# taz.de -- SPD-Projekt Agenda 2010: Blick zurück im Zorn
       
       > Die Reform sollte die Kosten des Sozialstaats senken. Das tat der SPD gar
       > nicht gut: verstärkter Mitgliederschwund und Konkurrenz von Links
       > folgten.
       
 (IMG) Bild: Vor zehn Jahren verabschiedete die rot-grüne Regierung ihre Agenda 2010. Seither schrumpft die Zahl der SPD-Mitglieder stärker denn je.
       
       BERLIN taz | Die „Agenda 2010“ ist bis heute ein Versuchsprojekt, das
       ständig nachgebessert wird. Wie wenig das Gesetzespaket funktioniert, zeigt
       die Flut der Prozesse: 2012 sind allein in Berlin 29.000 Klagen gegen Hartz
       IV eingegangen. Die Zahl der Richter an den Sozialgerichten wurde bereits
       verdoppelt, trotzdem steigen die Aktenberge.
       
       Die meisten Deutschen assoziieren die „Agenda 2010“ mit Reformen auf dem
       Arbeitsmarkt. Doch sie war sie weit mehr – ein umfassendes Programm, um die
       Kosten des Sozialstaats zu senken und die Arbeitgeber zu entlasten. So
       wurde unter anderem die paritätische Finanzierung bei den gesetzlichen
       Krankenkassen geschwächt. Seither müssen die Arbeitnehmer mehr einzahlen
       als die Betriebe.
       
       Besonders einschneidend waren die Reformen auf dem Arbeitsmarkt: Die
       Arbeitslosenhilfe wurde abgeschafft – und mit der Sozialhilfe
       zusammengelegt. Für mehr als die Hälfte aller Langzeitarbeitslosen
       bedeutete dies erhebliche Einbußen. Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes
       verkürzte sich auf regulär 12 Monate, so wurde jeder Jobverlust zu einer
       existenziellen Bedrohung. Wer nicht bald eine neue Stelle fand, musste
       befürchten, nach einem Jahr in Hartz IV zu landen. Zudem wurden die
       Zumutbarkeitsregeln verschärft: Arbeitslose müssen jeden Job annehmen, der
       nicht offensichtlich sittenwidrig ist.
       
       Die rot-grünen Steuerreformen gehörten offiziell nicht zur „Agenda 2010“,
       sie begannen schon früher. Doch politisch bildeten beide Projekte eine
       Einheit: Unternehmer und Spitzenverdiener wurden entlastet, während bei den
       Ausgaben für Arbeitslose und Hilfen für die Mittelschicht gekürzt wurde.
       
       Gut getan hat die „Agenda 2010“ der SPD nicht. Zwar ist der Genossen-Frust
       über Schröders Sozialstaatsreform nicht die Ursache für die schwindende
       Mitgliederzahl – doch seit 2003 schrumpft die Sozialdemokratie rascher als
       zuvor. Von 1990 bis 2002 hat die SPD – außer in Bundestagswahljahren –
       durchschnittlich 2,9 Prozent ihrer Mitglieder jährlich verloren. Danach
       waren es mehr als 5 Prozent.
       
       Und: Ohne Agenda hätte es wohl keine linkssozialdemokratische Abspaltung
       WASG gegeben sowie keine Linkspartei. Und Oskar Lafontaine wäre
       Polit-Frührenter in Saarbrücken geblieben.
       
       12 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) U. Hermann
 (DIR) S. Reinecke
       
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