# taz.de -- Eine Oper zur Bankenkrise: Agitation im Chor
       
       > Mit „Tod eines Bankers“ versucht das Theater Görlitz eine gesungene
       > Kritik am Finanzsystem und seinen sozialen Folgen.
       
 (IMG) Bild: In grünes Licht ist die Szene getaucht, in Düsternis die Musik.
       
       Kann man veropern, was der Welt inzwischen offen um die Ohren fliegt und zu
       sozialen Spannungen wie im 19. Jahrhundert führen könnte? Mit Elfriede
       Jelineks „Kontrakte des Kaufmanns“ fand 2009 die aktuelle Finanzkrise, das
       Spekulationssystem jenseits aller Realwirtschaft, den Weg auf die
       Sprechtheaterbühne. Das zeitgenössischen Stoffen gegenüber stets
       aufgeschlossene Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau kann nun für sich
       in Anspruch nehmen, mit einem solchen Stoff erstmals ins Musiktheater
       vorgestoßen zu sein. Seit drei Jahren gärt das Projekt, bei dem
       Generalintendant Klaus Arauner selbst Regie führte.
       
       „Tod eines Bankers“ überschrieb Autor und Dramaturg Fabian Scheidler sein
       Libretto, eine Anspielung auf den Selbstmord eines jungen Superbankers in
       London 2009. Der Stoff ist für Scheidler nicht neu, Erfahrungen bringt er
       unter anderem vom Berliner Grips-Theater mit. Der in Dresden geschulte
       Komponist Andreas Kersting wagte die musikalische Umsetzung.
       
       Doch auch nach der dankbar beklatschten Uraufführung am Sonnabend in
       Görlitz bleiben Zweifel, ob die operneigene Ästhetik das adäquate Mittel
       für ein solches Sujet bietet. Seltsamerweise hinterließ die Vorablektüre
       des teils pathetischen, teils agitatorischen Librettos einen stärkeren
       Eindruck als das Bühnenereignis.
       
       Dabei will Fabian Scheidler den Stoff bühnengerecht auf Individuen
       herunterbrechen, unternimmt nicht etwa den Versuch, Finanzwetten oder
       spekulative Blasen zu erklären. Es geht um nachvollziehbare Auswirkungen
       auf die Verlierer, ebenso aber auch um das Allzumenschliche bei den
       materiellen Gewinnern. Doch das Thema scheint zu komplex, um es
       exemplarisch abzuhandeln. Der Versuch kollidiert schlichtweg mit dem Genre
       der Oper, für die vertiefte Reflexion menschlicher Beziehungen bleibt kaum
       Raum.
       
       ## Sündenbock gesucht
       
       Der Autor scheut sich nicht, bei der erzählten Geschichte auch auf die
       Tränendrüsen zu drücken, plant durchaus Betroffenheitstheater. So nimmt
       sich gleich zu Beginn die Rentnerin Athina das Leben, weil sie ihre Wohnung
       nicht mehr bezahlen kann. Ihre Enkelin Dalilah, anrührend und engagiert
       gesungen von Yvonne Reich, entwickelt sich zur eigentlichen Heldin. Nach
       Hinauswürfen aus einem Callcenter und einer Bar nutzt sie
       WikiLeaks-Methoden und mutiert zu einer Art Attac-Aktivistin.
       
       Ihr Gegenspieler ist Lundt, der vom klaren, fast zu schönen Tenor Jan
       Novotny gesungene „Juniorbanker des Jahres“. Der aber gerät in die von ihm
       selbst mitgedrehte Mühle, wird von der Politik und einem superreichen
       „Prinzen“ zum Sündenbock für die Staatskrise gestempelt. Sein Abstieg endet
       mit seiner für das Publikum nicht ganz durchschaubaren Ermordung.
       
       Das Drama spielt in dem gar nicht so fiktiven Ionien, in dem jeder unschwer
       Griechenland erkennt. Spätestens dann, wenn der „Tempelberg“, also die
       Athener Akropolis, wegen der Staatsschulden an den Prinzen verhökert werden
       soll. Videos helfen nach, verwirren aber auch oft.
       
       ## Spaltklänge des Orchesters
       
       Gehalten sind sie wie die Ausstattung von Britta Bremer und das Licht im
       alles dominierenden Grün – die Farbe der Hoffnung! Sollte es so gemeint
       sein, kollidiert es mit der düsteren Grundstimmung, die sowohl von der
       stets gedimmten Beleuchtung wie auch vom Gestus der Komposition herrührt.
       Kerstings stets illustrative und nie vordergründige Musik bleibt neben
       wenigen Ausflügen ins Schalkhaft-Parodistische latent bedrohlich. Das
       Flirren elektronischer Zuspiele trägt dazu bei, Vierteltöne, Spaltklänge
       des Orchesters.
       
       Es liegt nicht am hervorragenden Sängerensemble in Görlitz, nicht an der
       Neuen Lausitzer Philharmonie unter Ulrich Kern und weniger an der Regie,
       dass dieses brennende Sujet nicht recht unter die Haut geht. Am ehesten ist
       das noch in den von Chor und Choreografie bestimmten Szenen der Fall.
       Langeweile kommt nie auf, aber der ostinat schleppende Grundrhythmus reißt
       auch selten mit.
       
       Es ist der nun einmal der Oper eigene traditionelle sängerische Gestus,
       eine zum Genre gehörende Langsamkeit, die der Thematik viel an Schärfe
       nimmt. Zumal Steigerungsmöglichkeiten oder Tempowechsel kaum ausgeschöpft
       werden. Für ein Fanal, das eine solche Aufführung bedeuten könnte, wirkt
       die Opernszene einfach zu gebremst.
       
       11 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
       
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