# taz.de -- Debatte Google Glass und Überwachung: Eine Brille? Hausmeister hilf!
       
       > Der Wettlauf ist längst entschieden: Noch bevor die Datenbrille „Google
       > Glass“ auf den Markt kommt, ist die „German Angst“ schon da.
       
 (IMG) Bild: Wer hat Angst vor dieser Frau? Niemand. Und vor der Brille? Viele!
       
       Es ist nur eine Brille. Kein staatliches Spionageprogramm, keine
       militärische Drohne, keine privatwirtschaftliche Schnüffelsoftware.
       [1][„Google Glass“ ist eine Brille mit Internetanschluss.] Sie kann
       lediglich das, was Smartphones und Tablet-Computer auch können – ins Netz
       gehen, Daten zwischen Geräten austauschen, Chat und E-Mail, Fotos und
       Videos machen, Tonaufnahmen.
       
       Noch in diesem Jahr soll sie auf den Markt kommen und bevor es so weit ist,
       ist die Angst schon da. Die Angst vor Überwachung. Die Angst davor,
       [2][fotografiert oder gefilmt zu werden, ohne es zu merken.] Die Angst
       davor, dass diese Fotos und Filme sowie andere Daten [3][auf den Servern
       von Google landen], wo sie der eigenen Kontrolle entzogen sind. Die Angst,
       dass die eigene Privatsphäre verletzt wird. Aber auch, und hier wird es
       lächerlich, [4][die generelle Angst vor neuer Technologie].
       
       Die Debatte ist nun in Deutschland angekommen und über „Google Glass“ ist
       erstmal wenig Gutes und viel Hysterie zu vernehmen. Von einer privaten
       Ausweitung der ohnehin [5][allgegenwärtigen Videokameras im öffentlichen
       Raum] ist da die Rede; von noch mehr Werbung; von Drohnen, die sich Zugriff
       auf [6][„hunderttausende herumlaufende Überwachungskameras“] verschaffen
       könnten; von der Unterwerfung [7][„unserer Leben“ unter die
       „allgegenwärtige Datenverarbeitung“] gar.
       
       Auch in Großbritannien und in den USA haben Debatten um Datenschutz,
       Privatsphäre und „wearable computing“ – sei es nun die Datenbrille, [8][ein
       Schuh] oder [9][eine Uhr] – begonnen. Sie werden rational geführt,
       Argumente treffen auf Gegenargumente, es geht um einzelne Aspekte der neuen
       Technologie und nicht um die Technologie selbst. In Deutschland aber meldet
       sich wie so oft zuerst der Hausmeister zu Wort: „Was Neues? Gibt's nicht!
       Nicht in meinem Hof! Da könnt' ja jeder kommen!“
       
       ## Datenschutz-Avantgarde vs. technologisches Mittelalter
       
       Wir gehören nicht zur netztechnologischen Avantgarde, kaum eine Innovation
       in diesem Bereich kommt aus Deutschland. Unternehmen, die den Anschluss an
       die Weltspitze halten, können wir mit dem beliebtesten Google-Symbolfoto,
       einer Lupe, suchen.
       
       Dagegen kann Deutschland beim Datenschutz nicht nur international
       mithalten, sondern es liegt dabei ganz vorn. Die Gesetze und Regelungen
       sind so weit vorn, dass sie schon die [10][automatische Gesichtserkennung
       bei Facebook] verhindert und ein [11][Opt-Out bei Google Street View]
       erreicht haben, gegen die Videoüberwachung öffentlicher Plätze, den
       Staatstrojaner und die Weitergabe von Nutzerdaten beim Filesharing aber
       weitgehend machtlos sind.
       
       Schon jetzt, lange bevor „Google Glass“ die Testphase verlassen hat, nach
       neuen Regeln, mehr Konventionen und schärferen Gesetzen zu rufen, ändert an
       dieser seltsamen Ambivalenz des deutschen Datenschutzes jedenfalls nichts.
       Da freut sich nur der Hausmeister über die freundliche Unterstützung und
       die Ausweitung seiner Macht: „Wennse in Urlaub fahren, gebense mir ruhig
       die Wohnungsschlüssel.“
       
       ## Neuer Anlass, alte Debatte
       
       Nichts an den nun gegen „Google Glass“ vorgebrachten Argumenten ist neu.
       Der Schutz der Persönlichkeitsrechte, die mögliche Verbindung neuer
       Technologie mit Satelliten oder Drohnen, die Frage, wie lange Fotos, Videos
       und Daten auf Servern oder im Netz liegen dürfen, der Öffentlichkeit
       vorenthaltene Informationen, grundsätzliche Datenschutzerwägungen – [12][im
       Interview mit Spiegel Online] betonte Verbraucherschutzministerin Ilse
       Aigner im Oktober 2010 sogar alle Aspekte auf einmal.
       
