# taz.de -- Haushaltsstreit in den USA: Machtspiele, Strategie – Patriotismus
       
       > Die Tea-Party-Fraktion hält weiter am Stillstand in den USA fest. Die
       > gewählte Führung der Republikaner will hingegen einen Kurswechsel.
       
 (IMG) Bild: Vom Gegner zum Helden und zurück: Der Republikaner John Boehner.
       
       WASHINGTON taz | „Lemminge mit Selbstmordwesten“, nennt der kalifornische
       Republikaner Devin Nunes seine Kollegen von der Tea Party. Ihre Strategie,
       den US-Haushalt mit der finanziellen Austrocknung der Gesundheitsreform zu
       verknüpfen, hält er für „dumm“, für „verrückt“ und für „mathematisch
       unmöglich“. Ihre parlamentarische Praxis beschreibt er als
       „verschwörerisch“ und „ins Nirgendwo gehend“.
       
       Doch im Repräsentantenhaus hat er mit ihnen gestimmt. Hat so die
       US-Regierung seit dem 1. Oktober zu weiten Teilen stillgelegt. Hat
       Millionen von Privathaushalten der USA in finanzielle Nöte gebracht. Und
       hat dem Rest der Welt mit der Zahlungsunfähigkeit gedroht, die ab dem 17.
       Oktober bei der Supermacht mit der Leitwährung eintreten könnte. In einem
       Interview mit CNN begründet der Kalifornier es so: „Wenn wir nicht 218
       Stimmen haben, sind wir nichts.“
       
       Parteidisziplin hat fast die komplette republikanische Fraktion im
       Abgeordnetenhaus in die politische Falle getrieben. Die Tea-Party-Gruppe im
       Repräsentantenhaus ist nicht einmal 50 Mitglieder stark. Vor dem
       sogenannten Shutdown bringt sie ein Papier in Umlauf, das Unterschriften
       von 80 Abgeordneten bekommt. Parallel dazu veranstaltet der Tea Partier Ted
       Cruz eine One-Man-Show mit einer 21 Stunden langen Rede im Senat, wo die
       Demokraten die Mehrheit halten.
       
       Doch dann macht John Boehner die Verkopplung von Haushalt und „Obamacare“
       zu seiner eignen Linie. Als Mehrheitsführer („Speaker“) hat er die
       Kontrolle über die Gesetzesvorlagen im Repräsentantenhaus. Zur Abstimmung
       kommt, was er vorlegt. Von den 235 republikanischen Abgeordneten stimmen
       nur zwei gegen den Shutdown. Ein paar andere Abgeordnete verlangen nach ein
       paar Tagen ein Ende der Blockade und einen „sauberen Haushalt“ – freilich,
       ohne selbst etwas dafür zu tun.
       
       Öffentliche Kritiker des Shutdowns bleiben die Ausnahme in den
       republikanischen Reihen. Die meisten Abgeordneten werden von ihrer Basis zu
       noch mehr Radikalität angefeuert. Sie kommen aus Wahlkreisen, die viel
       homogener sind und anders wählen als der Durchschnitt der USA. Nach dem
       letzten Zensus im Jahr 2010 haben viele republikanische Bundesstaaten die
       Grenzen ihrer Wahlkreise noch zusätzlich verändert.
       
       ## Große Parteidisziplin
       
       Mit großer Parteidisziplin machen die Verursacher des Shutdowns auch die
       Verantwortlichen für die Blockade aus: die Demokraten. Nach einer
       unsichtbaren Redevorlage erklären Dutzende von Republikanern in Interviews,
       Harry Reid und Obama seien schuld. Begründung: Die beiden wollen nicht
       verhandeln.
       
       Die Reform für eine „erschwingliche Gesundheitsversorgung“, wie sie
       offiziell heißt, ist 2010 von einem mehrheitlich demokratischen Kongress
       angenommen worden. Seither ist es den Republikanern trotz mehr als 40
       Anläufen im Kongress nicht gelungen, die Reform auszuhebeln. Auch das
       Oberste Gericht hat nichts an der Reform auszusetzen gefunden. Und die
       Wähler haben Barack Obama mit einer deutlichen Wiederwahl bestätigt. Die
       Republikaner sind im Repräsentantenhaus zwischen einem demokratischen Senat
       und einem demokratischen Präsidenten eingezwängt. Boehner erklärt den
       Widerstand gegen Obamacare für beendet. „Es ist nun das Gesetz des Landes“,
       sagt er im November 2012.
       
       In seiner eigenen Fraktion überzeugt das nicht alle. Bei seiner Wiederwahl
       zum Speaker stimmen ein Dutzend Tea Partiers gegen ihn. Währenddessen
       betreiben die Tea Party, ihre Thinktanks und ihre Finanziers weiter
       Fundamentalopposition. Und auch bei der rechten Basis gibt es kein
       emotionaleres Thema als Obamacare. Das Vorhaben, zig Millionen von
       Nichtversicherten zwangsweise in eine Krankenkasse zu bringen, symbolisiert
       eine „übermächtige“ und „sozialistische“ Regierung. Und steht zugleich für
       Werte, die Tea Partiers „unamerikanisch“ nennen. Dazu gehört
       wohlfahrtsstaatliche Unterstützung von sozial Schwachen und Minderheiten.
       
       Während die Tea Party also den Shutdown plant, verhandelt Boehner mit dem
       demokratischen Chef des Senats, Harry Reid, über den Haushalt für 2014. Im
       Sommer einigen sich die beiden Politiker auf einen Kompromiss. Dabei kann
       Boehner Einsparungen in zweistelliger Milliardenhöhe durchsetzen. Für den
       Senat und für das Weiße Haus steht anschließend fest, dass sie einen Deal
       für den Haushalt 2014 haben.
       
       ## Radikale Herausforderer
       
       Den Republikanern im Repräsentantenhaus hingegen passt Boehners Kompromiss
       nicht. In der Fraktion toben Verteilungskämpfe für die Vorwahlen in den
       kommenden Monaten, bei denen die Kandidaten für die Halbzeitwahlen bestimmt
       werden. Die Tea Party droht kompromissbereiten Republikanern mit radikalen
       Herausforderern. Umgekehrt wollen moderate Republikaner in mindestens vier
       Wahlkreisen gegen Tea Partiers in den Vorwahlen antreten.
       
       Die verheerenden Meinungsumfragen und die Appelle von Geschäftsleuten, von
       Handelskammern und von der Wall Street, den Shutdown zu beenden und die
       internationale Zahlungsunfähigkeit der USA zu vermeiden, treiben die alte
       Führung der Republikaner und ihre Berater zu einer späten Kurskorrektur.
       
       Boehner übernimmt dabei die Strategie der Fundamentalopposition. In den
       ersten Tagen des Shutdowns wird der „Mann des Establishments“ in den
       Kommuniqués der Tea Party zum „Patrioten“. Doch als er am zehnten Tag des
       Stillstands mit einem ersten kleinen Kompromissangebot ins Weiße Haus geht,
       rufen dieselben sogenannten Graswurzelgruppen ihre Basis zum Protest gegen
       ihn auf. Seine „Führung“ schreiben sie jetzt in Anführungszeichen.
       
       11 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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