# taz.de -- Gans schön viele: Der Problemvogel ist zurück
       
       > Im November beginnt die Gänsejagd an der Küste – auch in Schutzgebieten.
       > In Niedersachsen wollten die mitregierenden Grünen das ändern.
       
 (IMG) Bild: Zwei Männer am Strand. Sie haben den Vogel abgeschossen.
       
       Pünktlich zum Beginn der Jagdsaison auf Wildgänse am ersten November stehen
       sich Jäger und Naturschützer von der nordrhein-westfälischen Gänsewacht und
       dem ostfriesischen Wattenrat wieder unversöhnlich gegenüber.
       „Selbstverständlich werden wir die Jagd beginnen. Sie ist nötig, um die
       dramatisch ansteigenden Gänsebestände zu regulieren“, begründet der
       Leeraner Kreisjägermeister Jan-Wilhelm Hillbrands den Abschuss der
       Wildgänse.
       
       Die Gänsebestände hätten sich explosionsartig vermehrt. „Die Graugans ist
       ein Problemvogel, weil sie vermehrt sesshaft wird und hier brütet.“ Etwa
       10.000 Graugänse leben seiner Ansicht nach ständig in den von ihm betreuten
       Revieren.
       
       Wie viele Gänse zwischen dem ersten November und dem 15. Januar geschossen
       werden, ist nicht sicher. Für den Landkreis Leer geht man von etwa 1.500
       aus. Hauptzweck der Jagd, so Hillbrands, sei es, die Landwirtschaft vor
       Fressschäden durch die Gänse zu schützen.
       
       Allerdings bekommen Bauern, auf deren Wiesen Gänse äsen, eine
       Entschädigung. „Aber die Gänse weichen immer wieder auf andere Flächen aus,
       deren Besitzer werden nicht entschädigt“, meint Hillbrands.
       
       Mit ihren Zahlenangaben über die Menge Zugvögel haben sich die Jäger
       allerdings vertan. Der CDU-Landtagsabgeordnete Helmut [1][Dammann-Tanke],
       nebenberuflich Präsident des Niedersächsischen [2][Jägerverbandes],
       zitierte eine Untersuchung des Gänseforschers [3][Johan Mooij], nach der an
       der niedersächsischen Küste eine Million Blässgänse und 600.000 Saatgänse
       jährlich auf ihrer Reise von Russland Ruhe und Futter suchten.
       
       Doch Mooij, Präsident der internationalen Vogelzählungen, hat so eine
       Untersuchung nie gemacht. „Die Zahlen sind falsch“, versichert er auf
       Anfrage der taz. „Die Jäger benutzen Zahlen, die den gesamten Gänsebestand
       erfassen, also alle Tiere, die von Belgien bis Ungarn zum Vogelzug in
       Europa rasten“, so Mooij.
       
       Aber selbst die ständig anwesenden Populationen der Graugans könnten durch
       Bejagung nicht reguliert werden. Das wüssten die Jäger, denn sie schössen
       die Tiere ja seit Jahrzehnten. „Die Bestände können sich nur selber
       regulieren“, erklärt Mooij. Außerdem produzierten die Bauern schließlich im
       Freien, da gebe es nun mal Wildtiere. „Wir verlangen von Afrikanern, keine
       Elefanten abzuschießen, wenn die Plantagen abfressen und wir Europäer
       schießen die Gänse ab? Das geht gar nicht“, sagt der Wissenschaftler.
       
       Eigentlich wollte Niedersachsens grüner Landwirtschaftsminister Christian
       Meyer den Konflikt zwischen Jägern und Naturschützern entschärfen und das
       Jagdgesetz ändern. Doch daraus wird nichts. „Derzeit liegt nichts Konkretes
       vor“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums der taz. Lediglich ein Entwurf
       zur Jagdzeitveränderung werde erarbeitet, es sei aber nicht geplant,
       kurzfristig durch Verordnungen etwas zu verändern.
       
       „Nach der Wahlschlappe der Grünen bei der Bundestagswahl gaben die
       Grünbewegten die Losung aus: Hinwendung und Rückkehr zu den
       Ökologie-Themen! An der Ems spüre ich davon nichts“, empört sich
       Vogelexperte Eilert Voss aus Emden.
       
       Er machte letztes Jahr zur Jagdsaison Schlagzeilen, weil er Jäger bei der
       Gänsejagd mit einem Nebelhorn und durch Schwenken eines roten Schirms bei
       der Jagd behindert haben soll. Ergebnis war eine Geldstrafe wegen
       Jagdstörung. Dabei schossen die Waidmänner mit giftigem Bleischrot im
       europäischen Vogelschutzgebiet [4][Natura 2000] – bei Nebel und teilweise
       ohne ausgebildete Jagdhunde. „Die jagdbaren Gänse leben in
       Wohngemeinschaften mit teilweise streng geschützten Arten zusammen“, sagt
       Voss.
       
       „Die Jäger können nicht unterscheiden, was sie schießen dürfen und was
       nicht. Außerdem vergällen sie durch ihre Ballerei alle Tiere in einem
       Naturschutzgebiet.“ Voss ist enttäuscht vom grünen Landwirtschaftsminister.
       Der gibt in einem Brief an die Gänsewacht kleinlaut zu: „Einige grüne
       Forderungen waren im Koalitionsvertrag mit der SPD nicht zu machen.“
       
       30 Oct 2013
       
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