# taz.de -- Protest in Guantánamo: Wenn Schweigen tötet
       
       > Die Gefangenen in Guantánamo haben ihre Protestaktionen ausgeweitet. Sie
       > erfahren Unterstützung aus den USA. Nur Barack Obama rührt sich nicht.
       
 (IMG) Bild: Protestaktion in New York.
       
       NEW YORK taz | Als „schwach, dürr und krank“ beschreibt Pardiss Kebriaei
       die jungen Männer, die sie in der ersten Aprilwoche in Guantánamo getroffen
       hat. „Meine Mandanten wollen leben“, sagt die New Yorker Anwältin zur taz,
       „aber sie haben das Gefühl, dass ihnen keine andere Möglichkeit als der
       Hungerstreik bleibt, um gehört zu werden“.
       
       Am Anfang des dritten Monats der Protestaktion werden mindestens 11
       Gefangene zwangsernährt. Dazu werden sie auf eine Liege gefesselt und ihnen
       wird eine Kanüle durch die Nase in die Speiseröhre getrieben. Zahlreiche
       weitere Gefangene sind körperlich und seelisch extrem geschwächt.
       
       Die Anwältin vom „Center of Constitutional Rights“ ist seit 2007 dutzende
       Male in dem Internierungslager gewesen. Die Anspannung, die dort jetzt
       herrscht, beschreibt sie als „größer als seit Jahren“. Nach ihrem jüngsten
       Besuch befürchtet sie, dass „bald“ jemand sterben könnte.
       
       „Wenn es je einen Moment gegeben hat, Ihr Versprechen umzusetzen, und das
       Gefängnis von Guantánamo zu schließen, dann jetzt“, schreiben 25
       us-amerikanische Menschenrechtsorganisationen in einem offenen Brief an
       Barack Obama. Auch Amnesty International, Human Rights Watch und Witness
       against Torture [1][haben unterzeichnet (pdf).] 
       
       Sie fordern den US-Präsidenten auf, die Gefangenen entweder in ihre Heimat-
       oder in andere Länder zu transferieren oder sie vor ein Gericht zu stellen.
       Und sie bitten darum, jemanden zu benennen, der sich vom Weißen Haus aus um
       die Schließung des Lagers kümmert. Daniel Fried, der sich in den
       vergangenen Jahren ohne Erfolg um die Schließung des Lagers gekümmert hat,
       ist im Januar versetzt worden. Seine Stelle ist seither verwaist.
       
       ## Mahnwachen für die Hungerstreikenden
       
       Am selben Tag, an dem der offene Brief erscheint, finden in 26 Städten der
       USA Mahnwachen für die Hungerstreikenden statt. „Die Gefangenen sind keine
       Engel“, sagt Friedensdichter Luke Nephew an dem Tag auf dem Times Square in
       New York, „unter den Kapuzen stecken Menschen“. In Washington gibt
       gleichzeitig der Chef des für gewöhnlich politisch zurückhaltenden
       Internationalen Roten Kreuzes eine Pressekonferenz. Darin kritisiert Peter
       Maurer die Methoden der Zwangsernährung der Gefangenen in Guantánamo und
       fordert Präsident Obama auf, „mehr zu tun, um die unhaltbare Situation zu
       beenden“.
       
       Der Zugang nach Guantánamo wird komplett vom Pentagon kontrolliert. Über
       das Ausmaß dieser Kontrolle kommen immer neue Details an die
       Öffentlichkeit. So stellte sich letzte Woche heraus, dass das Pentagon
       Zehntausende E-Mails von Gefangenen und ihren Anwälten direkt an die
       militärische Staatsanwaltschaft weitergeleitet hat.
       
       Auch bei dem Hungerstreik sorgt das Pentagon mit einer
       Informationskontrolle für Verwirrung. Anwälte können seit Anfang Februar
       die Gewichtsverluste ihrer Mandanten beobachten und berichten darüber. Doch
       das US-Verteidigungsministerium hat bis Ende März bestritten, dass es
       überhaupt Proteste gibt. Seither korrigiert es seine Zahlen leicht nach
       oben und gibt inzwischen zu, dass 43 Gefangene hungerstreiken. Aber auch
       das weicht stark von den Informationen der Anwälte ab. Die sprechen von
       mehr als 100 Hungerstreikenden.
       
       ## Schier aussichtslose Lage
       
       Auslöser für den Hungerstreik waren Durchsuchungen von Koran-Büchern in
       Guantánamo. Doch Anwälte und Menschenrechtsgruppen sehen den
       tieferliegenden Grund für den Protest in der schier aussichtslose Lage der
       Gefangenen. Die überwiegende Mehrheit der heute noch 166 Gefangenen ist
       seit mehr als elf Jahren in Guantánamo interniert.
       
       Seither sind sie weder angeklagt worden, noch haben sie einen Prozess oder
       eine Verurteilung bekommen. Familienbesuche gibt es in Guantánamo nicht.
       Und kein Gefangener weiß, wann – wenn überhaupt – er das Lager verlassen
       kann. Anwältin Pardiss Kebriaei macht diese „Gefangenschaft auf unbegrenzte
       Zeit“ verantwortlich. Sie zitiert einen Mandanten, der ihr gesagt hat: „Das
       Schweigen der Regierung tötet uns“.
       
       Nur gegen 34 Gefangene will die US-Regierung überhaupt Anklage erheben. Für
       86 andere Gefangene in Guantánamo hingegen haben die US-Behörden längst –
       teilweise noch unter Ex-Präsident George W Bush – entschieden, dass sie in
       ihre Heimatländer transferiert werden können. Doch der Kongress blockiert.
       Er lässt nur Abschiebung in „sichere Länder“ zu. Jemen, das Land aus dem
       die Mehrheit der Guantánamo-Insassen und die Mehrheit der Mandanten von
       Pardiss Kebriaei stammt, gehört nicht dazu.
       
       14 Apr 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://ccrjustice.org/files/2013.4.11_GTMO%20Coalition%20Letter%20to%20President%20Obama_0.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
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