# taz.de -- Fußball in Gera: Präsident mit Sympathien für Rechte
       
       > Lars Weber stand an der Spitze von Wismut Gera. Man darf ihn nach einem
       > Urteil „Neonazi“ nennen. Wie wird so jemand Präsident eines Klubs?
       
 (IMG) Bild: „Jede Stadt bekommt den Fußball, den sie verdient“: Wismut Gera wurde 2009 neu gegründet
       
       GERA taz | Für Geraer Verhältnisse ist das ein richtig großes Spiel. In
       einer Woche kommt Rot-Weiß Erfurt. Achtelfinale im Thüringer Landespokal.
       Wismut Gera, die Mannschaft aus der sechsten Liga, trifft auf einen
       Drittligisten. Aber dieses Match ist gerade nicht so wichtig, auch nicht
       für Jan Genseke, den Wismut-Fan. Ihn treibt eine Personalie im Verein um.
       „Das ist ein Imagedesaster“, sagt der 29-Jährige und zieht eine Schnute.
       
       Ein Desaster. Damit meint er die Wahl von Lars Weber, 41, zum Präsidenten
       des Vereins. Weber genießt einen zweifelhaften Ruf in der Stadt. Die einen
       sagen, er sei ein Nazi. Die anderen finden, er habe viel für den Verein
       getan. Das mag sein, räumt auch Genseke ein, aber in dieser exponierten
       Position hält er Weber für „untragbar“ und „total schädlich wegen seiner
       Vergangenheit und wohl auch seiner Gegenwart“.
       
       Lars Weber ist der neue starke Mann von Wismut Gera. Er ist ein
       Kampfsportler, Spitzname „Buddha“. Die Spezialität des ehemaligen Judoka
       ist der Würgegriff. Bei seinem letzten Käfigkampf im Dezember 2012 in
       Köthen hat er einem gewissen Ruslan Siniavski die Luft abgedrückt. Jetzt
       hat er gemeinsam mit seiner Sicherheitsfirma Alpha DSD den Fußballklub
       Wismut Gera im Schwitzkasten.
       
       Der einstige Sicherheitschef des Klubs hat es bis zum Präsidenten gebracht.
       Doch jetzt, da er ganz oben angelangt ist in der Vereinshierarchie, kochen
       die alten Geschichten wieder hoch: seine Verbindungen ins rechtsextreme
       Milieu, seine zwielichtigen Kompagnons im Kampfsportklub und seine
       gewalttätige Vergangenheit.
       
       Jan Genseke ist seit 15 Jahren Fan von Fußballklubs in Gera, „viel länger
       als Weber“, behauptet er. In Gera ist das kein Vergnügen. Die Klubs der
       Stadt spielten meist in den Niederungen der Thüringer Fußballlandschaft.
       Sponsoren aufzutreiben war immer schon schwierig in einer Region, die im
       Abseits liegt. Insolvenzen hat es, wie im Ostfußball so oft, natürlich auch
       gegeben. Der 1. SV Gera war betroffen und der 1. FC Gera 03.
       
       Die Krise begriffen einige als Chance. Sie reaktivierten den
       traditionsreichen Vereinsnamen Wismut aus DDR-Zeiten. Vor vier Jahren wurde
       die Ballsportgemeinschaft (BSG) Wismut Gera neu gegründet. Das klang
       irgendwie nach mehr. Nach DDR-Oberliga und Bezirkshauptstadt, nach
       Rückbesinnung und Aufbruch zugleich.
       
       ## Die Ultras wollen heraus aus der rechten Ecke
       
       Genseke gehört zu den Ultras des Vereins. Die Gruppe malt Plakate, singt
       und macht auf den Rängen Rabatz. In vielen Vereinen geben sich die Ultras
       progressiv, sind weniger dumpf als die Hooligans. Weil die Fans von Wismut
       Gera „eigentlich immer in der rechten Ecke standen“, wie Genseke sagt,
       wurde es Zeit, ein Fanprojekt ins Leben zu rufen und das Image der Ultras
       zu verbessern. Genseke leitet den „Fantreff“.
       
