# taz.de -- Asylbewerber als Kofferträger: Grüße aus der Kolonialzeit
       
       > In Schwäbisch Gmünd sollten Asylbewerber für 1,05 Euro Stundenlohn
       > Kofferkuli spielen. Nach Protesten beendet die Bahn nun das Projekt.
       
 (IMG) Bild: Acht Asylbewerber halfen seit Montag auf dem Bahnhof von Schwäbisch Gmünd beim Koffertragen.
       
       STUTTGART taz | Nach Protesten ist die Deutsche Bahn aus einem Projekt der
       Stadt Schwäbisch Gmünd ausgestiegen, bei dem Asylbewerber Reisenden beim
       Koffertragen helfen sollten. Dafür sollten sie 1,05 Euro pro Stunde
       bekommen. „Arbeitsverhältnisse zu diesen Konditionen kann die Bahn nicht
       unterstützen“, sagte ein Sprecher. Die „konkreten
       Beschäftigungsbedingungen“ seien dem Unternehmen erst am Mittwoch bekannt
       geworden.
       
       Das Projekt mit den Asylbewerbern hatte am Montag begonnen und sollte
       zunächst bis Ende August laufen. Die Bahn will nun im Gmünder Bahnhof
       selbst Mitarbeiter einsetzen, die den Fahrgästen beim Gepäcktransport über
       eine Treppenbrücke Hilfe anbieten sollen. Diese würden nach den Tarifen der
       Bahn bezahlt. Eine Anfrage, von welchen Konditionen die Bahn ausgegangen
       war und um welche Art von Beschäftigungsverhältnis es sich genau gehandelt
       hat, beantwortete das Unternehmen nicht.
       
       Das Projekt hatte heftige Kritik ausgelöst. Die Pressestellen von Bahn,
       Stadtverwaltung und Flüchtlingsrat wurden am Mittwoch mit Anfragen
       bestürmt, selbst im Ausland berichteten Medien unter Schlagzeilen wie
       „Schwarz bedient Weiss“ über den „Sklavenlohn“.
       
       Die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke sagte, Flüchtlinge als Kofferträger zu
       engagieren sei „kein Beitrag zur Integration, sondern ein schamloses
       Ausnutzen ihrer Lebenssituation“. Vor dem Hintergrund der aktuell
       stattfindenden bundesweiten Flüchtlingsproteste sei das Vorgehen der Stadt
       Schwäbisch Gmünd „ein weiterer Schritt zurück in die Kolonialzeit“.
       
       ## Kontakt durch Koffertragen
       
       Das Asylbewerberleistungsesetz sieht vor, das Asylsuchende von den Kommunen
       zu gemeinütziger Arbeit herangezogen werden dürfen - ähnlich wie
       Ein-Euro-Jobs bei deutschen Leistungsempfängern. Die Einkünfte werden nicht
       auf die Sozialleistungen angerechnet. „Bei unbegründeter Ablehnung einer
       solchen Tätigkeit besteht kein Anspruch auf Leistungen“, heißt es im
       Gesetz. Nach Angaben der Stadt sollen sich in diesem Fall die Flüchtlinge
       jedoch freiwillig als Kofferkulis gemeldet haben.
       
       Die Idee für die Aktion stammt von Oberbürgermeister Richard Arnold (CDU).
       „Ich bin enttäuscht und auch traurig für die Menschen, denn es handelt sich
       um hochmotivierte junge Leute“, sagte er. Die Aktion habe die Flüchtlinge
       in direkten Kontakt mit der Bürgerschaft gebracht. „Es entwickeln sich
       Gespräche, und sie können auch auf ihre Situation aufmerksam machen, was
       sie auch tun.“
       
       Es sei sehr problematisch, dass die Flüchtlinge die Arbeit nicht in einer
       gemeinnützigen Einrichtung ableisten sollten, sagt hingegen Andreas Lindner
       vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. „Die Bahn ist ein privates
       Unternehmen, sie sollte offenbar die Hälfte der Kosten tragen; sie hing da
       schon mit drin.“
       
       Das Problem sei aber weniger die Kofferträger-Initiative, als die
       Gesamtsituation: Noch immer zahlen in dem grün-regierten Bundesland nur 15
       von 44 Landkreisen den Flüchtlingen ihre Sozialleistungen als Bargeld aus.
       In den übrigen gibt es entweder Essenspakete oder Gutscheine für bestimmte
       Waren in speziellen Geschäften. Der Ostalbkreis, in dem Schwäbisch-Gmünd
       liegt, sei aber einer der ersten gewesen, die 2012 von der damals neuen
       Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, Bargeld auszuzahlen, so Lindner.
       
