# taz.de -- Pechstein klagt gegen Eislaufverbände: Angriff auf das System
       
       > Weltklasse-Athletin Pechstein streitet sich mit mächtigen
       > Eisschnelllauf-Institutionen vor Gericht. Der Ausgang könnte
       > weitreichende Folgen haben.
       
 (IMG) Bild: Claudia Pechstein will nicht hören, zumindest auf dem Eis.
       
       BERLIN taz | „Gerechtigkeit für Claudia Pechstein“. Hinter dem Podium steht
       es auf einem Plakat einmal ganz groß in polizeigrünen Lettern und 161-mal
       ganz klein. Dazwischen stets das Emblem des Gastgebers dieser
       außergewöhnlichen Pressekonferenz.
       
       Die Gewerkschaft der Bundespolizei in Berlin hat die Medienvertreter
       eingeladen, um der in Uniform erscheinenden Polizeihauptmeisterin Claudia
       Pechstein und ihrer Entourage das Forum zu geben, um über ihre anstehende
       Klage vor dem Münchner Landesgericht zu berichten.
       
       Am 25. September wird der Prozess der Kufenläuferin gegen den
       Eisschnelllaufweltverband (ISU) und den deutschen Verband (DESG) beginnen.
       Es geht um eine Entschädigungssumme in einstelliger Millionenhöhe. Mehr
       verraten die drei Anwälte, die an ihrer Seite sitzen, nicht.
       
       Für eine zu Unrecht ausgesprochene zweijährige Dopingsperre soll Pechstein
       entschädigt werden. Diverse renommierte Gutachter haben schließlich
       Pechstein attestiert, dass sie an einer vom Vater vererbten Blutkrankheit
       leide und die schwankenden Retikulozytenwerte deshalb nicht auf Doping
       zurückzuführen sei, wie die ISU ihre Sperre begründet hatte.
       
       ## Schwere Verfahrensfehler
       
       Das oberste internationale Sportgericht, der in Lausanne ansässige CAS, war
       dann dem Urteil, ebenso wie das Schweizer Bundesgericht, gefolgt. Die
       schlechten schweizerischen Rechtsstandards, die den deutschen weit
       hinterherhinken würden, macht Pechsteins Anwalt Thomas Summerer für diese
       „krassen Fehlentscheidungen“ verantwortlich. Äußerst detailliert zählt er
       noch einmal die Verfahrensfehler auf, die sich aus seiner Sicht die
       Sportgerichte und das Schweizer Bundesgericht geleistet haben.
       
       Entlastendes Material sei nicht berücksichtigt, die Beweislast umgekehrt
       und Kronzeugen nicht gehört worden. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der
       Bundespolizei Josef Scheuring sagt: „Wir sind aus menschlicher und
       rechtsstaatlicher Sicht überzeugt, dass es richtig ist, Claudia Pechstein
       zu unterstützen.“
       
       Er verweist auf ihre großen Erfolge. Dieses Jahr hat die 41-Jährige, die
       älteste Weltklasseläuferin der Eisschnelllaufgeschichte, erst zwei
       Bronzemedaillen bei der WM in Sotschi geholt. Und Frohnatur Scheuring
       plaudert vor der Pressekonferenz aus dem Nähkästchen. Der
       CDU-Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär Christoph Bergner, erzählt er,
       habe ihm gesagt, wenn du das mit Claudia Pechstein in Ordnung bringst, hast
       du dich um den deutschen Sport verdient gemacht.
       
       ## Sportrechtsgeschichte
       
       Allerdings geht es um weit mehr als nur um Pechstein, macht Summerer später
       deutlich, der einst in einem spektakulären Prozess bereits für die gedopte
       Sprinterin Katrin Krabbe eine Entschädigung von 1,5 Millionen Mark
       erstritt. „Es könnte in München Sportrechtsgeschichte geschrieben werden“,
       sagt er. Drei Themen stünden zur Verhandlung. Es ginge um Entschädigung für
       ausgefallene Sponsorengelder, um Schmerzensgeld wegen der öffentlichen
       Rufschädigung, die Pechstein erlitten habe, und um die Rechtswidrigkeit der
       Sportgerichtsurteile. Summerer sagt: „Wir greifen den CAS als Institution
       an.“ Dies sei kein echtes Schiedsgericht.
       
       Letzterer Punkt birgt in der Tat große Sprengkraft. Die
       Athletenvereinbarung, mit der sich alle der Sportgerichtsbarkeit
       unterstellen müssen, will Summerer wegen ihrer Rechtswidrigkeit infrage
       stellen. Sie würde nur unter Zwang unterschrieben, weil die Athleten
       ansonsten nicht an den Wettkämpfen teilnehmen dürften, und sei deshalb
       nicht rechtens, argumentiert Summerer.
       
       Um die Autonomie des Sports angreifen zu können, müsste sich allerdings das
       Münchner Landgericht erst einmal für den Fall als zuständig erklären. Das
       dürfte die größte Hürde sein, welche die Pechstein-Anwälte erst einmal
       überwinden müssen. Zumindest ist dieser Versuch eine veritable Drohkulisse,
       die möglicherweise die Sportfunktionäre zu einem Einlenken bewegen könnte.
       
       ## „Gerechtigkeit für Claudia Pechstein“
       
       Wenn nämlich die ISU sich bei Claudia Pechstein entschuldigen würde und zu
       einer Entschädigungszahlung bereit wäre, machte Summerer deutlich, dann
       stünde man für eine Einigung bereit. Am Ende geht es offenbar trotz all dem
       großen Geschütz, das aufgefahren wird, dann doch vorrangig um
       „Gerechtigkeit für Claudia Pechstein“.
       
       Dass dem internationalen sowie dem nationalen Eisschnellaufverband der Ruin
       droht, sollte der Millionenklage stattgegeben werden, ficht auch Claudia
       Pechstein nicht an. „Ich denke in erster Linie an mich“, sagt sie.
       Unmenschliches hätte sie erleiden müssen. Sie freue sich nun auf das
       Verfahren vor einem deutsches Gericht.
       
       19 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
       
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