# taz.de -- Berliner Sommerausflug 3: Besuch beim blond gelockten Schwein
       
       > Für Großstadtfamilien auf der Suche nach Erholung ist der Wildpark
       > Schorfheide genau das Richtige: Es gibt Tiere in natürlicher Umgebung.
       
 (IMG) Bild: Immer ein Aufreger: der böse Wolf.
       
       Der kleine Sohn deutet auf ein Pferd und macht „Kikeriki“. Und die Tochter,
       die seit einer Stunde mit dem Dreirad den Flur hoch- und runterfährt,
       braucht Auslauf. Höchste Zeit also für einen Ausflug in die Natur, mit
       echten Tieren und gaaanz viel Platz. Bloß nicht wieder in den Zoo mit
       seinen Besuchermassen oder in einen dieser Kinderbauernhöfe, wo sich
       Stadtgören auf ein paar arme Schweine und Ziegen stürzen! Ein Wildpark soll
       es sein, Tiere in natürlicher Umgebung. Wir entscheiden uns für den in der
       Schorfheide. Das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin ist laut
       Eigenwerbung das „größte zusammenhängende Waldgebiet Mitteleuropas“. Das
       klingt nach Erholung.
       
       Man kann mit der S-Bahn bis Karow fahren und dort die Regionalbahn nach
       Groß Schönebeck hinter Wandlitz nehmen. Dann eine halbe Stunde durch den
       Wald wandern oder sich mit dem Kremser-Shuttle abholen lassen. Wir fahren
       mit dem Auto, eine gute Stunde die B109 in Richtung Prenzlau. Direkt hinter
       dem Parkplatz umgibt uns bereits der Wald – wo Menschen hoch oben in den
       Bäumen hängen, sich hochkonzentriert von Ast zu Ast hangeln oder kreischend
       vor Vergnügen an Drahtseilen durch die Lüfte sausen.
       
       Die Kinder sind nur mit Mühe von diesem Spektakel loszukriegen. Sogar einen
       Kinderparcours gibt es im Kletterwald – dafür muss man allerdings eine
       „Mindestgriffhöhe“ von 1,25 Metern nachweisen und mindestens sechs Jahre
       alt sein. Die Enttäuschung ist schnell vergessen, denn hinter der nächsten
       Kurve sitzt schon ein Waschbär und produziert sich mit seinem Ringelschwanz
       vor den Besuchern.
       
       Hat man das Kassenhäuschen passiert (15 Euro für alle), tut sich dem Auge
       angenehme Weite auf: links ein Abenteuerspielplatz mit Seilbahn und
       Matschebrunnen für die Kleinen, in der Mitte Felder und Wege bis zum
       Horizont, rechts das Rasthaus, in dem man Wildbratwurst, Erbsensuppe und
       Blechkuchen bekommt. Ein guter Startpunkt, um sich im Faltprospekt die
       Marschroute zusammenzustellen: 105 Hektar Wildpark kann man auf
       verschiedenen Wegen erkunden, die insgesamt sieben Kilometer lang sind.
       Erst zu den Wölfen, Luchsen und Elchen in den Wald? Oder zu den Pferden auf
       die Wiese?
       
       Der Sohn nimmt uns die Entscheidung ab: Freudig quietschend rast er auf
       eine Ziege zu, die aus dem Streichelgehege ausgebüxt ist und sich zwischen
       die Besucher gemischt hat. Zu den restlichen Ziegen muss man hineinsteigen,
       am Eingang gibt es Futter zu kaufen, das ein paar mutige Kinder direkt aus
       der Hand verteilen.
       
       Die Tochter hält sich von den meckernden Fellträgern lieber fern: „Die
       fressen mich sonst auf!“ Beliebter ist das Mangalitza-Wollschwein, auf
       dessen riesigem Leib sich blonde Löckchen kringeln. Eine Tafel erklärt,
       dass es sich bei dem 250-Kilo-Trumm um eine südosteuropäische Züchtung aus
       dem 19. Jahrhundert handelt, die jetzt auf der Roten Liste der
       aussterbenden Arten steht. Schwerfällig schiebt sich das Tier über einen
       Hügel und verschwindet unter Eichen.
       
