# taz.de -- Autor über Aserbaidschans Politik: „Bei uns herrscht Korruption“
       
       > Rustam Ibragimbekov will bei den Präsidentenwahlen gegen den autoritären
       > Staatschef Ilham Alijew kandidieren. Doch ob er antreten darf, ist
       > unklar.
       
 (IMG) Bild: Straßenszene in Baku: Für einen neuen Präsidenten gäbe es viel zu tun.
       
       taz: Herr Ibragimbekov, Sie sind seit einiger Zeit im Ausland und wollen
       demnächst in Ihre Heimat zurückkehren. Welche Reaktion der Machthaber
       erwarten Sie? 
       
       Rustam Ibragimbekov: Von unserer Staatsmacht ist leider alles zu erwarten,
       ihr Vorgehen ist absolut unberechenbar. Als ich das letzte Mal
       zurückkehrte, haben sie mich mehrere Stunden unter verschiedenen Vorwänden
       an der Grenze festgehalten. Von Zeit zu Zeit treten Vertreter der
       Staatsmacht im Fernsehen auf und sagen: Wir haben genug Mittel, um mit
       denen fertig zu werden, die sich uns entgegenstellen. Vor Kurzem ist der
       Präsident vor Polizeikräften aufgetreten und hat ihnen faktisch eine Carte
       blanche gegeben. Mit der Opposition, diesen Volksfeinden, könnten sie
       verfahren, wie sie wollten. Er werde sie dabei unterstützen.
       
       Wie muss man sich die politische Lage in Aserbaidschan denn genau
       vorstellen? 
       
       Das ist ein autoritäres System, das in eine Diktatur übergeht. Seit 1993
       war keine einzige Wahl frei und fair. Es gibt keine funktionierende Justiz.
       Diese ist vollkommen von der Staatsmacht abhängig. Die Menschen sind ihrer
       verfassungsmäßigen Rechte beraubt. In der Verfassung steht, dass die
       Staatsmacht vom Volk ausgeht. Dieses Recht hat das Volk nicht, weil es
       nicht abstimmen darf. An seiner Stelle stimmt die Staatsmacht ab. Auch wenn
       der Rest der Welt das anders sieht – es gibt keine Demokratie. In den
       letzten Jahren sind auch noch harte Repressionen gegen die Opposition
       dazugekommen.
       
       Zum Beispiel? 
       
       Nehmen Sie als Beispiel meine Organisation, den Verband der
       Filmschaffenden. Kurz, nachdem ich angefangen hatte, mich in der
       Öffentlichkeit politisch zu äußern, sollte die Organisation aufgelöst
       werden. Als die Staatsmacht merkte, dass das nicht funktionierte, gründete
       sie eine Parallelstruktur. Die Hoffnung war, dass alle dort eintreten
       würden. Aber auch das klappte nicht. Und dann warfen sie uns aus unserem
       Gebäude hinaus, in dem wir 50 Jahre untergebracht waren. Unseren
       Mitgliedern wurde ihr Arbeitsplatz gekündigt und man forderte sie dazu auf,
       aus dem Verband auszutreten.
       
       70 Mitglieder taten das, dafür sind aber 40 neue gekommen. Das heißt, dass
       wir schon Keime einer Zivilgesellschaft gesät haben, und das sehe ich
       bereits als Sieg an. Bei uns herrscht eine totale systemische Korruption.
       Und der, der sie bekämpfen soll, ist der Chef der Präsidialverwaltung. In
       dieser Situation ist nur schwer vorstellbar, dass Präsident Ilham Alijew
       die Macht abgeben wird.
       
       Glauben Sie, dass Sie überhaupt als Kandidat registriert werden? 
       
       Sie werden versuchen, mich nicht zu registrieren. Doch ob sie damit
       durchkommen, ist noch nicht ausgemacht, denn das hängt auch davon ab, wie
       die Menschen reagieren werden. Sollte man mich nicht zulassen, wäre das ein
       eindeutiges Zeichen für die Illegitimität der Wahlen.
       
       Sollten Sie doch antreten dürfen – werden die Wahlen dieses Mal
       demokratisch sein? 
       
       Natürlich nicht. Wenn das der Fall wäre, und da kenne ich die Stimmung in
       der Bevölkerung gut genug, hätte ich reale Chancen, die Wahlen zu gewinnen.
       Doch die Staatsmacht hat genügend Möglichkeiten, um die Wahlen zu fälschen.
       Deshalb ist ja auch internationale Unterstützung so wichtig. Das heißt, es
       muss eine ausreichende Anzahl von internationalen Beobachtern im Land sein,
       die eine objektive Bewertung abgeben, wie die Wahlen abgelaufen sind. Dazu
       gehört auch, dass alle Kandidaten Sendezeit im Fernsehen bekommen.
       
       In Aserbaidschan gibt es nicht einen einzigen Kanal, in dem über
       verschiedene Standpunkte in der Gesellschaft oder über die Opposition
       berichtet wird. Alle Sender arbeiten nur für die Staatsmacht.
       
       Derzeit gibt es Gerüchte, Sie könnten nach Ihrer Ankunft in Baku
       festgenommen werden. Haben Sie Angst davor? 
       
       Diese Möglichkeit schließe ich nicht aus. Für mich ist das schlecht, aber
       für unsere Sache vielleicht gut. Meine Festnahme rüttelt vielleicht die
       Gesellschaft auf. Die Menschen sollten dann besser verstehen, wie rechtlos
       wir alle sind, wenn sogar der Kandidat der demokratischen Kräfte
       eingesperrt wird.
       
       1 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
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