# taz.de -- Kolumne Darum: Mongolen haben keine Bildschirmzeit
       
       > Mist. Meine Kinder haben mich schon wieder erwischt. Am iPad. Beim
       > Spielen. Muss ich mich selbst beschränken? Oder einen Atomkrieg
       > anzetteln?
       
 (IMG) Bild: Liebe Mongolen, gebt die Stadt her oder ...
       
       „Vater vom Kind beim Spielen erwischt“. Hätten wir eine Familienzeitung,
       wir läsen oft diese Schlagzeile. Was außerhalb unserer kleinen Welt wie das
       Normalste der Welt klingt, ist familienintern ein Skandal. Denn wir, die
       Eltern, reglementieren die Spielzeit unserer Kinder. Bevor jetzt alle
       einstimmen und „Wie könnt ihr nur" schreien, sei einschränkend gesagt: Es
       geht um digitale Spiele.
       
       Große Konsole, tragbare Konsolen, PC, Tablet-Computer, Smartphone – wir
       sind mit Geräten, auf denen es sich spielen lässt, ganz gut ausgestattet.
       Und weil das so ist, haben unsere Kinder nicht nur den Wunsch zu spielen,
       sondern auch eine große Auswahl. Sie spielen gern und viel, so gern und
       viel, dass wir irgendwann eingreifen mussten. Zweieinhalb Stunden
       Bildschirmzeit pro Woche billigen wir ihnen zu. Wobei Bildschirmzeit das
       falsche Wort ist. Denn Fernsehen ist nicht eingerechnet und Zeit am PC, die
       nicht verdaddelt wird, auch nicht.
       
       Ganz schön großzügig, wie wir finden. Das sehen die Daddler anders. „Viel
       zu wenig“, murmelt eine verhuschte Gestalt im Vorbeigehen, während
       Quietschgeräusche aus einem blauen Kästchen dringen. „Will nur noch schnell
       das Level zu Ende kriegen“, tönt es hinter einem Bildschirm hervor. „Alle
       anderen dürfen aber mindestens vier Stunden“, heißt es, während Controller
       wild durch die Gegend gefuchtelt werden. „Und für euch gilt das nicht?“,
       sagt eine Stimme, der man die Anstrengung des Multitaskings anmerkt. Am PC
       spielen und gleichzeitig mit den Eltern reden, will gelernt sein.
       
       Mist. Sie haben mich schon wieder erwischt. Meine kleine Schwäche zwischen
       einem Vollzeitjob, einem Nebenjob und zwei Kindern heißt „Civilization
       Revolution“. Das ist ein rundenbasiertes Spiel, bei dem man eine
       Zivilisation vom Ende der Jungsteinzeit in die Moderne bringen muss –
       technologisch, ökonomisch, kulturell und militärisch. Anders gesagt: Wo
       andere ihre Freizeit mit Sport oder Büchern verbringen, opfere ich meine
       dem digitalen Fortschritt der Menschheit.
       
       ## „Und? Wen spielst du diesmal?“
       
       Ich sollte ein Vorbild sein. Ich weiß. Ich sollte keine kleinkarierten
       Panzerkriege mit den Mongolen führen, nur weil sie mir eine Stadt geklaut
       haben. Das ist dumm. Ich sollte überhaupt weniger Zeit mit diesem Spiel
       verbringen. Wie ärgerlich. Ich werde das ändern. Ich will vorher nur noch
       eben diese verdammte Stadt wiederhaben. Und die Mongolen sollen endlich
       klein beigeben.
       
       Ich komme mir tatsächlich schäbig vor, wenn eins der Kinder mal wieder
       überraschend hinter mir steht und sagt: „Und? Wen spielst du diesmal?“ Ich
       stehe doch auch nicht ständig hinter ihnen, starre auf ihre Bildschirme und
       kommentiere das Spielgeschehen. Ich ärgere mich tatsächlich – über mich,
       über die Kinder, über meinen Umgang mit diesem verdammten Spiel, über die
       Mongolen sowieso, die diese Stadt immer noch nicht hergeben. Muss ich denn
       jetzt wirklich einen Atomkrieg anzetteln?
       
       Zweieinhalb Stunden pro Woche sollten auch mir reichen, beschließe ich. Da
       jubeln die Mongolen und klauen mir noch eine Stadt. Die haben natürlich
       keine Bildschirmzeit. Frechheit, so eine Selbstbeschränkung einfach
       schamlos auszunutzen. Die sollen mich kennenlernen.
       
       18 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Maik Söhler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Civilization
 (DIR) Kinder
 (DIR) Konsole
 (DIR) taz.gazete
 (DIR) FC Bayern München
 (DIR) Kinder
 (DIR) Zucker
 (DIR) Berlin
 (DIR) Kinder
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kolumne Darum: Aquarium mit Balkonzugang
       
       Gemüse ist nicht ekelig, Detailgenörgel am Essen muss nicht sein und Freude
       kann man auch heucheln: Was Kinder von Haustieren lernen können.
       
 (DIR) Kolumne Darum: Hai gegen Bär? Briegel gegen Götze!
       
       Es beginnt die fußballfreie Zeit. Ein guter Moment, um Kindern die
       Geschichte des deutschen Rumpelgekicke und Fernseh-Fremdschämens
       nahezubringen.
       
 (DIR) Kolumne Darum: Krümel pflastern ihren Weg
       
       Drei Schritte in die Wohnung, drei Dinge fallen zu Boden: Wenn es ums
       Loslassen geht, können Eltern von Kindern viel lernen.
       
 (DIR) Kolumne Darum: „Kommst du wieder?“
       
       Grauen mit 16 Buchstaben und mindestens 10 Beteiligten: Kindergeburtstag.
       Kung-Fu-Einlagen, Eltern auf allen Vieren und wie man seine Frau schockt.
       
 (DIR) Kolumne Darum: Schule gesucht, Preußen gefunden
       
       Wer Kinder hat, kennt das: Endlosdebatten um die richtige Schule. Wer keine
       Kinder hat, sollte wissen: Die Schulsuche fördert das Schlimmste in uns
       zutage.
       
 (DIR) Kolumne Darum: Warte, warte noch ein Weilchen …
       
       „Warte kurz ...“ – dieser Halbsatz ist es, der Eltern die ewige Verdammnis
       bringt. Die Verdammnis zu warten. Was hätten wir in dieser Zeit alles tun
       können.
       
 (DIR) Kolumne Darum: Geile heile Welt
       
       Erwachsen ist, wer um 6.45 Uhr Pausenbrote schmiert. Also lieber keine
       Kinder? Nein. Besser fragen, was Darth Vader tun würde.
       
 (DIR) Kolumne Darum: „Du Doppelhitler!“
       
       Wir zählen nur die Zyklen, in denen neue Schimpfwörter den Weg zu uns
       finden. Wie die Superschule alles richtig machte und doch das falsche dabei
       rauskam.