# taz.de -- Waidmanns-Stop: Wer Frieden will, muss zahlen
       
       > Waldbesitzer können seit Dezember die Jagd in ihren Forsten verbieten.
       > Die Hürden dafür sind allerdings hoch.
       
 (IMG) Bild: Für Waldbesitzer nicht ganz einfach zu vermeiden: Jäger und ihre Beute.
       
       HAMBURG taz | Es war eine Gesetzesänderung, die der Europäische Gerichtshof
       für Menschenrechte quasi erzwungen hat: Vor einem Monat trat eine Novelle
       des Bundesjagdgesetzes in Kraft, die es Waldbesitzern erlaubt, die Jagd in
       ihren Forsten aus ethischen Gründen zu verbieten. Wer dieses Recht
       wahrnehmen will, muss jedoch in Niedersachsen einen Berg Papierkram
       bewältigen und bis zu 2.000 Euro an Gebühren bezahlen.
       
       „Niedersachsen ist federführend, was die Schikanen angeht“, sagt Dominik
       Storr von der Bürgerinitiative „Zwangsbejagung ade“. Der Rechtsanwalt
       vertritt mehrere Mandanten, die die Jagd in ihren Wäldern beenden wollen.
       Doch selbst nach mehreren Urteilen des Gerichtshofs für Menschenrechte und
       der jüngsten Gesetzesänderung erweist sich das als schwierig. „Es geht
       darum, dass eine akute Menschenrechtsverletzung abgestellt wird“, findet
       Storr. Dass insbesondere die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein hier
       bremsten, sei ein Skandal.
       
       Waldbesitzer haben laut Bundesjagdgesetz das Jagdrecht in ihrem Forst.
       Gehört ihr Waldstück zu einem größeren zusammenhängenden Gebiet, werden sie
       automatisch Mitglied einer Jagdgenossenschaft und müssen entweder selber
       jagen oder Dritte jagen lassen. Gegen diesen Zwang sind Waldbesitzer in
       mehreren europäischen Ländern bis vor den Gerichtshof für Menschrechte
       gezogen.
       
       In einem Urteil vom Juni 2012 bekräftigte das Straßburger Gericht seine
       Rechtssprechung auch für die Bundesrepublik Deutschland: Es sei
       Waldbesitzern nicht zuzumuten, die Jagd zu dulden, wenn sie diese aus
       ethischen Gründen ablehnten, urteilte das Gericht. Denn damit würde diesen
       Waldbesitzern „eine unverhältnismäßige Belastung auferlegt“. Das
       widerspreche insbesondere dem Artikel 1, Protokoll Nummer 1 der
       Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), die den Schutz des Eigentums
       garantiert.
       
       Einer, der die Befriedung seines Waldes beantragt hat, ist Jan Gerdes vom
       Hof Butenland in Butjadingen. „Ich bin Jäger geworden, weil ich mir mit den
       Nachbarn zusammen einen Braten schießen wollte“, erzählt er. Doch aus den
       Jagden zu Fünft oder Sechst seien riesige Treibjagden geworden, bei denen
       soviel wie möglich geschossen werde. Die behauptete Liebe zur Natur habe
       sich als Lüge seiner Jagdgenossen erwiesen. Er habe viele Tiere gesehen,
       die nur angeschossen wurden und sich zu Tode quälten: „Man fängt an,
       Mitleid zu bekommen.“ Im Übrigen spreche viel dafür, dass die Jagd gar
       nicht notwendig sei, um die Wildbestände zu regulieren.
       
       Wie schwierig es ist, solche ethischen Bedenken auch nach der neuen
       Rechtslage geltend zu machen, zeigt ein Schreiben des Landkreises Aurich
       von kurz vor Weihnachten. Unter Verweis auf eine Dienstbesprechung des
       niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums mit den unteren Jagdbehörden
       verlangt der Kreis von dem Antragsteller 15 Informationen und Dokumente –
       darunter Grundbuchauszüge, eigene und die der Nachbarn, Landkarten, die
       Adressen der Pächter und Jagdgenossenschaften sowie eine „Darlegung der
       ethischen Gründe“.
       
       Der Anwalt Dominik Storr bezeichnet Letzteres als „Gewissensprüfung“, die
       von der Jagdbehörde, „also zumeist durch die Jäger selbst“ abgenommen
       werde. Nicht besser werde die ganze Sache dadurch, dass die Jagdkritiker
       für die Bearbeitung ihrer Anträge viel Geld auf den Tisch blättern müssten.
       In dem Schreiben des Landkreises Aurich ist von 1.000 bis 2.000 Euro die
       Rede. Ein entsprechender Gebührentatbestand werde derzeit erarbeitet.
       
       Der Naturschützer Manfred Knake vom Wattenrat findet das bitter. „So also
       funktioniert erfolgreicher Jagdlobbyismus“, sagt er. „Die organisierte
       Jägerschaft hat als der Staat im Staat gezeigt, wie man EU-Urteile zum
       Wohle des eigenen Hobbys bekämpfen kann.“ Und dabei werde das
       niedersächsische Landwirtschaftsministerium von dem grünen Minister
       Christian Meyer geleitet.
       
       Dem Minister sei es wichtig, dass Grundeigentümer ihren Wald mit einem
       angemessenen Aufwand befrieden lassen könnten, versichert dessen Sprecherin
       Natascha Manski. Er habe darauf verzichtet, die Ablehnung der Jagd im
       niedersächsischen Jagdgesetz über die Regelungen im Bundesjagdgesetz hinaus
       zu erschweren.
       
       Auch der Kieler Landwirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) begrüßt die
       Möglichkeit, Jagdbezirke zu befrieden. Eine Gebührenverordnung sei in der
       Anhörung, teilte seine Sprecherin Nicola Kabel mit. Vorgesehen seien 300
       bis 2.000 Euro. Das Geld fließe den Kreisen zu, die einen Anspruch darauf
       hätten, dass ihr Aufwand vergütet werde.
       
       13 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Jagdgesetz
 (DIR) Jagd
 (DIR) Jäger
 (DIR) Niedersachsen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Ärger um neues Jagdgesetz in NRW: Killerkatzen oder Katzenkiller?
       
       Ein neues Jagdgesetz in Nordrhein-Westfalen treibt die Jäger auf die Palme.
       Streunende Katzen dürfen nicht mehr geschossen werden.
       
 (DIR) Runter von der Abschussliste: Kastration soll Katzen retten
       
       In dieser Woche startet Schleswig-Holstein ein Kastrationsprojekt für
       Katzen. Das soll ihren Abschuss und den Tod von Singvögeln verhindern.
       
 (DIR) Die ersten jagdfreien Zonen: Betreten nur ohne Flinte erlaubt
       
       Als einer der ersten Landbesitzer in NRW hat André Hölscher eine jagdfreie
       Zone ausgerufen. Das Bundesjagdgesetz macht dies jetzt möglich.
       
 (DIR) Gans schön viele: Der Problemvogel ist zurück
       
       Im November beginnt die Gänsejagd an der Küste – auch in Schutzgebieten. In
       Niedersachsen wollten die mitregierenden Grünen das ändern.