# taz.de -- Debatte Hisbollah und Assad: Sie waren Helden
       
       > Einst galt die Hisbollah in der arabischen Welt wegen des Kampfs gegen
       > Israel als Vorbild. Jetzt unterstützt sie Assad und verliert Sympathien.
       
 (IMG) Bild: Ein Victoryzeichen bei Protesten gegen die Hisbollah in Beirut.
       
       Eine kleine Meldung aus den vergangenen Tagen: Die libanesische Hisbollah
       fordert die Vertreter der palästinensischen Hamas auf, sofort den Libanon
       zu verlassen. Fast möchte man sich die Augen reiben. Die Hisbollah jagt
       ihre eigenen Schützlinge von der Hamas aus dem Land?
       
       Es ist noch nicht lange her, da wäre dies völlig undenkbar gewesen. Die
       Schiitenmiliz mag in den USA und Israel als Terrororganisation gelistet
       sein, aber in der arabischen Welt wurde sie bewundert. Sie war Vorbild und
       Bündnispartner vieler sogenannter Widerstandsgruppen, insbesondere der
       radikalislamischen Hamas.
       
       Doch die Rebellionen in der arabischen Welt, insbesondere der Aufstand in
       Syrien, verändern den Nahen Osten. Dass die Hisbollah nun offen [1][auf der
       Seite] des syrischen Diktators [2][Baschar al-Assad] mitkämpft, ihm
       womöglich sogar die Macht rettet, ist ein game changer. Mit dieser klaren
       Positionierung beginnt eine dramatische und gefährliche Entwicklung.
       
       In der gesamten muslimischen Welt wurde das Wort Hisbollah über Jahrzehnte
       mit Ehrfurcht ausgesprochen. Viele wollten ihr nacheifern. Die Hamas hat
       immer davon geträumt, so erfolgreich zu sein wie die Hisbollah, die 2000
       die israelische Armee aus dem Südlibanon vertrieb. Die Hisbollah hat Israel
       – nach eigener Lesart jedenfalls – auch im Krieg 2006 eine empfindliche
       Niederlage zugefügt.
       
       ## Tanzen auf der Straße
       
       Im Libanon vergaßen die Sunniten vorübergehend sogar, welch zwielichtige
       Rolle die Hisbollah bei dem Mord an Expremier Rafik Hariri gespielt hat.
       Die Palästinenser tanzten vor Begeisterung auf den Straßen und verteilten
       Süßigkeiten. „Nur die Hisbollah kann Israel die Stirn bieten“, schwärmten
       im palästinensischen Ramallah junge Frauen in engen Hosen ebenso wie
       Vertreter islamistischer Gruppen.
       
       Dass die Hisbollah schiitisch ist, war den sunnitischen Palästinensern bis
       vor Kurzem noch gleichgültig. Sie waren Helden. Alle wünschten sich, es
       möge ein wenig vom Glanz der Hisbollah auf sie abstrahlen. Keine noch so
       aufgeblähte arabische Armee hat es in über 60 Jahren geschafft, den
       jüdischen Zwergstaat militärisch zu besiegen.
       
       Über 300 Millionen Araber kommen gegen 7 Millionen Israelis einfach nicht
       an – eine schwer zu verkraftende Demütigung. Nur vor diesem Hintergrund ist
       zu verstehen, warum die Hisbollah für den arabischen Stolz so wichtig war.
       Sie wich vor der israelischen Armee nicht zurück.
       
       Die Schiitenmiliz hat Israel, in ihrer eigenen, fragwürdigen Wahrnehmung,
       sogar in die Knie gezwungen. Mehr Street-Credibility konnte man in der
       arabischen Welt nicht haben. Doch dann kam der Arabische Frühling. Die
       Hisbollah fand sich in einem Dilemma wieder. Sie hatte einerseits kein
       Interesse daran, dass der syrische Bürgerkrieg auf den Libanon übergreift.
       