       Die Volkssolidarität überweist ihm seit über einem Jahr Geld für eine halbe
       Stelle. Untergekommen sind die Ultras im Veranstaltungszentrum Comma. Sie
       wollen unpolitisch sein. Und sie wollen mitbestimmen. Für Genseke ist das
       kein Widerspruch.
       
       Bei der Wahl von Weber vor einem Monat stimmten die Ultras gegen ihn. Alle
       anderen gaben Weber die Stimme. „Mit so einer Aktion reißt man mit dem
       Hintern ein, was wir aufgebaut haben“, ärgert er sich. „Ich hätte nicht
       damit gerechnet, dass Weber so dumm ist anzutreten.“ Der hätte in der
       zweiten Reihe bleiben sollen, sagt Genseke, dann hätte es nicht so einen
       Wirbel gegeben. Dann wären auch nicht Journalisten aus Hamburg und Berlin
       aufgetaucht in der Stadt an der Weißen Elster.
       
       Dann hätte sich auch nicht der Runde Tisch für Toleranz und Menschlichkeit
       der Stadt Gera mit der Personalie befasst und am Donnerstag eine
       Pressemitteilung veröffentlicht, in der steht, dass man sich sorge, „dass
       eine Person, welche einschlägig vorbestraft ist und sich deutlich zur
       aggressiven rechten Szene zählte, ein solch wichtiges gesellschaftliches
       Amt übertragen bekommt“.
       
       ## Schnauze voll von diesen Spezis
       
       Der Runde Tisch sieht „Klärungsbedarf“, weil Webers „formale Distanzierung
       von der rechten Szene „als nicht überzeugend angesehen“ wird. Gefordert sei
       jetzt der Sportbund in Gera und Erfurt.
       
       Sie können schon seit Längerem nicht mehr miteinander, Genseke und Weber.
       Dabei haben sie früher zusammen Kampfsport gemacht, Ende der 90er Jahre und
       auch später noch mal ein halbes Jahr lang, als Weber im Ruf stand, sich mit
       rechten Schlägern zu umgeben.
       
       Das wollte Genseke irgendwann nicht mehr. „Ich hatte schnell die Schnauze
       voll von diesen Spezis, für mich sollte der Sport im Mittelpunkt stehen und
       nichts anderes“, sagt er. Bei Wismut hat er mitbestimmen wollen und
       regelmäßig Vorstandssitzungen besucht. Er hat aber schnell eingesehen, dass
       Weber nicht gut mit Kritik umgehen kann.
       
       „Es ist gut zu wissen, wer mein Feind ist“, habe Weber, das damalige
       Vorstandsmitglied, ihm einmal gesagt. Ein andermal wurde das Stadionheft
       der Ultras, das Wismut-Kartell, aus dem Stadion verbannt, weil angeblich
       Lügen darin gestanden hätten. Aus Protest boykottierten die Ultras ein
       Heimspiel. Einschüchtern haben sie sich nicht lassen: „Danach waren wir
       noch kritischer“, sagt Genseke. Er hofft, dass das „Thema“, also die
       Diskussion über Webers Präsidentschaft, jetzt erst richtig losgeht. Der
       Druck soll größer werden.
       
       ## Acht Anklagen und nur eine Verurteilung
       
       Dafür sorgen schon jene Bürger, die Gera nicht den Rechten überlassen
       wollen. Sie haben bereits 2010 Alarm geschlagen, als der vorbestrafte Weber
       in den Vorstand von Wismut gewählt wurde. Sie haben Fakten
       zusammengetragen, die beweisen sollten, dass Weber kein harmloser
       Geschäftsmann ist, der eine Securityfirma führt, sondern ein Nazi. Man darf
       ihn ungestraft so nennen.
       
