# taz.de -- St. Petersburger G20-Gipfel: Keine Mehrheit für Syrien-Einsatz
       
       > Die Teilnehmer des G20-Gipfels können sich nicht auf ein gemeinsames
       > Vorgehen gegen Syrien einigen. Die USA fürchten bei einem Angriff
       > iranischen Vergeltungsschlag.
       
 (IMG) Bild: Trügerische Geste: Keine Einigung zwischen Obama und Putin
       
       ST. PETERSBURG dpa/afp/taz | Russland sieht beim G20-Gipfel in St.
       Petersburg keine Mehrheit für einen US-Militärschlag gegen Syrien. Die
       Gespräche beim Treffen der 20 führenden Wirtschaftsnationen hätten
       bestätigt, dass die Meinungen zu einem gewaltsamen Eingreifen in dem
       Bürgerkriegsland auseinandergehen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der
       Agentur Interfax zufolge am Freitag. Gegner und Befürworter seien etwa
       gleich verteilt.
       
       Bei einem Abendessen der G-20 hatten die Teilnehmer zuvor die Gelegenheit,
       in zehnminütigen Ansprachen ihre Positionen darzulegen. Die „Spaltung“ der
       Gipfelteilnehmer wurde dabei „bestätigt“, teilte auch der italienische
       Regierungschef Enrico Letta unmittelbar nach dem Ende der Veranstaltung
       über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Auch ein persönliches Gespräch
       zwischen Kremlchef Wladimir Putin und dem britischen Premier David Cameron
       brachte keine Annäherung.
       
       Für Verstimmungen zwischen Russland und Großbritannien löste derweil eine
       Aussage eines hochrangigen, russischen Beraters aus, der laut BBC
       Großbritannien als „kleine Insel“ bezeichnete, auf „die niemand hört“.
       Putin-Sprecher Peskow versuchte die Wogen zu glätten und wies die Aussage
       zurück.
       
       Einem Militärschlag gegen Assad auch ohne Mandat der UNO stehen neben
       Moskau auch viele andere G-20-Staaten kritisch gegenüber. Es könne nur eine
       „politische Lösung“ für den Konflikt geben, sagte Chinas Vizefinanzminister
       Zhu Guangyao in St. Petersburg. Ein Militärschlag könne „die gesamte
       Weltwirtschaft treffen“. Die britische Regierung berichtete unterdessen von
       „weiteren Beweisen“ für einen Giftgaseinsatz in Syrien.
       
       ## Kritik des Westens
       
       Aus den USA kam scharfe Kritik an der Haltung Moskaus. Die UN-Botschafterin
       der USA, Samantha Power, warf Russland vor, sich vor seiner internationalen
       Verantwortung zu drücken. In New York kritisierte US-Botschafterin Power
       die russische Regierung harsch. Sie sei der „Schutzherr eines Regimes“, das
       eine „dreiste Chemiewaffenattacke“ verübt habe. Russland halte den
       Sicherheitsrat weiter „als Geisel“.
       
       Auch NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat die internationale
       Uneinigkeit zum Konflikt in Syrien kritisiert. "Ich bedauere diese Spaltung
       innerhalb der internationalen Gemeinschaft", sagte Rasmussen am Donnerstag
       in Vilnius der Nachrichtenagentur afp. "Die Frage, die wir uns alle stellen
       müssen, lautet, wie beenden wir diesen Konflikt und wie beschützen wir die
       syrische Bevölkerung", mahnte auch die EU-Außenbeauftragte Catherine
       Ashton.
       
       "Es ist höchste Zeit, diese Spaltung zu überwinden, weil sie das sehr
       gefährliche Signal an alle Diktatoren in der Welt sendet, dass sie
       Chemiewaffen und vielleicht andere Massenvernichtungswaffen ohne jegliche
       Reaktion der internationalen Gemeinschaft einsetzen können", sagte
       Rasmussen. Es gebe keinen Zweifel, dass es am 21. August einen Angriff mit
       Chemiewaffen gegeben habe, sagte Ashton - allenfalls daran, wer dafür
       verantwortlich sei.
       
