# taz.de -- Kurz vor Volksentscheid: Bärige Erinnerungshilfe
       
       > Im Endspurt vor dem Volksentscheid machen die Unterstützer der
       > Ja-Kampagne in den Straßen mobil - und räumen manches Missverständnis aus
       > dem Weg.
       
 (IMG) Bild: Immer für die Volksbegehrer dabei: der Bär (links).
       
       Eine Aktivistin kniet in der Fußgängerzone und malt ein riesiges „JA!“ auf
       den Boden. Über ihre Kreidebilder tänzelt jemand im Bärenkostüm und drückt
       den PassantInnen in der Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg Flyer in die
       Hand. Straßenmalerei, Kostüme: „Jetzt im Endspurt können wir noch mal ein
       bisschen Kind sein“, sagt Jens-Martin Rode, der die Wahlkampf-HelferInnen
       für den Volksentscheid koordiniert. „Hauptsache, kreativ für positive
       Aufmerksamkeit.“
       
       In den letzten Tagen bis zum Volksentscheid am 3. November will der
       Energietisch noch einmal alles mobilisieren, um die benötigten rund 600.000
       Jastimmen zu erreichen für den Vorschlag zur Gründung eines Stadtwerks, das
       ausschließlich Ökostrom produziert, sowie der Rekommunalisierung des
       Stromnetzes. Jeden Tag stehen die Unterstützer der Ja-Kampagne jetzt auf
       Märkten und an U-Bahn-Stationen, sind im Bärenkostüm in der Ringbahn
       unterwegs oder stellen sich gleich vor die Bezirksämter, in denen bereits
       gewählt werden kann, und lotsen die Leute hinein.
       
       ## Flyer als Merkzettel
       
       Durch die Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg laufen an diesem Tag acht
       WahlkampfhelferInnen, der eine als Bär, die anderen haben sich
       Volksentscheid-Pappschilder umgehängt. Selten begegnet ihnen jemand, der
       noch nie von ihrem Anliegen gehört hat. Deshalb sagt Aktivistin Angelika
       Schmidt meist nur „Nicht vergessen! Am 3. November ist Volksentscheid“,
       wenn sie ihre Flyer anbietet. „Ich bin schon voll im Bilde“, sagt eine
       Passantin. Ein anderer hat sich bereits entschieden, mit Ja zu stimmen,
       nimmt aber trotzdem einen Flyer mit. „Damit ich das Datum nicht verpeile“,
       sagt er.
       
       Ja, das Datum. Es ärgert Schmidt sehr, dass SPD und CDU verhindert haben,
       dass die Abstimmung mit der Bundestagswahl zusammenfiel. „Das erschwert uns
       die Arbeit, weil man die Menschen so erst einmal zum Wählengehen kriegen
       muss.“ Deshalb ist direkt vor dem Abstimmungstag eine weitere Aktion
       geplant: Infozettel an Wohnungstüren. Über 1.300 BerlinerInnen haben sich
       gemeldet, um insgesamt 400.000 Türhänger in ihrer Nachbarschaft zu
       verteilen. „Das soll am 2. November passieren“, sagt Schmidt, „als
       kurzfristige Erinnerung“. Die 56-Jährige aus Charlottenburg ist
       Deutschlehrerin, arbeitet zurzeit nicht – und ist jeden Tag für den
       Volksentscheid unterwegs. „Ich habe ja Zeit“, sagt sie, „aber ich kenne
       auch Leute, die sich extra eine Woche Urlaub dafür genommen haben.“
       
       Auch Koordinator Rode stellt fest: „Je näher der Termin rückt, desto
       aktiver werden die Leute.“ Und weil jeder mitmachen kann, der sich online
       für eine Aktion einträgt oder auch spontan auftaucht, sind in den letzten
       Wochen noch viele Leute neu dazugekommen, die fast täglich mit unterwegs
       sind.
       
       Neben den von Rode zentral organisierten Aktionen gibt es zudem eine
       Vielzahl anderer, zum Teil privater Initiativen, die für ein Ja beim
       Volksentscheid auf die Straße gehen. „Das hat sich verselbstständigt“, sagt
       Rode. „Vor ein paar Tagen wurde ich am Alexanderplatz von einer Aktion der
       Bund-Jugend überrascht.“ Die Jugendlichen führten ein Theaterstück zum
       Thema Energie auf.
       
