# taz.de -- Mehrtägige Ausschreitungen in Birma: „88er“ geben Behörden die Schuld
       
       > In Birma haben Gewalttäter dutzende Menschen getötet und Tausende
       > vertrieben. Die Bevölkerung hält die Ausschreitungen für das Werk der
       > Regierungspartei.
       
 (IMG) Bild: Feuerwehrleute löschen am Wochenende einen Brand in Meiktila.
       
       RANGUN taz | Der Ruf des Muezzins hallt durch die geschäftige Markstraße in
       der Innenstadt von Birmas alter Hauptstadt Rangun. Hunderte von Menschen
       drängen sich an den Ständen von fliegenden Händlern vorbei, die auf der
       Straße Handys, Geldbeutel und Ledergürtel verkaufen. Viele der Männer haben
       lange Bärte und tragen weiße Kappen. Einigen von ihnen ist anzusehen, dass
       ihre Vorfahren aus Indien stammen.
       
       Hier, in einem der größten Muslimviertel von Rangun, sprechen die Menschen
       seit einigen Tagen fast nur noch über das, was sich in der Kleinstadt
       Meiktila – rund 500 Kilometer weiter im Norden – abgespielt hat. Dort war
       am Mittwoch ein muslimischer Goldhändler mit zwei buddhistischen Kunden in
       Streit geraten. Die Auseinandersetzung eskalierte, es kam zu einer
       Schlägerei. Kurze Zeit später zog ein randalierender Mob durch das
       Geschäftsviertel, brannte Häuser, Geschäfte sowie Moscheen nieder und ging
       auf Menschen los.
       
       Als drei Tage später die Armee – die in der Kleinstadt eine große Kaserne
       unterhält – ihre Soldaten auf die Straßen schickte, hatten die Gewalttäter
       ganze Stadtteile niedergebrannt, Dutzende Menschen ermordet und Tausende
       vertrieben. Augenzeugen berichten von zum Teil komplett verkohlten Leichen,
       die noch am Samstag mitten auf den Straßen lagen. Mehr als 1.000 Muslime
       saßen am Sonntag in einem Sportstadion fest.
       
       „Das alles hatte einen politischen Hintergrund“, sagt Yusuf, ein
       Anfangdreißiger, der in dem Geschäftsviertel in Rangun wohnt. Viele Muslime
       in Rangun glaubten, dass die Armee und einige Politiker der regierenden
       „Unionspartei für Entwicklung und Solidarität“ (USDP) – die Partei der
       Generäle und ihrer Günstlinge – die Gewalt angefacht habe, um daraus
       politisches Kapital zu schlagen.
       
       „Die Armee kontrolliert hier immer noch alles. Die haben nur den Namen des
       Systems in ’Demokratie‘ geändert“, sagt Yusuf. Jetzt hätten viele Offiziere
       offenbar Angst, für ihre Verbrechen aus der Zeit der Militärdiktatur zur
       Rechenschaft gezogen zu werden, sollte es einen wirklichen Wandel geben.
       Ausschreitungen, die das Land unregierbar erscheinen ließen, spielten den
       Vertretern des alten Regimes in die Hände.
       
       ## „Wieso haben die das nicht aufgehalten?“
       
       Der ehemalige politische Gefangene Aung Thein Lwin gibt den Behörden die
       Schuld daran, dass die Gewalt derart eskaliert ist. Er ist Mitglied der
       Generation der 88er-Studenten, einer einflussreichen
       Pro-Demokratie-Organisation. In Meiktila sei viel Militär stationiert, auch
       gäbe es dort viel Polizei. „Wieso haben die die nicht aufgehalten? Die
       Gewalttäter haben vor den Augen der Polizei Menschen getötet und Häuser
       niedergebrannt.“ Diese Auseinandersetzung, fügt er hinzu, solle den
       Eindruck vermitteln, dass es in Birma keinen Frieden und keine Ordnung
       gäbe. „Das könnte als Vorwand für einen Putsch dienen.“
       
       In der Tat glauben viele Birmesen, mit denen man in diesen Tagen spricht,
       dass die USDP in die Gewalt in Meiktila verwickelt ist. Nicht ohne Grund:
       Immer wieder war die Partei, die bis vor zwei Jahren USDA hieß und eine
       Massenorganisation des Militärs war, an extremen Gewaltakte beteiligt. 2003
       hatten Tausende Schläger – die meisten von ihnen vermutlich USDA-Mitglieder
       – im Norden des Landes einen Autokorso von Demokratieführerin Aung San Suu
       Kyi angegriffen und etwa 70 Parteiarbeiter ihrer Nationalliga für
       Demokratie (NLD) ermordet. Suu Kyi kam nur knapp mit dem Leben davon. Viele
       der Angreifer hatten Mönchskutten getragen. Die Staatspresse vermeldete
       damals, dass Anwohner sich über Suu Kyis Besuch so sehr geärgert hätten,
       dass sie gewalttätig geworden seien.
       
       Auch bei den Mönchsprotesten 2007 holte das Regime Lkw-Ladungen voller
       Schläger aus dem Umland nach Rangun, die in die Klöster eindrangen und
       Mönche verprügelten und abtransportierten. Anwohner von Meiktila sagten
       Journalisten, dass die Randalierer aus dem Umland gekommen seien.
       Behördenvertreter erklärten am Sonntag, dass sich die Gewalt auf weitere
       Teile Zentralbirmas ausgeweitet habe. In der Stadt Yamethin seien 43 Häuser
       und Moscheen niedergebrannt worden.
       
       24 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sascha Zastiral
       
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