       ## Unterstützung für internationale Syrien-Konferenz
       
       Trotz der tiefen Gräben wollte sich der Sondergesandte der UNO und der
       Arabischen Liga, Lakhdar Brahimi, in St. Petersburg gemeinsam mit
       UN-Generalsekretär Ban Ki Moon für eine zweite internationale
       Syrien-Konferenz einsetzen. Angesichts der Sorge wegen des mutmaßlichen
       Chemiewaffeneinsatzes „müssen wir noch härter auf eine internationale
       Konferenz in Genf dringen“, wurde Ban von einem UN-Sprecher zitiert.
       
       Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sicherte dafür ihre Unterstützung zu.
       Zum Auftakt des Gipfels sagte sie: „Dieser Krieg muss beendet werden." Auch
       die „kleinste Möglichkeit eines politischen Prozesses“ müsse genutzt
       werden. Unterstützung kam auch von der EU. „Wir müssen die Konfliktparteien
       an den Verhandlungstisch bringen“, sagte EU-Ratspräsident Herman Van
       Rompuy. „Russland spielt dabei eine Schlüsselrolle.“
       
       Außenminister Guido Westerwelle (FDP) plädierte für einen neuen Anlauf, den
       Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) einzuschalten. Demnach soll der
       UN-Sicherheitsrat dem Tribunal in Den Haag ein Mandat erteilen, damit
       dieses die mutmaßlichen Giftgaseinsätze in Syrien untersuchen kann.
       
       Bundespräsident Joachim Gauck hat eine gemeinsame Reaktion der
       Weltgemeinschaft auf die mutmaßlichen Giftgasangriffe in Syrien gefordert.
       „Ich wünsche mir, dass die Völkergemeinschaft sich zusammenrauft und die
       Grausamkeit eines Gasangriffs, der seit Jahrzehnten geächtet ist,
       angemessen beantwortet“, sagte Gauck am Freitag im Deutschlandradio Kultur.
       
       ## USA fürchten iranischen Vergeltungsschlag im Irak
       
       Die USA haben einem Zeitungsbericht zufolge eine Anordnung aus dem Iran zu
       Angriffen auf amerikanische Ziele im Irak für den Fall eines Militärschlags
       gegen Syrien abgefangen. Ein mögliches Ziel sei die US-Botschaft in Bagdad,
       zitierte das "Wall Street Journal" am Donnerstag namentlich nicht genannte
       Vertreter der Regierung in Washington. Der Befehl stamme vom Chef der
       Kuds-Spezialeinheit der Revolutionsgarden und sei an vom Iran unterstützte
       schiitische Milizen im Irak gerichtet gewesen. Die Extremisten sollten sich
       demnach für eine gewaltsame Reaktion bereit halten, falls die USA wie
       angedroht Syrien angreifen sollten.
       
       Unterdessen haben US-Waffenexperten Hinweise, dass das abgeworfene Giftgas
       in einem Vorort von Damaskus tatsächlich zur Tötung von mehr als 1400
       Menschen ausreichte. Der MIT-Physiker Theodore A. Postol und der
       Waffendesign-Experte Richard M. Lloyd untersuchten auf Grundlage von
       Internet-Bildern und Videos die eingeschlagenen Sprengkörper in einem
       Vorort der syrischen Hauptstadt Damaskus.
       
       Sie seien zu dem Ergebnis gekommen, dass die Raketen bis zu 50 Liter
       tödlichen Sarin-Gases transportieren konnten, heißt es in der Analyse, die
       Postol der Nachrichtenagentur dpa und anderen Medien am Donnerstag
       zugänglich machte. Diese Menge reiche aus, um nicht nur einige Hundert,
       sondern tatsächlich fast 1500 Menschen zu töten.
       
       Die USA sind überzeugt, dass das syrische Regime am 21. August Giftgas
       gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat und dass dabei 1426 Menschen
       gestorben sind. Diese Totenzahl wurde unter anderem deshalb angezweifelt,
       weil auf Bilddokumenten von der Einschlagstelle der Rakete kleinere
       Behälter identifiziert wurden, in denen das Giftgas vermutet wurde. Sie
       hätten demnach nicht genügend Gas für so viele Tote enthalten können.
       
       Postol und Lloyd widersprachen dieser Einschätzung nun. Die Giftgas-Rakete
       sei geschickt konzipiert worden: Die kleinen Behälter seien Teil eines
       Sprengsatzes gewesen, welcher einen wesentlich größeren Gas-Kanister
       öffnete, als die Rakete einschlug.
       
       6 Sep 2013
       
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