       Trotz dieser vielen Aktionen ist Berlin nicht systematisch abgedeckt. „In
       manchen Randbezirken wie Reinickendorf oder Spandau sind wir leider
       unterrepräsentiert“, sagt Rode, „aber wir wollen ja, dass sich jeder so
       engagiert, wie er das möchte.“ Bei Rode selbst heißt das auch mal im
       Bärenkostüm. Wenn er allerdings mit noch Unentschiedenen spricht, nimmt er
       das Kopfteil ab und kann schnell ernst werden. „Wird Vattenfall
       enteignet?“, fragt ihn ein junger Mann. „Nein“, sagt Rode und lächelt. Er
       ist froh, wenn die Leute fragen, denn es gibt einige Missverständnisse.
       Besonders über das von SPD und CDU geplante, wie Schmidt sagt,
       „Mini-Stadtwerk“: Ob man überhaupt noch abstimmen müsse, wenn doch eh ein
       Stadtwerk komme, will eine Frau wissen. Schmidt erklärt ihr geduldig die
       Unterschiede der zwei Stadtwerk-Pläne und ärgert sich über die von
       Regierungsseite aus angerichtete Verwirrung.
       
       Währenddessen bleiben immer wieder Touristen stehen und fotografieren das
       mittlerweile über hundert Quadratmeter große Kreidebild, an dem auch Kinder
       von PassantInnen mitmalen. Bär Rode ist derweil mit einem Mann im Gespräch,
       der gleich all sein Hoffnung in Sachen Rekommunalisierung auf die Truppe
       projiziert und fragt: „Machen Sie da auch mal was mit der Bahn und der
       Post?“
       
       29 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Maja Beckers
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Berlin
 (DIR) Volksentscheid
 (DIR) Berlin
 (DIR) Berlin
 (DIR) Volksentscheid
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Nach dem Volksentscheid in Berlin: Am Ende fehlte die Energie
       
       Der Volksentscheid über die Energieversorgung in Berlin scheitert an 21.000
       Stimmen. Der Senat wollte den Termin nicht mit der Bundestagswahl
       zusammenlegen.
       
 (DIR) Berliner Energiepolitik: Volkentscheid gescheitert
       
       Es ist offiziell: Der Volksentscheid zur künftigen Stromversorgung in
       Berlin ist gescheitert. Das teilte die Landesabstimmungsleiterin am
       Sonntagabend mit.
       
 (DIR) Volksentscheid Energie: Hochspannung in Berlin
       
       Bis 16 Uhr lag die Wahlbeteiligung bei 22,5 Prozent. Damit könnte es am
       Ende auf wirklich jede Stimme ankommen.
       
 (DIR) Volksentscheid in Berlin: Jeder 11. war schon abstimmen
       
       Die Beteiligung beim Volksentscheid Energie liegt leicht höher als beim
       Wasser-Entscheid 2011.
       
 (DIR) Energie-Volksentscheid in Berlin: Worum gehts eigentlich?
       
       Am Sonntag stimmen die BerlinerInnen darüber ab, wie die Energieversorgung
       der Stadt künftig gestaltet wird. Die wichtigsten Fragen & Antworten.
       
 (DIR) Volksentscheid Energie in Berlin: Da trifft dich ja der Schlag
       
       Noch beliefert Vattenfall acht von zehn Berlinern mit Strom. Aber der Ruf
       des Konzerns ist lädiert. Wir präsentieren vier Fehler, die kein
       Unternehmen begehen sollte.
       
 (DIR) Vor dem Volksentscheid: Selbstbestimmte Energie
       
       Ein kommunales Stadtwerk zur Stromerzeugung will der Berliner Energietisch
       ebenso wie der Senat. Wo liegen die Unterschiede?
       
 (DIR) Energie-Volksentscheid in Berlin: „Ein ’Ja‘ ist gut für die Sache“
       
       Selbst die Konkurrenz empfiehlt, für ein Stadtwerk zu stimmen: So werde die
       Energiewende vorangetrieben, sagt Oliver Hummel von der Naturstrom AG.
       
 (DIR) Energie: „Sympathische Forderungen“
       
       Ein kommunales Stadtwerk kann einen Beitrag zum sozialen und ökologischen
       Wandel Berlins leisten, sagt der Energieforscher Matthias Naumann.