# taz.de -- Philosophie für alle: Popstar Precht
       
       > Früher hatten wir Adorno, Böll, Arendt. Heute talkt der
       > „Lifestyle-Philosoph“ Richard David Precht im Fernsehen. Wo sind bloß
       > unsere Intellektuellen?
       
 (IMG) Bild: Kann philosophieren und unterhalten: Richard David Precht
       
       Kennen Sie das Talkshow-Paradoxon? Nein? Es geht so: Ein Intellektueller,
       der nicht im Fernsehen ist, wird nicht gehört. Ein Intellektueller, der im
       Fernsehen ist, wird nicht mehr ernst genommen.
       
       Wie ist es mit dem klug-oder-gutaussehend-Vorurteil in gebildeten Kreisen,
       kennen Sie das? Es hält sich verdammt hartnäckig: Wer schön ist, ist auch
       blöd.
       
       Falls Sie davon noch nicht gehört haben: Richard David Precht hat es
       bestimmt. Seine populärwissenschaftlichen Bücher „Wer bin ich – und wenn
       ja, wie viele?“ – ein Übererfolg, 1,5 Millionen mal verkauft –, „Liebe: Ein
       unordentliches Gefühl“ und „Die Kunst, kein Egoist zu sein“ haben ihm den
       Titel des „Lifestyle-Philosophen“ eingehandelt. Precht erklärt Philosophie
       in einer Sprache, die viele als unter ihrem Niveau erachten: Sie ist
       einfach.
       
       Und dann sieht er noch ganz nett aus, wenn er bei Illner und Jauch sitzt!
       „Ich hab da keine Chance“, sagt er, und: Je höher der
       Gerechtigkeitsanspruch einer Gesellschaft, desto größer der Neid.
       
       taz-Chefreporter Peter Unfried hat den Philosophen in seiner Kölner Wohnung
       besucht, um zu verstehen, was das für einer ist, über den die Leute
       möglichst überlegen lächeln – und was das über den Zustand der
       Intellektuellen aussagt. Ja, früher, sagen sie, da hatten wir noch
       Intellektuelle. Adorno. Bloch. Arendt. Die Mitscherlichs. Grass, Böll,
       Enzensberger. Jürgen Habermas, klar. Heute haben wir Precht. Armes
       Deutschland!
       
       Was Intellektuelle waren – das institutionalisierte schlechte Gewissen der
       Deutschen, immer in Negation zur Bundesrepublik, antiamerikanisch,
       anti-AKW, antikapitalistisch – ist mittlerweile eine Mainstream-Haltung.
       
       ## „Das kann ich ja auch“
       
       Der Strukturwandel der Öffentlichkeit aber hat die Intellektuellen
       verändert, der Zwang zur Spezialisierung, der Rationalisierungsdruck von
       außen, die Entwicklung der Medien und der damit verbundene
       Bedeutungsabsturz des Zeitungsfeuilletons. „Precht macht dumm“, war in der
       Zeit zu lesen. Kaum besser als Oliver Pocher, in der SZ.
       
       „Von Deutschen wird nur jene geistige Leistung wirklich bewundert, die man
       nicht ganz versteht“, sagt Precht. „Weil man sich sonst sagt: Das kann ich
       ja auch." Er findet, durch seine Übersetzungen verschaffe er den Massen
       Zugang zu Denken und Wissen – in dieser Woche hat er das
       Philosophie-Festival Phil.Cologne miteröffnet.
       
       Demgegenüber steht Adornos Kritik an der Kulturindustrie in „Dialektik der
       Aufklärung“, wonach Massenkultur etwas Sinnfreies ist, das man Leuten
       untergejubelt hat, damit sie konsumieren – geschrieben allerdings aus der
       historischen Erfahrung eines deutschen Großbürgers, der als Jude vor den
       Nazi-Deutschen ins Exil fliehen musste.
       
       Precht schreibt heute – aus Sicht eines Philosophen, dessen Eltern
       Achtundsechziger, Marxisten und Atheisten waren.
       
       „Den machen wir berühmt", soll Elke Heidenreich laut FAZ gesagt haben,
       nachdem sie „Wer bin ich“ 2008 in ihrer Sendung „Lesen“ empfohlen hatte.
       
       „Nein, habe ich nicht gesagt“, stellt sie auf Nachfrage klar. Aber?
       
       „Als ich Prechts einfache Erklärung von Philosophie las, wusste ich: dafür
       ist Bedarf.“
       
       Sie glaubt übrigens, dass nur schön ist, wer auch klug ist.
       
       Glauben Sie das auch? Kann Philosophie Lifestyle sein? Warum will Precht
       jetzt das Gymnasium abschaffen? Und worüber reden Intellektuelle heute
       überhaupt, haben sie noch Themen, die ähnlich polarisieren wie die deutsche
       Vergangenheit? Wir freuen uns über Ihre Meinung. Diskutieren Sie mit – hier
       auf [1][taz.de]. 
       
       Die Titelgeschichte „Auf der Suche nach Adorno“ lesen Sie in der taz.am
       wochenende vom [2][29./30. Juni 2013].
       
       28 Jun 2013
       
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