       Denn es gibt ein Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts aus dem Jahr 2008
       (Az. 1U635/08), wonach Weber als „Neonazi“ bezeichnet werden kann. Als
       „bloßes Werturteil“ sei das in seinem Fall gerechtfertigt, sagten die
       Richter und bezogen sich unter anderem auf einen Artikel in der
       Ostthüringer Zeitung vom 15. Dezember 2005, in dem eine Polizeisprecherin
       bestätigte, Weber „sympathisiere“ mit der rechten Szene.
       
       Bis zu jener Gerichtsverhandlung traten Weber und die Kameradschaft namens
       Gersche Jungs, deren Mitglied er war, recht rabiat in der Stadt und
       anderswo auf. Weber galt damals als berüchtigter Schläger. „Er war
       eindeutig radikalisiert, trat rechtsnational und gewalttätig auf“, sagt
       jemand, der Weber seit Mitte der 90er Jahre kennt, aber mit Namen nicht in
       der Zeitung stehen möchte.
       
       Die Staatsanwaltschaft Gera listet acht Verfahren wegen Körperverletzung,
       gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruchs, Nötigung, räuberischer
       Erpressung und Urkundenfälschung auf. Verurteilt wurde Weber aber nur
       einmal im Jahr 2006 wegen Körperverletzung, was den Sprecher der
       Staatsanwaltschaft ein wenig wundert: „Das habe ich ja noch nie erlebt, der
       scheint einen Freifahrschein zu besitzen.“
       
       Aktuell liegt eine Anzeige wegen Nötigung gegen Weber vor. Von anderer
       Seite heißt es, dass betroffene Geraer schlicht Angst hätten, gegen Weber
       auszusagen. Auch der Ermittlungseifer der Polizei sei nicht der größte,
       weil Webers Sicherheitsfirma für Ruhe sorge und damit Polizeiarbeit
       erleichtere.
       
       ## G-LW 188
       
       Weber, der Jura studiert hat, war auch Mitbegründer des Kampfsportklubs
       Eastfight. Im Umfeld des Vereins tummelten sich Kämpfer mit rechter
       Gesinnung, so auch der berüchtigte Holocaustleugner Marcel Wöll, ein
       führender Aktivist der neonazistischen Freien Kameradschaften.
       Kampfsportveranstaltungen, sogenannte Fight-Clubs, wurden von rechten
       Szeneläden wie The Last Resort Shop aus Zwickau oder Objekt 90 aus Gera
       gesponsert. An der Kleidung der Kampfsportfreunde, die zum Beispiel Thor
       Steinar oder Consdaple trugen, war zu erkennen, wo sie anzusiedeln sind: im
       rechtsextremen Milieu.
       
       2010 teilte nach Jahren der Verharmlosung das Thüringer Innenministerium
       auf Anfrage der Linken mit, „dass sich auch Rechtsextremisten unter den
       Mitgliedern der Thüringer Kampfsportvereine befinden“ (Drucksache 5/801).
       Weber selbst hielt sich seit 2008 immer mehr zurück, betrieb politische
       Mimikry. So leistete er sich das Autokennzeichen G-LW 188. In der Szene
       steht dieser Zahlencode für „Adolf Hitler“ beziehungsweise „Heil Hitler“.
       
       Doch Weber machte glauben, die Zahlen bezögen sich nur auf die Geburtsdaten
       seiner beiden Söhne. Es ist ein Spiel mit Uneindeutigkeiten, das Wismuts
       neuer Präsident gut beherrscht. Nur allzu gern wird aufgegriffen, was Weber
       behauptet. Im Thüringer Fußballverband und selbst bei der Ostthüringer
       Zeitung kursiert die These, Weber sei „ausgestiegen“.
       
