# taz.de -- Studie zu NS-Verbrechen: Schneller mehr Geld
       
       > Die nationalsozialistische Finanzbürokratie raubte Juden nach 1933
       > systematisch aus. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag des
       > Finanzministeriums.
       
 (IMG) Bild: Flucht vor dem NS-Regime: jüdische Familien suchen 1936 Exil in Palästina.
       
       BERLIN taz | Ernst Thomas trat 1933 in die NSDAP ein. Er machte als Beamter
       Karriere und brachte es zum Oberregierungsrat. 1941 wurde er Leiter des
       „Judenreferats“ im Oberfinanzpräsidium Köln. Diese Referate sollten die
       staatliche Ausraubung der zur Vernichtung bestimmten jüdischen Deutschen
       effektiver organisieren.
       
       Thomas beharrte indes mehrfach darauf, dass Juden nicht deportiert wurden,
       weil die „vermögensmäßige Abwicklung der jüdischen Angelegenheit“ noch
       nicht abgeschlossen sei. Kurzum: Der Beamte half drangsalierten Juden, wo
       sich ihm die Chance bot.
       
       Diese Episode zählt, so die Historikerin Christiane Kuller, zu den „ganz
       wenigen Einzelfällen“, in denen deutsche Finanzbeamte sich nicht als
       erfindungsreiche Sachwalter des Holocausts betätigten. Kuller hat die
       Studie „Bürokratie und Verbrechen – Antisemitische Finanzpolitik und
       Verwaltungspraxis im nationalsozialistischen Deutschland“ verfasst, die in
       diesen Tagen im Oldenbourg Verlag erscheint und am Montag im
       Finanzministerium vorgestellt wurde.
       
       Die Studie ist Teil des vom Finanzministerium mit 1,2 Millionen Euro
       bedachten Projekts zur Aufarbeitung der Geschichte der eigenen Behörde in
       der NS-Zeit.
       
       Der damalige Reichsfinanzminister Graf Schwerin von Krosigk verstand sich
       selbst nach 1945 als „Hauptbuchhalter der Nation“, also als eine Art
       willenlosen Handlanger, der die von den Nazis erdachten Gesetze zu
       exekutieren hatte. Doch so war es laut Kullers Studie nicht.
       
       ## Findige Buchalter
       
       Die Beamten in Finanzämtern und Ministerien muss man sich als kreative
       Buchhalter vorstellen, die findig ans Werk gingen, um schneller mehr Geld
       aus den Juden herauszupressen – auch ohne spezielle NS-Gesetze. Die
       Finanzbürokratie war „ein Stützpfeiler im arbeitsteiligen Prozess der
       Vernichtung der Juden“, so Kuller.
       
       Bürokratie und Verbrechen fügten sich problemlos ineinander. Der
       Verwaltungsapparat besaß keine natürliche Widerstandskraft gegen die
       antibürokratischen Versuche der Nazis, ihn für sich dienstbar zu machen.
       Der Verwaltungsapparat arbeitete eher von sich aus dem Führer zu.
       
       Kullers Schrift ist die erste von sieben Untersuchungen. Arbeiten über die
       NS-Steuerpolitik, die Rolle des Ministeriums bei der wirtschaftlichen
       Auspressung Polens sowie ein Abschlussbericht werden folgen.
       
       Die offizielle Präsentation fand in dem Saal statt, in dem sich einst
       Hermann Göring vor einem monströsen Reichsadler mit Hakenkreuz feiern ließ.
       Der Bau, der nun Schäubles Ministerium beherbergt, war in der NS-Zeit Sitz
       des Reichsluftfahrtministeriums. Heute verströmt der Saal eine Art dezenten
       Neoklassizismus, mit schlichten Säulen aus Stein und Neonröhren.
       
       ## Kontra für Götz Aly
       
       Der Historiker Ulrich Herbert beleuchtete in einem luziden Vortrag, welche
       Rolle soziale Gleichheit in der Volksgemeinschaft und rassistische
       Ungleichheit für das Funktionieren des NS-Regimes spielten. Während
       Gleichheit ein uneingelöstes Propagandaversprechen der Nazis blieb, bildete
       Rassismus die Basis der Loyalität. „Der Völkermord konstituierte die
       Volksgemeinschaft“, so Herbert. Dies ließ sich als Konter gegen Götz Aly
       verstehen, der soziale Gleichheit als Schmiermittel des NS-Regimes
       inszenierte.
       
       Verwunderlich war, dass Kuller am Ende nur fünf Minuten blieben, um ihre
       Studie zusammenzufassen. Staatssekretär Werner Gatzer, ein SPD-Mann, war da
       schon nicht mehr anwesend: Er musste in Sachen Flut tätig werden. Zu Beginn
       hatte Gatzer ordnungsgemäß zerknirscht bekundet, das Forschungsprojekt
       bringe endlich ans Licht, was das Ministerium selbst „über Jahrzehnte
       versäumte“. Die Art, wie die Studie präsentiert wurde, verriet dann
       allerdings eher achselzuckende Unachtsamkeit.
       
       4 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
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