       ## Ein neuer Feind
       
       Andererseits geht ihr die Loyalität zu den Verbündeten in Syrien und mehr
       noch im Iran über alles. In jedem noch so kleinen Hisbollah-Büro im Libanon
       hängt ein Foto ihres Chefs Hassan Nasrallah – und zwar für gewöhnlich Seite
       an Seite mit Irans oberstem geistlichem Führer Ali Chamenei, dem
       wichtigsten Mann der Islamischen Republik. Die religiöse und
       politisch-ideologische Bindung zwischen der iranischen Führung und der
       Hisbollah kann gar nicht überschätzt werden.
       
       Fast zwei Jahre hielt Nasrallah sich zum Syrienkonflikt auffallend zurück.
       Die schiitische Bevölkerung – ganz überwiegend Hisbollah-Anhänger – war
       angewiesen, sich zum Aufstand im Nachbarland nicht zu äußern. Doch mit
       jeder Entführung schiitischer Libanesen im Nachbarland wurde das Murren in
       der Bevölkerung größer.
       
       Gleichzeitig verlor Syriens Diktator immer mehr an Boden. Nach einer
       israelischen Schätzung von letzter Woche kontrolliert sein Regime nur noch
       40 Prozent des Landes. Chamenei dürfte Nasrallah ans Herz gelegt haben,
       Assad mit seinen erprobten und ideologisch gefestigten Kämpfern unter die
       Arme zu greifen. Syrien ist als Verbündeter für beide gleichermaßen
       wichtig.
       
       Doch die Treue zum Verbündeten Assad kommt die Schiitenmiliz teuer zu
       stehen. Die Hisbollah stand aus Sicht der meisten Araber und Irans auf der
       richtigen Seite. Der gemeinsame Feind Israel verband Schiiten und Sunniten,
       Araber und Perser. Heute haben viele Menschen in der Region aber einen
       anderen Feind vor Augen: Assad.
       
       Der junge Augenarzt, der bei Amtsantritt so große Hoffnungen geweckt hatte,
       hat sich als ein größerer Schlächter entpuppt als sein Vater. In zwei
       Jahren hat Assad mindestens dreimal so viele Araber getötet wie Israel in
       100 Jahren israelisch-arabischem Konflikt.
       
       ## Der Flächenbrand droht
       
       Eine Ausweitung des syrischen Bürgerkriegs auf den Libanon wird kaum noch
       zu verhindern sein. Nun könnte sich fürchterlich rächen, dass die Hisbollah
       ein Staat im Staate ist. Der militärische Arm der Organisation ist ohne
       Zweifel stärker, schlagkräftiger und besser ausgerüstet als die
       libanesische Armee. Schwer vorstellbar, dass eine andere Miliz die
       Hisbollah militärisch herausfordern wird. Doch Bombenanschläge und
       Racheakte wie im Irak könnten auch im Libanon die Regel werden.
       
       Und nicht nur das: Die Intervention der Hisbollah in Syrien heizt den
       hochexplosiven Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten in der Region an.
       Die Golfstaaten mit Saudi-Arabien als Führungsmacht stören sich schon lange
       daran, dass im Irak seit dem Fall Saddam Husseins die Schiiten –
       entsprechend der Bevölkerungsmehrheit – das Sagen haben. In Bahrain, Syrien
       und Jemen wurden oder werden de facto bereits Stellvertreterkriege geführt.
       
       Oft ist im Westen von einem möglichen Flächenbrand in Nahost die Rede
       gewesen. Als die Alliierten im Irak eingriffen. Als sie in Libyen
       intervenierten. Und natürlich auch für den Fall, dass der Westen gegen
       Syrien oder den Iran mehr als Sanktionen verhängt.
       
       Es gehört zum Kanon der üblichen Warnungen. Der nun offene Kampf der
       Hisbollah auf Seiten Assads könnte jedoch tatsächlich genau das sein: der
       Beginn eines regionalen Krieges zwischen Schiiten und Sunniten. Verhindern
       kann das jetzt niemand mehr.
       
       13 Jun 2013
       
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