       In der Stadt sind rund 250 Asylbewerber untergebracht. Ein Teil von ihnen
       hat sich in der Vergangenheit immer wieder an den jüngsten bundesweiten
       Flüchtlingsprotesten beteiligt. Das Bild der koffertragenden Schwarzen sei
       „natürlich ein Ausdruck weißer Dominanz“, sagt Rex Osa vom
       Flüchtlings-Netzwerk The Voice Refugee Forum in Tübingen. Auf die Bahn ist
       er ohnehin nicht gut zu sprechen: Deren Logistik-Tochter Schenker sei an
       der Verteilung der Essenspakete beteiligt, gegen die sich die Flüchtlinge
       seit langem wehren.
       
       25 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Jakob
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Asylsuchende
 (DIR) Deutsche Bahn
 (DIR) Schwäbisch Gmünd
 (DIR) Max-Planck-Gesellschaft
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Deutschland
 (DIR) Anti-Rassismus
 (DIR) Schwäbisch Gmünd
 (DIR) Deutsche Bahn
 (DIR) Asylsuchende
 (DIR) Asylsuchende
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Ausstellung zur Max-Planck-Gesellschaft: Beste Grüße aus der Kolonie
       
       Studierende thematisieren die Rolle des Vorläuferinstituts der
       Max-Planck-Gesellschaft in der Kolonialzeit. Diese übt sich in Verdrängung.
       
 (DIR) Rassismus in der Werbung: Ferrero will nur weiß wählen
       
       Der Lebensmittelkonzern bewirbt seine weißen Pralinen mit einem
       fragwürdigen Spot. War das Absicht oder doch bloß Naivität?
       
 (DIR) Sprachtests für Ausländer: Ärger für die Bundesregierung
       
       Wer dem Ehepartner nach Deutschland folgen will, muss Deutsch können. Das
       gilt jedenfalls für Nicht-Europäer. Das ist unverhältnismäßig, urteilt die
       EU-Kommission.
       
 (DIR) Kommentar koffertragende Flüchtlinge: Empörung wirkt, Empörung siegt!
       
       Sieg für den Antirassismus: Die Flüchtlinge in Schwäbisch Gmünd sind wieder
       ohne Trinkgeld. Das Problem ist der Mangel an kapitalistischer Ausbeutung.
       
 (DIR) Kommentar Asylbewerber als Kofferträger: Der neue Niedriglohnsektor
       
       Asylbewerber als billige Kofferträger zu halten, erinnert an hässliche
       Bilder aus der Kolonialzeit. Dahinter steckt ein ambivalentes Verhältnis
       zur Arbeit.
       
 (DIR) Umsatzminus bei Deutscher Bahn: Ausgebremst
       
       Fehlende Strecken, zahlreiche Umwege und noch Flut und Flaute. Die Bilanz
       der Deutschen Bahn ist verhagelt. Mehr Spaß haben da die Chinesen.
       
 (DIR) Informationschaos um Asylbewerber: Ehsan Abri wird nicht abgeschoben
       
       Der Bund verzichtet auf eine Abschiebung des iranischen Kommunisten. Dafür
       hatte sich der Kieler Innenminister eingesetzt. Nun streiten sich die
       Behörden.
       
 (DIR) Unterkunft für Asylbewerber: Flüchtlinge kommen später
       
       Die Eröffnung des umstrittenen Asylbewerberheims in Hellersdorf verschiebt
       sich – wegen Statikfragen, heißt es.
       
 (DIR) Asylbewerber in Karlsruhe gestrandet: Flucht vor der Obdachlosigkeit
       
       70 Afghanistan-Flüchtlinge warten in Karlsruhe auf einen Asylbescheid. In
       Ungarn hätten sie Aufenthaltsrecht – doch die Unterkünfte dort waren
       katastrophal.