storys.
       
       Machen Sie sich mit Ihren permanenten Negativ-Meldungen auch Feinde in der
       Partei? 
       
       Kurz nach dem Start gab es häufig technische Probleme mit der Seite. Mein
       Eindruck war, da versucht jemand, den Server zu attackieren. Außerdem bekam
       ich Post von einem Anwalt, der verlangte, ich solle eine der Meldungen
       löschen. Damals stand die Geburt meines Sohnes kurz bevor, anderes schien
       mir wichtiger. Und so bin ich der Löschaufforderung nachgekommen. Denn
       letztlich ist das Blog ja auch nur ein Freizeitprojekt. Ich kriege aber
       übrigens auch sehr erfreuliche Rückmeldungen.
       
       Zum Beispiel? 
       
       Fast täglich kommen kleine Spenden über das Bezahlsystem Flattr. Es handelt
       sich zwar nur um Cent-Beträge, aber das Geld reicht, um die laufenden
       Kosten zu decken, und freut mich jedes Mal aufs Neue. Und dann kam eines
       Tages ein großes Paket an, da stand als Adressat Popcornpiraten drauf. Ich
       war erst mal ziemlich skeptisch, ob ich das aufmachen soll.
       
       Und, was war drin? 
       
       Ein Geschenk von einem begeisterten Leser. Eine Popcorn-Maschine.
       
       11 Feb 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://Popcornpiraten.de
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Astrid Geisler
       
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