# taz.de -- Kolumne Besser: Eliten und Hornochsen
       
       > Ägypten, Tunesien, Türkei. Jeweils zwei unversöhnliche Blöcke stehen sich
       > gegenüber. Eine freiheitliche, säkulare Gesellschaft ist nur jenseits
       > beider Blöcke zu haben.
       
 (IMG) Bild: Ein Weg aus der Konfrontation? Gegnerinnen und Gegner der AKP-Regierung beim Fastenbrechen auf der Istiklal-Straße.
       
       Ist der Islam mit einer bürgerlichen Gesellschaft vereinbar? Die Frage
       erinnert an Samuel Huntingtons These vom „Clash of Civilizations“, der
       Linke und Linksliberale in aller Welt so penetrant und so trotzig
       widersprochen haben, dass sich, ähnlich wie bei Francis Fukuyamas Idee vom
       „Ende der Geschichte“, irgendwann der Verdacht aufdrängte, es könnte doch
       etwas dran sein. Und genau diese Frage wird derzeit in [1][Ägypten],
       [2][Tunesien] oder der [3][Türkei] verhandelt – jedoch nicht als Konflikt
       zwischen der westlichen Welt und der islamischen, sondern als innerer
       Konflikt in diesen Gesellschaften.
       
       Auf der einen Seite stehen dabei aus islamistischen Bewegungen stammende
       und demokratisch gewählte Machthaber, die die Mehrheit der Bevölkerung
       hinter sich wissen, die aber durch die Art ihrer Herrschaftsausübung die
       [4][Zweifel an ihrer Demokratietauglichkeit] gestärkt denn beseitigt haben.
       
       Ihr gegenüber stehen die urbanen Mittel- und Oberschichten samt den alten
       Eliten aus dem Staatsapparat. Deren Selbstverständnis hat niemand so schön
       ausgedrückt wie Nevzat Tandogan, in den Anfangsjahren der Republik
       Gouverneur von Ankara: „Was bildet ihr anatolischen Hornochsen euch ein?“,
       fuhr er einen Vordenker der völkisch-nationalistischen Bewegung an. „Was
       habt ihr mit Nationalismus und Kommunismus zu schaffen? Falls der
       Nationalismus gebraucht wird, werden wir uns darum kümmern, falls der
       Kommunismus gebraucht wird, werden wir ihn einführen. Eure Aufgabe ist es,
       eure Felder zu bestellen und als Soldaten zu dienen, wenn wir euch rufen!“
       
       Nach dem Putsch vom 12. September 1980 waren die türkischen Militärs der
       Ansicht, dass zur Eindämmung der Linken die Religion gebraucht würde. Also
       trieben sie eine Islamisierung voran. Das Militär, ob in der Türkei oder in
       Ägypten, ist nicht Garant einer freiheitlichen, säkularen Gesellschaft.
       Interessiert ist diese Kaste zuvörderst am Erhalt der eigenen Macht. Alles
       andere ergibt sich daraus.
       
       Doch die Gegnerschaft der Erdogans und Mursis zum tradierten System
       autoritärer Herrschaft ist ebenfalls instrumenteller Natur. Erdogan hat
       getan, wozu Mursi nicht mehr kam: Er hat den Staatsapparat unter seine
       Kontrolle gebracht, aber nicht, um mit dem Prinzip des Obrigkeitsstaates zu
       brechen, sondern dessen Führung zu übernehmen. Der Staat als Beutegut
       seiner Parteigänger, die Gesellschaft als zu formende Masse, jetzt eben mit
       islamischer Note.
       
       In Ägypten ist es den jungen Demonstranten vom Tahrirplatz vorläufig nicht
       gelungen, eine [5][dritte Kraft] zu entfalten. Doch so nachvollziehbar es
       ist, dass viele von ihnen nun den Militärs zujubeln, wird der Putsch nicht
       den Grundkonflikt lösen, der seit den Modernisierungsdiktaturen unter
       Atatürk und Nasser diese Gesellschaften beherrscht. Im schlimmsten Fall
       könnte eine ganze Generation dafür verloren gehen. In der Türkei ist die
       Lage besser, weil das Militär seinen alten Einfluss verloren hat. Für die
       Gezi-Bewegung wird es darum gehen, die Erdogan-Regierung auf zivile Weise
       zu überwinden. [6][Sie hat das Zeug dazu.] 
       
       Besser: Man findet einen Weg raus aus der Scheiße.
       
       30 Jul 2013
       
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