# taz.de -- Kolumne Darum: Geile heile Welt
       
       > Erwachsen ist, wer um 6.45 Uhr Pausenbrote schmiert. Also lieber keine
       > Kinder? Nein. Besser fragen, was Darth Vader tun würde.
       
 (IMG) Bild: In der Tim-und-Struppi-Phase kann man sich schon mal Flüche für später merken.
       
       Kinder stellen sich das Erwachsensein als einen Zustand ewiger
       Glückseligkeit vor. Erwachsene dürfen Süßigkeiten essen, wann sie wollen.
       Sie können abends fernsehen. Sie geben Geld für jeden Quatsch aus. Sie
       verfügen über die Macht, andere ins Bett zu schicken.
       
       Dabei sieht die Realität des Erwachsenseins anders aus. Erwachsen ist nur,
       wer morgens um 6 Uhr 45 unausgeschlafen in der Küche steht, Pausenbrote im
       Akkord schmiert und dabei weiß, dass das alles nachmittags möglicherweise
       ungegessen zurückkommt. Erwachsen zu sein nervt. Davon wiederum wollen
       Kinder nichts hören. Ein unlösbares Problem.
       
       Unlösbar? Von wegen! Was würde Lassie tun? Was Donald Duck? Wie würden wohl
       Tim und Struppi für Abhilfe sorgen? Kann Darth Vader das verworrene
       Dickicht aus Erwartungen und gegenseitigen Schuldzuweisungen mit seinem
       Laserschwert zerschlagen? Ja, ja, ja und ja.
       
       Dank unserer Kinder können wir zeitweise auch wieder zu Kindern werden. Zu
       Hause hat gerade die Tim-und-Struppi-Phase begonnen. „Hunderttausend
       heulende und jaulende Höllenhunde!“, schimpft Tims Freund Kapitän Haddock
       da. Wir speichern diesen Fluch ab, um ihn statt der üblichen Phrasen auf
       einer der nächsten Redaktionskonferenzen zu verwenden.
       
       ## Wir haben wieder Träume
       
       Abends schauen wir gemeinsam, wie der uralte Bordercollie Lassie jede
       Schwierigkeit vierpfotig am Wegesrand hinter sich lässt. Geile heile Welt.
       Wir sehen uns das an, und wenn der Film vorbei ist, greifen wir zu
       Micky-Maus-Heften, beneiden Dagobert Duck um seinen Geldspeicher und
       bereisen mit Huckleberry Finn den Mississippi. Wir sind wieder jung,
       erleben wieder Abenteuer. Wir haben wieder Träume.
       
       Von Kinderlosen hören wir oft, wie stressig unser Leben zwischen Job und
       Kindern doch sein müsse. Dass man nicht tauschen möchte, nein, um keinen
       Preis. „Hagel und Granaten!“, rufen wir dann, Kapitän Haddock zitierend.
       Denn tauschen wollen auch wir nicht. Dann könnten wir nicht mehr ohne
       Entschuldigungen zu stammeln („Ist nur Teil der Recherche für einen
       Artikel“) in einfache Welten eintauchen. In Welten, in denen einem
       schwierige Dialoge wie „Auuuh! … Auuuh!“ – „Jetzt oder nie ...“ – „Hilfe!
       Hilfe!“ (Tim und Struppi, in: „Die Zigarren des Pharaos“) oder Lassies
       hundertster Versuch, den Heimweg doch noch zu finden, intellektuell und
       emotional alles abverlangen.
       
       Inmitten des Eltern- und Erwachsenendaseins sind solche Momente leider viel
       zu kurz. Bald schon dringt wieder der Ruf „Hunger!“ durch die Wohnung. Ein
       Abendessen will gerichtet, ein Schulranzen gepackt, ein Pflaster aufgeklebt
       sein. Was können Eltern und Kinder gemeinsam tun, um für eine verlängerte
       Kindheit aller Beteiligten zu sorgen? Sollten wir noch mehr über Fußball
       reden? Über Comics? Über Erfindungen, auf die selbst Daniel Düsentrieb
       neidisch wäre? Was sagt eigentlich Kapitän Haddock dazu?
       
       Und siehe da: Alle Tim-und-Struppi-Hefte sind weg. Ein Kind hat sie in sein
       Zimmer geschleppt und verweigert uns die Teilhabe an der Glückseligkeit.
       Wo, verdammt, ist Lassie, wenn man sie mal braucht?
       
       22 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Maik Söhler
       
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