# taz.de -- Kommentar Leitzins: Götterdämmerung
       
       > Die Europäische Zentralbank hat sich von der reinen Lehre des
       > Neoliberalismus verabschiedet. Doch das allein wird Europa nicht aus der
       > Rezension holen.
       
 (IMG) Bild: Goldman Sachs-Zentrale in New York.
       
       Wir erinnern uns: Der erste EZB-Präsident Wim Duisenberg, ein
       niederländischer Sozialdemokrat, wurde noch als „germanischer
       Geldpolitiker“ beschimpft. Die geradewegs manische Fixierung der
       Europäischen Zentralbank auf Preisstabilität als selig machendes
       Heilsversprechen galt als Fortschreibung der engstirnigen Geldpolitik der
       Deutschen Bundesbank.
       
       Doch die germanische Geldpolitik ist am Ende. Schon der französische,
       moderat linke Nachfolger Jean-Claude Trichet reagierte auf die Banken- und
       Finanzkrise seit 2007 mit Lockerungen wie der direkten Staatsfinanzierung
       und stellte die Krisenbewältigung über die reine neoliberale Lehre. Mit der
       gestrigen Leitzinssenkung setzt der ausgerechnet von Goldman Sachs kommende
       Mario Draghi diesen Trend gegen den ausdrücklichen „Rat“ der Kanzlerin
       Merkel fort.
       
       Nutznießer des neuen Mini-Leitzinses von 0,5 Prozent gibt es viele. So
       kosten die neuen Staatsanleihen, mit denen alte Schulden abgelöst und neue
       gemacht werden, immer weniger Zins – wodurch die Euro-Finanzminister, vor
       allem Wolfgang Schäuble, Abermilliarden Euro „einsparen“. Der Mini-Leitzins
       wird so die Kreditvergabe an die Wirtschaft ankurbeln – aber nicht
       beflügeln.
       
       Jedes neunte kleine oder mittelständische Unternehmen in der Eurozone
       bekommt laut EZB kein Bankdarlehen mehr. Und das liegt kaum an zu teuren
       Krediten als vielmehr an tragfähigen Geschäftsmodellen in der
       Realwirtschaft: Europa, mit Ausnahme des Sonderfalls Deutschland, steckt
       tief in der Rezession, ganze Volkswirtschaften schrumpfen, an zweistellige
       Arbeitslosenraten und Jugendmassenarbeitslosigkeit hat sich die Politik
       offenbar gewöhnt. Leitzinssenkungen und andere Lockerungsmaßnahmen der EZB
       können niemals ausreichen, um Europa zu retten. Auch der dogmatische
       Sparkurs der Politik bedarf einer Götterdämmerung.
       
       2 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hermannus Pfeiffer
       
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