# taz.de -- Energiegipfel im Kanzeramt: Bremser auf allen Seiten
       
       > Am Donnerstag verhandeln Bund und Länder, wie der Strompreis begrenzt
       > werden kann, ohne die Energiewende zu gefährden. Vorschläge gibt es
       > viele.
       
 (IMG) Bild: Hat eine „Strompreisbremse“ vorgeschlagen: Umweltminister Peter Altmaier (CDU)
       
       BERLIN taz | Die steigenden Strompreise sorgen seit Monaten für Streit.
       Weil die Förderung der Ökoenergie mittlerweile rund ein Fünftel der
       Stromrechnung ausmacht, hat Umweltminister Peter Altmaier (CDU) eine
       „Strompreisbremse“ vorgeschlagen. Nach Ansicht der Opposition würde sie
       allerdings eher die Energiewende bremsen.
       
       Am Donnerstag wird sich zeigen, ob es noch vor der Bundestagswahl eine
       Lösung gibt: Die Ministerpräsidenten der Bundesländer kommen zum
       Energiegipfel ins Kanzleramt. Viele Vorschläge liegen auf dem Tisch: Die
       Ausnahmen für die Industrie begrenzen, die Vergütung von Wind- und
       Solarstrom kürzen, die Stromsteuern senken und den Emissionshandel
       reformieren.
       
       Doch eine Einigung scheint fraglich. Denn zu jedem Vorschlag gibt es – über
       Parteigrenzen hinweg – eine starke Gegenlobby. Ein Vorbereitungstreffen
       zwischen Altmaier und den Umwelt- und Wirtschaftsministern der Länder
       endete am Dienstag ohne Einigung. Und in einem der taz vorliegenden
       [1][Papier], das die Regierung am Mittwoch als Verhandlungsangebot an die
       Länder übersandte, heißt es an mehreren Knackpunkten lapidar, man habe
       „mangels konkreter Zuständigkeiten“ gar nicht erst verhandelt: etwa über
       Emissionshandel und Stromsteuer.
       
       ## Steuern senken? Ohne Schäuble!
       
       Was will die Bundesregierung? Sie ist sich uneins. Zwar gäbe es eine
       Lösung, mit der CDU-Umweltminister Peter Altmaier, FDP-Wirtschaftsminister
       Philipp Rösler, die Bundesländer und die Industrie gut leben könnten: die
       Senkung der Stromsteuer. Nur passt das dem Finanzminister Wolfgang Schäuble
       (CDU) nicht. SPD und Grüne etwa fordern eine Reduktion um 25 Prozent. Die
       FDP und der Bundesverband der Deutschen Industrie hatten argumentiert, dass
       der Staat über die Mehrwertsteuer an den steigenden Strompreisen
       mitverdient – dieses Geld könnte er an die Verbraucher zurückgeben.
       
       Doch dieser Vorschlag stößt auf Schäubles Widerstand. Die Mehreinnahmen
       seien eine „Milchmädchenrechnung“, weil die Verbraucher bei steigenden
       Strompreisen an anderer Stelle weniger ausgeben, so dass die
       Steuereinnahmen konstant bleiben. Und Mindereinnahmen will Schäuble
       angesichts seiner ambitionierten Haushaltsziele auf jeden Fall verhindern.
       Dennoch deutet vieles darauf hin, dass zumindest eine kleine Steuersenkung
       durchaus realistisch ist, falls es heute zu einer Paketlösung kommen
       sollte.
       
       ## Wind bremsen? Ohne den Norden!
       
       Was wollen die Nordländer? Wo der Wind weht, sind Mühlen attraktiv. Im
       flachen Norden des Landes wird ein Großteil der Windkraftenergie erzeugt.
       In ganz Deutschland deckt sie mittlerweile 7,4 Prozent des Stromverbrauchs,
       mehr als jede andere Ökoenergie. Betreiber bekommen feste Preise für ihren
       Strom. Die Bundesregierung hat nun vorgeschlagen, bei Neuanlagen diese
       Sondertarife erst ab dem sechsten Monaten zu gewähren. Das würde 500
       Millionen Euro sparen.
       
       Dagegen laufen die norddeutschen Bundesländer Sturm. „Die Energiewende kann
       nur erfolgreich sein mit mehr und nicht mit weniger Wind“, erklärte
       Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD). Sein Kabinett
       hat gerade die Fläche für neue Windräder verdoppelt, die Ernte soll bis
       2020 verdreifacht werden. Derzeit liegt das Land auf Platz vier hinter
       Niedersachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Zudem erhoffen sich die
       Nordländer einen Boom bei der Offshore-Windkraft auf Nord- und Ostsee. Wird
       die Energieumlage gekappt, lohnen sich Neuanlagen aber nicht mehr.
       
