# taz.de -- Behörden finden Walsterben normal: Walschutz? Keine Zeit, kein Geld
       
       > In letzter Zeit wurden vermehrt tote Schweinswale an der Nordseeküste
       > angespült. Alles normal, sagen die Behörden. Die Todesursache wird aber
       > gar nicht untersucht - zu teuer oder nicht wichtig genug.
       
 (IMG) Bild: Mit Schrammen von Schiffsschrauben oder Fischernetzen übersät: in der Emsmündung gefundener Kadaver eines Schweinswals.
       
       Sie könnten Sympathieträger der Nord- und Ostsee sein. Aber sie haben keine
       Kulleraugen, geben nicht Pfötchen und fressen nicht aus der Hand. Und ihr
       Name „Schweinswal“ ist eine echte Arschkarte. Im Gegensatz zu Robben taugen
       Schweinswale offensichtlich nicht fürs Bewerben von Fremdenverkehr,
       Eisbecher, Schnaps und Badelaken. Erst Totfunde machen den einzigen Wal vor
       Deutschlands Küsten zu einem Ereignis. Davon gab es in den letzten Wochen
       reichlich.
       
       Doch Nicola Kabel, Sprecherin des schleswig-holsteinischen
       Umweltministeriums, sagt: „Die Meldungen der letzten Tage wurden
       hochgejazzt. Es gibt kein signifikantes Walsterben. Die Totfunde liegen im
       statistisch normalen Bereich.“ Ähnlich äußert sich Inka Burow vom
       Umweltministerium in Niedersachen. Nach Auskunft der Ministerien gab es bis
       jetzt in Niedersachen 30 Totfunde, im „Rekordjahr“ 2002 waren es 75. Auf
       Sylt wurden 60 Kadaver angespült, im ganzen Vorjahr waren es nur 40. Je
       knapp ein Dutzend der Meeressäuger verendeten vor Trischen und Helgoland.
       
       Seit 2003 sei die Zahl der Totfunde in Schleswig-Holstein angestiegen,
       räumt Sprecherin Kabel ein und mutmaßt: „Die Bestände könnten sich aus der
       nördlichen Nordsee in den Süden verlagert haben.“
       
       „Das ist Unsinn“, sagt Karsten Brensing von der Deutschen Sektion der Whale
       and Dolphin Conservation Society (WDCS) in München. „Die These, Walbestände
       würden sich verlagern, ist wissenschaftlich nicht haltbar.“ Die WDCS kämpft
       weltweit unter anderem für die Vernetzung von Walschutzgebieten.
       „Systematische Untersuchungen von behördlicher Seite gibt es nicht“,
       kritisiert Brensing. Die Totfunde seien also lediglich Zufallsfunde. Selbst
       diese seien aber, zumindest was Schleswig-Holstein betrifft, dramatisch.
       „Wichtig wäre auf jeden Fall zu wissen, woran die Tiere verendet sind“,
       sagt der Walschützer.
       
       Silke Klotzhuber vom niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und
       Lebensmittelsicherheit (Laves) sagt zur taz: „Wir haben tote Schweinswale
       auf Eis. Aus organisatorischen Gründen wurden die Tiere aber noch nicht
       obduziert.“ In Schleswig-Holstein steht es noch schlechter: „Wir lassen nur
       Alter, Geschlecht und genetische Abstammung klären. Eine gesundheitliche
       Prüfung findet seit 2010 aus Kostengründen nicht statt“, erklärt
       Ministeriums-Sprecherin Kabel.
       
       „Das ist ein Hammer“, ärgert sich Walschützer Karsten Brensing.
       „Deutschland ist durch internationale Abkommen verpflichtet, gerade die
       Todesursachen bei verendeten Schweinswalen zu erforschen und zu
       dokumentieren.“
       
       Fischerei, Lärm und die Verschmutzung durch Chemikalien sind die
       Hauptfeinde des Schweinswals. Zudem verenden jedes Jahr Tausende
       Schweinswale in den Stell- und Schleppnetzen der Fischerei. Der
       niedersächsische Grünen-Landtagsabgeordnete Christian Meyer stellte
       kürzlich eine Anfrage an die Landesregierung, ob sie gedenke, der Fischerei
       Auflagen wegen verendeter Schweinswale zu machen. Gedenke sie nicht,
       antwortete die Regierung, weil in Niedersachsen nur „walfreundlich“
       gefischt würde. „Lüge“, sagt Eilert Voss, Naturschützer von der
       ostfriesischen Umweltgruppe Wattenrat. Er kann Fangreusen vorzeigen, die
       Kleinwale töten.
       
       „Die Naturschutzverbände sind beim Walschutz in einer kniffligen
       Situation“, sagt Karsten Brensing vom WDCS. „Sie engagieren sich für den
       Aufbau von Offshore-Windanlagen.“ Die Bauten der Anlagen befinden sich aber
       genau auf den Zugwegen und neben den Schutzgebieten der Schweinswale. „Der
       Rammlärm für den Bau dieser Anlagen ist für Schweinswale tödlich“, sagt
       Brensing. „Noch 50 Kilometer im Umkreis der Baustellen wird das
       Orientierungssystem der Kleinwale verwirrt.“
       
       Tatsächlich gibt das Offshore-Forum Windenergie, eine Vereinigung der
       seeständigen Industrieanlagenbetreiber, zu, keine ausreichenden technischen
       Möglichkeiten für den Schutz der Schweinswale bei Rammarbeiten zu besitzen.
       Deswegen dürften aber die Arbeiten nicht behindert werden, so das Forum.
       
       Werden sie auch nicht. Als beim Bau des Windparks Borkum Riffgat die
       Rammlärm-Messungen wegen defekter Instrumente ausfielen, wurde einfach
       weitergerammt. „Wir wissen, dass Rammen keine Lösung ist und alternative
       Möglichkeiten für den Bau von Windanlagen auf See gefunden werden müssen“,
       sagt Walschützer Brensing. „Die Industrie mag es aber billiger. Naturschutz
       ist für sie lästig und vernachlässigbar.“
       
       20 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Schumacher
       
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