# taz.de -- Debatte Energiewende: Kohlekraft ist schon längst am Ende
       
       > Kohlekraftwerke arbeiten heute kaum rentabel und sind zu unflexibel für
       > den Strommarkt der Zukunft. Wird die Branche einsehen, dass Kohle keine
       > Zukunft hat?
       
 (IMG) Bild: Von der Sonne überstrahlt: Kohlekraftwerk in Niedersachsen
       
       Von Dankesschreiben der Stromwirtschaft ist nichts bekannt – angemessen
       wären sie freilich. Denn Umweltschützer haben in den letzten Jahren
       Energieunternehmen vor schmerzhaften Fehlinvestitionen bewahrt: In
       Brunsbüttel, Mainz und Lubmin zum Beispiel trugen Bürgerproteste zumindest
       dazu bei, dass geplante Kohlekraftwerke nicht gebaut wurden.
       
       An anderen Standorten, so darf man vermuten, wären Energieunternehmen heute
       froh, Umweltverbände hätten auch ihre Planungen frühzeitig gestoppt. Denn
       die Projekte, die derzeit im Bau sind, werden womöglich niemals rentabel
       arbeiten können. Dass gleichwohl Eon in Datteln oder EnBW in Karlsruhe ihre
       Neubauten noch zu Ende bringen wollen, liegt nur daran, dass sie schon viel
       Geld verbaut haben. Und dass RWE sogar noch von einem Neubau in Niederaußem
       spricht, soll allein Aktivität signalisieren. Zu entscheiden gibt es in der
       Sache derzeit nichts; ein Baubeschluss steht frühestens 2017 an – und dass
       der zugunsten eines Neubaus fallen wird, ist unwahrscheinlich.
       
       Denn Kohlekraftwerke haben inzwischen kaum noch Chancen, die jährlichen
       Laufzeiten zu erreichen, die sie brauchen, um ihre Investitionskosten
       einzuspielen. Wenn Solarkraftwerke und Windparks während 3.000 bis 4.000
       Stunden im Jahr die Netze fluten, bleiben den Kohlekraftwerken bestenfalls
       5.000 Stunden, in denen sie Deckungsbeiträge zur Finanzierung der
       Kapitalkosten erwirtschaften können. Ein Kraftwerk, das mit 6.000 oder gar
       7.000 Stunden kalkuliert war, wird dann zum Verlustobjekt.
       
       Die Kohlekonzerne hätten es wissen können, schließlich sahen
       Marktbeobachter diese Entwicklung kommen. Das Fachmagazin Photon etwa
       benannte unter dem Titel „Schwarze Wolken über RWE & Co.“ bereits Anfang
       2009 die absehbaren Probleme der traditionellen Elektrizitätswirtschaft –
       nicht ohne den aus heutiger Sicht bemerkenswerten Hinweis, die
       Kraftwerksbetreiber hätten „offenbar noch gar nicht realisiert, was auf sie
       zukommt“.
       
       ## Die Zukunft verkannt
       
       Völlig betriebsblind, auf fast schon naive Weise gefangen in ihrer engen,
       alten Energiewelt, unterschätzten Stromkonzerne und auch Stadtwerke den
       Siegeszug der erneuerbaren Energien. Noch immer geprägt von der längst
       zerfallenen Monopolistenwelt verkannten sie, dass ihnen Bürgerkraftwerke
       eines Tages das Leben schwer machen würden; sie ignorierten alle Anzeichen,
       dass in Zukunft niemand mehr Grundlastkraftwerke braucht.
       
       Zwischenzeitlich aber ist unverkennbar, dass die neuen Kohlekraftwerke
       bestenfalls dann rentabel werden arbeiten können, wenn zuvor in großem Stil
       alte Blöcke das Feld räumen. Solange das aber nicht geschieht, ist
       Deutschlands Strommarkt zu den meisten Zeiten schlicht überversorgt – mit
       der logischen Konsequenz niedriger Preise im Großhandel: Strom, der im Jahr
       2014 geliefert wird, ist an der Börse aktuell für 41 Euro je Megawattstunde
       zu haben. Vor fünf Jahren kostete er das Doppelte.
       
