# taz.de -- Kämpfe im Libanon: Salafisten in die Flucht geschlagen
       
       > Im Libanon verschärfen sich die Spannungen zwischen Sunniten und
       > Schiiten. Ein Grund dafür ist die Entwicklung in Syrien.
       
 (IMG) Bild: Libanesische Soldaten im umkämpften Viertel von Saida
       
       BEIRUT taz | Seit Sonntagmittag war Reem al-Qassemi (*) in ihrem Haus in
       der südlibanesischen Küstenstadt Saida gefangen. Ununterbrochen hörte die
       50-Jährige Schüsse und die dumpfen Einschläge von Panzerfäusten. „Wir
       versteckten uns in unseren Badezimmern und Treppenhäusern“, sagte sie.
       „Überall dort, wo es keine Fenster gibt.“ Ohne Strom, Fernseher und
       Internet erfuhr sie nur über ihr Handy, was draußen passierte.
       
       Sie war gefangen im schwersten Zusammenstoß zwischen radikalen Islamisten
       und der libanesischen Armee seit Jahren. Laut Medienberichten nahm die
       Armee am Sonntag zwei Anhänger des Salafistenpredigers Ahmed al-Assir an
       einem Checkpoint in Abra unweit von al-Assirs Moschee fest. Daraufhin
       griffen Anhänger al-Assirs den Checkpoint an und töteten drei Soldaten.
       
       Die Armee reagierte umgehend. Noch am Nachmittag zog sie Schützenpanzer und
       Soldaten in der Stadt zusammen. Zwei Kampfpanzer rollten aus einem
       Stützpunkt am Meer Richtung Abra. Nach jedem dumpfen Knall stiegen schwarze
       Rauchsäulen über dem Stadtteil auf. Am Montag griffen die Kämpfe auf die
       gesamte Stadt über. Bewaffnete Männer und Scharfschützen schossen auf
       Soldaten und Zivilisten. Erst am Montagabend nahm die Armee unter schweren
       Verlusten die Moschee und das Hauptquartier al-Assirs ein. Der Prediger
       floh an einen unbekannten Ort. Mindestens 12 Soldaten und mehr als 30
       Anhänger al-Assirs starben.
       
       Kämpfe wie diese nehmen zu. „Die Spannungen im Libanon hängen direkt mit
       Syrien zusammen“, sagt Hassan Krayem, Politikprofessor an der American
       University Beirut. „Und so lange libanesische Gruppen in Syrien involviert
       sind, wird es schlimmer werden.“
       
       Die syrischen Konfliktlinien spiegeln sich im Libanon wider. Das vorwiegend
       sunnitische Parteienbündnis 14. März steht auf Seiten der syrischen
       Opposition. Die von der schiitischen Hisbollah dominierte Gruppe 8. März
       unterstützt Präsident Baschar al-Assad. Ende Mai verkündete der Führer der
       Hisbollah, Hassan Nasrallah, dass Kämpfer seiner Organisation die syrische
       Regierung unterstützen. Seit dem eskaliert im Libanon die Situation.
       
       ## Salafisten gegen Hisbollah und die Armee
       
       Radikale Salafisten, wie al-Assir, haben im Libanon zum Kampf gegen die
       Hisbollah aufgerufen. Mit finanzieller Unterstützung aus Saudi-Arabien und
       Katar kauften sie in den vergangenen Jahren Anhänger und Waffen. Sie sind
       der Hisbollah weiterhin militärisch unterlegen, doch ihre Anhängerschaft
       wächst. Es sind vor allem junge Männer, die vom gemäßigten Bündnis 14. März
       enttäuscht sind.
       
       Sie wollen der Hisbollah gewaltsam gegenübertreten und ihre Übermacht nicht
       akzeptieren. Auch die Armee ist Ziel ihrer Wut. In ihren Augen geht sie nur
       gegen sunnitische Gruppen vor, während die Hisbollah unbehelligt bleibt.
       Doch dies spiegelt nur das Kräfteverhältnis wider. Die Armee ist der
       Hisbollah militärisch unterlegen.
       
       In Saida kämpften bereits vergangene Woche einige hunderte
       Hisbollah-Verbündete gegen Anhänger al-Assirs. Auch in den Grenzgebieten
       und Libanons zweitgrößter Stadt Tripoli kommt es fast täglich zu Gefechten.
       In dem von der Hisbollah kontrollierten Beiruter Stadtteil Dahiyeh schlug
       eine Rakete ein. Eine weitere landete kürzlich unweit der Stadt.
       
       ## Blockaden in Beirut, Angriffe in Tripolis
       
       Die Zusammenstöße in Saida haben die Spannungen nochmals verschärft.
       Anhänger al-Assirs blockierten Straßenkreuzungen in Beirut und griffen
       Armeestützpunkte in Tripolis an. Auch in Ain el-Hilweh, einem
       Palästinenserlager südlich von Saida, und in der Bekaa-Ebene kam es zu
       Schusswechseln.
       
       „Al-Assir will Kämpfe zwischen Schiiten und Sunniten provozieren“, sagt
       Farid al-Khazen. Al-Khazen ist Parlamentsabgeordneter und Mitglied des
       Hisbollah-geführten Bündnisses 8. März. „Die Salafisten sind mit al-Qaida
       verbündet. Sie gefährden den Libanon.“ Salafisten wie al-Assir sagen, dass
       sie erst dann die Waffen niederlegen, wenn die Hisbollah das Gleiche tut.
       
       Reem al-Qassemi traute sich erst Dienstagmorgen wieder aus ihrem Haus. „Die
       Zerstörung ist unglaublich. Geschäfte und Apartments sind ausgebrannt. Das
       Militär kontrolliert jetzt die Straßen, aber die, die können, halten sich
       von Saida noch fern.“
       
       (*) Name geändert
       
       27 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Raphael Thelen
       
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