       Der Weg führt vorbei an Feldern mit rosa Heidekraut, am Horizont grasen
       Wisente, Pferde mit kurzen Schnauzen und irokesenartigen Mähnen jagen
       einander im Spiel. Der Wildpark hat sich auf einheimische Arten
       spezialisiert, die mittlerweile selten sind – wie das Przewalski-Pferd, ein
       Vorfahr der heutigen Hauspferde. Oder die Skudde, die für uns Laien
       allerdings aussieht wie ein ganz normales Schaf.
       
       Je weiter man in den Wildpark vordringt, desto weniger Menschen und Tiere
       trifft man. Im Wald duftet es nach Kiefern, und hinter einer Wegbiegung
       steht man plötzlich einem Wolf gegenüber. Natürlich ist ein Zaun
       dazwischen. Aber der Blick des grauen Raubtiers lässt sogar die Kinder
       verstummen. Schweigend nähern wir uns dem Ufer eines kleinen Sees, an dem
       gerade Fischotter fressen. Fast schon possierlich, wie sie ihr Fressen in
       beiden Händen halten – wenn unter den Fischresten nicht auch halbe Küken
       wären. Je länger ich den Ottern zusehe, wie sie gierig Gedärme herausrupfen
       und Gräten knacken, desto flauer wird mir im Magen.
       
       Ich flüchte tiefer in den Wald und setze mich auf eine Bank. Kiefernzapfen,
       Vogelgezwitscher, Stille. Vor mir nichts als Himmel und eine grüne Wiese
       mit wogenden Halmen, aus der ein Elchgeweih ragt. Das muss der „kleine“
       Moritz sein, der laut Besucherinfo in Eingewöhnung ist und sich gern
       zurückzieht. Moritz und ich ignorieren uns höflich und betrachten, jeder
       für sich, die vorbeiziehenden Wolken. Als eine davon unversehens einen
       feinen Sprühregen über unsere Köpfe ergießt, hebt Moritz indigniert die
       Schnauze. Aber nur kurz. Sein gewaltiger Körper bewegt sich keinen
       Millimeter. Recht hat er, denke ich und unterlasse es, im Rucksack nach der
       Regenjacke zu wühlen. Ich bleibe einfach auf der Bank sitzen, bis der Regen
       aufhört und die Familie vorbeikommt, um mich einzusammeln.
       
       Nach dieser Begegnung habe ich mein persönliches Highlight schon erlebt.
       Das folgende Dam- und Rotwild lässt mich kalt, und auch dass sich der Luchs
       nicht zeigen will, ist egal. Die Tochter denkt auf den letzten 500 Metern
       zum Ausgang sowieso nur noch ans Eis, sie hat schon ganz am Anfang
       abgespeichert, dass es im Lokal Nucki Erdbeer gibt. Der Sohn rennt noch
       einmal beglückt zu den Kaninchen und Meerschweinchen, deren Stall direkt an
       die Gaststube angebaut ist. Der Kaffee schmeckt scheußlich, aber für Latte
       Macchiato mit irgendwelchem portugiesischen Bio-Gebäck ist man ja auch
       nicht hergekommen.
       
       Wieder zu Hause in Berlin will die Tochter plötzlich unbedingt ein Märchen
       mit Wolf vorgelesen bekommen. Bislang waren ihr die Rotkäppchenfresser zu
       gruselig, jetzt findet sie Wölfe cool. Der Sohn schnappt sich sein
       Wimmelbuch und sucht darin nach Schweinen. Der Mann und ich schauen uns auf
       der Website des Wildparks mögliche Tierpatenschaften an: Ein Elch ist mit
       400 Euro im Jahr leider zu teuer. „Schau mal, das Wollschwein kostet nur 60
       Euro“, sagt der Mann. Vielleicht haben wir bald regelmäßige Verpflichtungen
       draußen in Groß Schönebeck.
       
       Adresse: Wildpark Schorfheide, Prenzlauer Straße 16, 16244 Schorfheide, OT
       Groß Schönebeck. Ganzjährig 9–19 Uhr, letzter Einlass um 17 Uhr
       
       17 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nina Apin
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Brandenburg
       
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