       ## Industrie belasten? Ohne NRW!
       
       Was will Nordrhein-Westfalen? Garrelt Duin (SPD), der Wirtschaftsminister
       von Nordrhein-Westfalen, hat gerade ein Buch vorgelegt: „Windmühle trifft
       Wirklichkeit“. Tenor: Der Wirtschaftsstandort NRW blutet aus, weil Strom
       wegen der Energiewende schon jetzt viel zu teuer ist. Dabei müssen bisher
       viele energieintensiven Betriebe nur einen Bruchteil der EEG-Umlage zahlen.
       Das aber will nach den Grünen jetzt auch die Bundesregierung ändern.
       Insgesamt soll die Industrie 700 Millionen Euro pro Jahr mehr zahlen. Zum
       einen sollen die Bruchteile verdoppelt werden. Mittelgroße Verbraucher, die
       bisher nur 1 Prozent der üblichen EEG-Umlage zahlen, sollen künftig 2
       Prozent abdrücken.
       
       Zum anderen sollen ganze Branchen wie die Nahrungsmittelindustrie gar nicht
       mehr befreit werden. Auch der Kohlebergbau soll zahlen: 145 Millionen Euro
       pro Jahr. Dass das Kohleland Nordrhein-Westfalen da mitmacht, scheint
       fraglich. SPD und Grüne haben sich in ihrem Konzept zwar auch zum Abbau von
       Industrieausnahmen bekannt – die Summe und alle Details aber wohlweislich
       offengelassen.
       
       ## Kohle verteuern? Ohne Rösler!
       
       Was wollen die Grünen? „Eine Strompreisbremse wird es nur geben, wenn es
       Korrekturen am Emissionshandel gibt.“ Das sagte Evelin Lemke, die
       bündnisgrüne Wirtschaftsministerin aus Rheinland-Pfalz. Der europäische
       Emissionshandel ist das Herzstück der Klimapolitik: Wer Treibhausgase
       produzieren will, muss dafür eine Berechtigung vorweisen – die sogenannten
       Zertifikate, die an der Börse gehandelt werden. Weil aber viel zu viele
       Zertifikate ausgegeben sind, rauschten die Preise in den Keller: Zuletzt
       kostete der Ausstoß einer Tonne Kohlendioxid weniger als 3 Euro, weshalb in
       Deutschland verstärkt Braunkohle verfeuert wurde. Die Folge: 2012 sind die
       Emissionen in Deutschland wieder gestiegen – um 1,6 Prozent.
       
       Die EU will Zertifikate aus dem Handel nehmen und so die Preise wieder
       anheben. Das scheiterte am Widerstand aus Deutschland: Wirtschaftsminister
       Rösler ist strikt dagegen. Evelin Lemke, beim Energiegipfel
       Verhandlungsführerin der Grünen, stellt klar: Bewegt sich Rösler nicht,
       gibt es keine Unterstützung im Bundesrat. Da hat Rot-Grün die Mehrheit.
       
       ## Solarförderung kürzen? Ohne Bayern!
       
       Was wollen die Bayern? Die sonnenverwöhnten Südländer haben festgelegt.
       Eine Kürzung der Solarförderung wird es mit der CSU nicht geben. „Die CSU
       lehnt einen Eingriff in Bestandsanlagen ab“, erklärte ihr Generalsekretär
       Alexander Dobrindt. Es geht um die derzeit gültigen Tarife im
       Erneuerbaren-Energien-Gesetz: Wer ein Windrad oder eine Solaranlage
       betreibt, bekommt 20 Jahre lang eine feste Vergütung. Bundesumweltminister
       Altmaier hatte vorgeschlagen, dass die Betreiber freiwillig auf ein bis
       anderthalb Prozent dieser Vergütung verzichten – um den Strompreis zu
       senken.
       
       Das wird es nun nicht geben. Wegen Bayern. Erstens ist gerade Wahlkampf im
       Freistaat, parallel zur Bundestagswahl wird ein neuer Landtag gewählt.
       Einen Verzicht kann man da nur schwer dem Wahlvolk schmackhaft machen.
       Zweitens gibt es kaum ein Bundesland, das so viel mit den Erneuerbaren
       verdient. 2011 flossen netto 1,2 Milliarden Euro aus dem EEG-System in die
       bayrischen Taschen. Im Regierungspapier heißt es nun: „Die verbindlich
       zugesagten Vergütungen für Bestandsanlagen werden nicht nachträglich
       gekürzt.“
       
       21 Mar 2013
       
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