# taz.de -- Lohndumping mit Werkvertrag: „Geschwür auf dem Arbeitsmarkt“
       
       > Die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen will gegen den Missbrauch
       > von Werkverträgen und die prekäre Lage der meist osteropäischen Arbeiter
       > vorgehen.
       
 (IMG) Bild: Scheinselbstständig oder nicht – das ist eine entscheidende Frage.
       
       HANNOVER taz| Niedersachsen will sich verstärkt für bessere Lebens- und
       Arbeitsbedingungen von Werkvertragsarbeitern einsetzen. Gut sechs Wochen
       nach dem Tod zweier rumänischer Werkvertragsarbeiter der Meyer-Werft im
       emsländischen Papenburg bei einem Brand in einer Massenunterkunft hat das
       rot-grüne Kabinett in Hannover jetzt eine ganze Reihe an Maßnahmen
       beschlossen, auch eine Bundesratsinitiative ist geplant.
       
       Um die vorzustellen, trat Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Dienstag
       gleich mit einem personellen Großaufgebot vor die Presse: Sozialministerin
       Cornelia Rundt, Arbeitsminister Olaf Lies (beide ebenfalls SPD), Vertreter
       der kommunalen Spitzenverbände, Landkreise und Städte. Denn, so Weil, die
       Ausbeutung von meist osteuropäischen Werkvertragsarbeitern habe sich zum
       „Geschwür auf dem Arbeitsmarkt“ entwickelt. Und viele der bekannt
       gewordenen Fälle von Lohndumping und unwürdiger Unterbringung spielen in
       Niedersachsen.
       
       Allein in der Schlachtindustrie mit landesweit zwischen 8.000 und 10.000
       Beschäftigten sind nach Angaben der Landesregierung in manchen Betrieben
       nur noch ein Fünftel der Arbeiter als Stammbelegschaft bei den Unternehmen
       direkt angestellt. Bis zu 80 Prozent werden als Werkvertragsarbeiter über
       ein Geflecht aus Sub- und Sub-Sub-Unternehmen rekrutiert – laut
       Gewerkschaften zu Stundenlöhnen von teils drei bis fünf Euro. Die in
       Niedersachsen publik gewordenen Skandalfälle sind laut Regierungschef Weil
       aber nur die „Spitze des Eisbergs“. Missbrauch von Werkverträgen gebe es
       „in fast allen Wirtschaftszweigen und in allen Bundesländern“.
       
       Landesintern will man kurzfristig vor allem die Wohnsituation von
       Werkvertragsarbeitern verbessern. Am Dienstag legte Rot-Grün einen
       gemeinsamen Kriterienkatalog zur Gebäudesicherheit mit den kommunalen
       Spitzenverbänden, Landkreis- und Städtetag vor. Demnach sollen für
       Arbeiterunterkünfte nicht nur die Anforderungen des Baurechts, sondern auch
       die der niedersächsischen Arbeitsstättenverordnung gelten. So sollen
       künftig jedem Bewohner mindestens acht Quadratmeter zur Verfügung stehen,
       davon mindestens sechs für den Schlafbereich. Zudem müssen Unterkünfte über
       Feuerlöscher, Brandmelder und Telefon verfügen.
       
       Durchgesetzt werden soll das zunächst mit einer Handlungsempfehlung von
       Land und Kommunen. Ein rechtlich bindender Erlass wird nach Angaben von
       Sozialministerin Rundt derzeit erarbeitet. Bei Verstößen drohen dann
       Sanktionen, vom Ordnungsgeld bis hin zur Schließung von Unterkünften.
       
       ## Selbst die Opposition findet es gut
       
       Ein Vorstoß, den selbst die Opposition begrüßt: „Wir finden es ausdrücklich
       gut, dass hier in enger Zusammenarbeit mit den Kommunen eine schnelle
       Lösung erarbeitet wurde“, lobt die FDP-Fraktion. Die fordert in einem
       Fünf-Punkte-Plan zum Umgang mit Werkvertragsarbeitern ebenfalls „faire
       Wohnbedingungen“ und „effektive Kontrollen“ durch die Behörden.
       
       Und selbst die CDU hat sich des Themas angenommen: Sie hat einen eigenen
       Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Wohnmissständen eingebracht. Den lehnt
       allerdings nicht nur der einstige liberale Regierungspartner als
       „kontraproduktiv“ ab. Ein eigenes Gesetz, erklärte Sozialministerin Rundt
       am Dienstag, würde nicht nur für Arbeiterunterkünfte, sondern für alle
       Wohnformen bis hin zu Privatwohnungen gelten. „Wie die Menschen dort leben,
       interessiert uns aber nicht“, sagte Sozialministerin Rundt. Ein solches
       Gesetz könnte das Land auch an anderer Stelle in Bedrängnis bringen – etwa
       bei den Anforderungen für Studenten- oder Flüchtlingswohnheime.
       
       Ministerpräsident Weil deutete es schlicht als „Zeichen des schlechten
       Gewissens, wenn sich die Opposition nun überschlägt“.
       
       Niedersachsen, sagte er, könne bei der Bekämpfung des Missbrauchs von
       Werkverträgen nur „vorangehen“, auch der Bund müsse mitziehen. Rot-Grün hat
       dazu am Dienstag eine Bundesratsinitiative zur Reform des
       Arbeitnehmerüberlassungs- und des Betriebsratsgesetzes verabschiedet.
       Demnach soll der Einsatz von Werkvertragsarbeitern stärker kontrolliert
       werden. Denn auf die würden die Firmen zunehmend ausweichen, seit für die
       Leiharbeitsbranche ein Mindestlohn gilt, führte Arbeitsminister Lies an.
       
       Konkret sieht die Initiative die Zustimmung des Betriebsrats vor, wenn
       Stammbeschäftigte durch Werkvertragsarbeiter ersetzt werden sollen. Zudem
       soll Unternehmen die Überlassung von Arbeitnehmern für kürzere Zeiträume
       genehmigt werden.
       
       27 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Teresa Havlicek
       
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