       Längst schwappen die Überschüsse aus deutscher Produktion in großem Stil
       ins Ausland. Im ersten Quartal 2013 erreichte Deutschlands Exportüberschuss
       bereits die Hälfte des gesamten Vorjahres – und schon das war ein
       Allzeitrekord. Beliebig wird sich der Export jedoch nicht ausbauen lassen,
       und deswegen ist absehbar, dass schon sehr bald die Erzeugung von
       Kohlestrom in Deutschland gedrosselt werden muss.
       
       Die Rechnung ist einfach: Die Erneuerbaren werden weiter ausgebaut,
       folglich muss irgendjemand seine Produktion senken. Da das nächste
       Atomkraftwerk laut Plan aber erst Ende 2015 vom Netz geht und die
       Gaskraftwerke ohnehin schon weitgehend stillstehen, kann nur noch die Kohle
       weichen. Da mag dann zwar die Wirtschaftswoche lamentieren, dass „die
       verkorkste Energiewende“ nun „die Steinkohlekraftwerke gefährdet“. Aber es
       war ja gerade der Sinn der Energiewende, auch Kohlestrom durch Ökostrom zu
       ersetzen.
       
       Und doch bleibt ein Problem: Manches heute unwirtschaftliche Kraftwerk wird
       man dennoch in Engpass-Situationen für wenige Stunden im Jahr brauchen. Der
       viel diskutierte Kapazitätsmarkt, der bereits die Bereitstellung von
       Kraftwerksleistung bezahlt, kann dieses Problem entschärfen. Dennoch
       sollten die Betreiber von Kohlekraftwerken nicht auf Rettung durch einen
       Kapazitätsmarkt hoffen. Denn ist dieser richtig gestaltet, wird er vor
       allem die Gaskraftwerke wieder „ins Geld“ bringen, wie man in der Branche
       sagt. Und nicht die Kohle.
       
       ## Zu unflexibel für das System
       
       Die Meiler nämlich passen schon alleine aus technischen Gründen immer
       weniger ins System. Ein Beispiel: In den Mittagsstunden des 17. März
       erzeugten Sonne und Wind zusammen 25 Gigawatt. Am Spotmarkt kostete der
       Strom in diesen Stunden weniger als einen Cent je Kilowattstunde – ein
       Preis, zu dem kein konventionelles Kraftwerk rentabel Strom erzeugen kann.
       Gleichwohl waren weiterhin Kohlekraftwerke mit 15 Gigawatt und
       Atomkraftwerke mit zehn Gigawatt am Netz.
       
       Die Anlagen liefen, weil sie nicht anders konnten. Weil sie schlicht zu
       unflexibel sind für ein von erneuerbaren Energien geprägtes
       Versorgungssystem. Denn Kohlekraftwerke können ihre Stromerzeugung
       typischerweise pro Minute nur um ein bis 1,5 Prozent (gemessen an ihrer
       Nennleistung) verändern. Und unter 40 bis 50 Prozent ihrer Nennleistung
       können sie überhaupt nicht gedrosselt werden, sofern man sie anschließend
       wieder zügig hochfahren will.
       
       Was die Stromwirtschaft stattdessen braucht, sind flexible Gaskraftwerke.
       Und weil kleine Anlagen noch flexibler sind als große, gehört die Zukunft
       neben den erneuerbaren Energien den dezentralen Gaskraftwerken. Am Ende
       steht damit die bemerkenswerte Erkenntnis, dass die ökologisch günstigsten
       Kraftwerke auch jene sind, die sich am besten in die Stromwirtschaft der
       Zukunft einfügen. Ob das auch die Stromwirtschaft begreift, wird sich
       zeigen. Wenn sie klug ist, wird sie erkennen, dass es nicht verkehrt ist,
       das Ohr immer ein wenig am Puls der Umweltbewegung zu haben.
       
       2 Apr 2013
       
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 (DIR) Bernward Janzing
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