       „Nein, davon ist nicht auszugehen, Weber hat mit den Jahren einfach nur
       dazugelernt. Er ist gewiefter geworden, spielt den biederen Geschäftsmann
       und gibt sich nach außen geläutert“, sagt Peter Lückmann vom Geraer Verein
       AufAndHalt, einem „Netz von Betroffenen rechtsextremer Gewalt“. Die Geraer
       Bevölkerung verhalte sich meist passiv zu solchen Personen, erklärt der
       59-Jährige: „Wenn so einer wie Weber kein NPD-Parteibuch hat, dann haben
       die meistens auch kein Problem mit dem.“
       
       ## Aussprache brachte nicht viel
       
       So wie der Vorstand von Wismut Gera. Sie haben ihm vor drei Jahren ohne
       Skrupel einen Vorstandssitz überlassen. „Es gab nie irgendwelche Tendenzen
       oder rechte Parolen“, versichert Exvorstand Dietmar Kayser. „Wir waren ja
       froh über sein Engagement mit der Securityfirma, und allein das zählt.“
       Webers Sicherheitsdienst habe die „Problemfans“ endlich in den Griff
       bekommen, „wir waren dankbar, dass er uns geholfen hat“.
       
       Eine Aussprache der Wismut-Vorstände mit Mobit, der Mobilen Beratung in
       Thüringen für Demokratie, und dem Thüringer Fußballverband in Erfurt
       brachte seinerzeit nicht viel. Ratlos seien die Herren gewesen, heißt es.
       Das seien eben die Zwänge, hatten sie auf Einwände von Mobit entgegnet.
       Geladen war auch der Wismut-Vorstand Norbert Hein, bis Juni dieses Jahres
       CDU-Bürgermeister in Gera. Einem Vertreter des Runden Tisches soll er
       gesagt haben: „Was ich für die Stadt mache, ist mein Job, und was ich für
       Wismut mache, ist meine Freizeit.“ Später will er an Vorstandssitzungen,
       die auch Weber besuchte, nicht mehr teilgenommen haben.
       
       Mit Weber kam 2010 auch Jens „Sascha“ Seidel in den Wismut-Vorstand.
       Seidel, der noch heute bei Wismut als Nachwuchsleiter firmiert, geht
       weniger verklausuliert als Weber zu Werke. Er hat Trainingseinheiten,
       berichten Insider, mit „Heil Hitler!“ begonnen und mit „Sieg Heil!“
       beendet. Bei einem Jugendturnier beschimpfte er gegnerische Mannschaften
       als „Judenschweine“.
       
       Seidel musste aufgrund der Vorfälle zwar aus dem Wismut-Vorstand
       ausscheiden, mehr aber auch nicht. All das wurde bisher auch von
       angesehenen regionalen Sponsoren wie Köstritzer oder der Geraer Bank
       geduldet. Sie wollen auf Nachfrage der taz ihr Engagement jetzt überdenken.
       „Sollten wir unsere Ziele in der Unterstützung der Sportförderung nicht
       gewahrt sehen, werden wir Schlussfolgerungen daraus ziehen“, kündigt eine
       Sprecherin von Köstritzer an.
       
       „Jede Stadt bekommt den Fußball, den sie verdient“, sagt ein Sportreporter
       aus Gera im Gespräch mit der taz. Mit dieser düsteren Diagnose will sich
       Jan Genseke allerdings nicht abfinden. Zur Not würde er selbst für den
       Posten des Präsidenten kandidieren.
       
       NACHTRAG: Nachdem obiger Artikel am Samstag in der taz erschienen ist, trat
       Lars Weber nun als Präsident von Wismut Gera zurück. Schuld sind nach
       Darstellung des Vereins die Medien: „Durch die öffentliche Darstellung, im
       Zusammenhang mit Lars Weber als ersten Vorsitzenden ist dem Geraer
       Traditionsverein mit seinen ca. 250 Mitgliedern ein Imageschaden
       entstanden, der seine Ursache in der undifferenzierten Betrachtung hat“,
       heißt es in einer [1][Erklärung auf der Home des Vereins].
       
       6 Oct 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.wismutgera.de/ezsite.php?news=1246962416
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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