       Wohlgemerkt: Dabei geht es nicht um den deutschen Staat und seine
       Sicherheitsbehörden, die – wie der [13][Dresdener Handydatenskandal] zeigt
       – nicht selten ein rein instrumentelles Verhältnis zu Datenschutz,
       Persönlichkeitsrechten und Transparenz haben, sondern um Google; in diesem
       Fall Google Street View.
       
       Was wurde in den Jahren 2009 und 2010 nicht alles befürchtet: Wer Häuser
       und Autos fotografiere und diese Fotos im Netz veröffentliche, verletze die
       Privatsphäre von Millionen Menschen; systematisch werde der Datenschutz
       ausgehebelt; Einbrecher hätten es noch nie so leicht gehabt und so weiter.
       Mit dem souveränen Blick von heute sehen wir: Kaum etwas davon ist
       eingetreten, der „German Angst“ folgte – nichts. Nur der Hausmeister bleibt
       stur: „Gefilmt wird hier nicht. Und wenn doch, dann nur von mir!“
       
       ## Recht am eigenen Bild
       
       Es braucht weder neue Konventionen, Regeln oder gar Gesetze, wenn „Google
       Glass“ in Deutschland irgendwann frei erhältlich sein sollte. Im
       Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und speziell im Recht am eigenen Bild ist
       gerade im deutschen Rechtsraum alles klar und deutlich festgelegt.
       
       [14][Paragraph 22 des Kunsturhebergesetzes] stellt klar: „Bildnisse dürfen
       nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau
       gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der
       Abgebildete dafür, dass er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt
       (...).“ Es folgen Ausnahmen und Strafvorschriften. Das
       Bundesverfassungsgericht hat darüber hinaus das Recht auf informationelle
       Selbstbestimmung ausdrücklich als Datenschutz-Grundrecht bestätigt.
       
       Das bedeutet: Mit „Google Glass“ erstellte Fotos und Filme sind nicht
       anders zu behandeln als mit Handys, digitalen und analogen Kameras
       erstellte Aufnahmen. Wer die Persönlichkeitsrechte eines Anderen verletzt,
       kann straf- und zivilrechtlich belangt werden. Da bekommt sogar der
       Hausmeister Angst – und das ist auch gut so.
       
       So klar die rechtliche, so unklar ist die ethische Seite der Verwendung von
       „Google Glass“ und anderen Geräten aus dem Bereich des „wearable
       computing“. Einfacher und unauffälliger als bisher lassen sich Töne, Fotos
       und Bewegtbilder erstellen und in personenbezogene Daten umwandeln. In
       diesem Fall wäre ein ehrlicher, zivilisierter und respektvoller Umgang
       aller Beteiligten wichtig. Daran kann Google mitwirken. Offenzulegen,
       welche Daten wann, wo, wie gespeichert und weiterverarbeitet werden und wie
       sie möglicherweise gelöscht werden können, wäre ein erster Schritt.
       
       Angesichts der Macht von Google mag das naiv klingen. Aber um wieviel
       naiver ist die „German Angst“ vor dem technologisch Neuen. Genauer gesagt:
       vor einer Brille.
       
       12 Mar 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.google.com/glass/start/
 (DIR) [2] http://tapastic.com/episode/2058
 (DIR) [3] http://creativegood.com/blog/the-google-glass-feature-no-one-is-talking-about/
 (DIR) [4] http://stopthecyborgs.org/
 (DIR) [5] http://netzwertig.com/2013/03/12/debatte-ueber-google-glass-es-gibt-nicht-nur-schwarz-oder-weiss/#comment-119752
 (DIR) [6] http://netzpolitik.org/2013/google-glass-und-der-datenschutz-die-herumlaufenden-uberwachungskameras/
 (DIR) [7] http://www.delegedata.de/2013/03/google-glass-ok-glass-privacy/
 (DIR) [8] http://www.giga.de/unternehmen/google/news/googles-sprechender-schuh-die-kleidung-der-zukunft/
 (DIR) [9] http://www.golem.de/news/patentantrag-wird-die-apple-uhr-ein-armband-1302-97758.html
 (DIR) [10] http://www.heute.de/Facebook-l%C3%B6scht-Daten-zur-Gesichtserkennung-26524334.html
 (DIR) [11] http://en.wikipedia.org/wiki/Google_Street_View_privacy_concerns#Germany
 (DIR) [12] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/aigner-interview-zu-geodaten-diensten-google-kann-sich-keinen-fehler-mehr-erlauben-a-712514.html
 (DIR) [13] /Handydaten-Skandal-in-Dresden/!110068/
 (DIR) [14] http://de.wikipedia.org/wiki/Recht_am_eigenen_Bild#Rechtslage_in_Deutschland
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Maik Söhler
       
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