# taz.de -- Dubiose Hilfsorganisation: Vom Strich in die Christensekte
       
       > Der Verein „Mission Freedom“ will Frauen aus der Zwangsprostitution
       > retten. Behörden und Beratungsstellen halten den Verein für
       > problematisch.
       
 (IMG) Bild: Zustände, die Gaby Wentland mit der Kraft des Glaubens abwenden will: Straßenstrich in Hamburg.
       
       HAMBURG taz | Es ist genau des Bild von Prostitution, über das zur Zeit
       alle reden: „Diese Frauen sind sehr verängstigt, sehr verschüchtert, und
       sie haben enorme Angst“, sagt die blonde Dame, die in dem Film des
       Hamburger Vereins „Mission Freedom“ über die Reeperbahn läuft. „Wie
       Gefangene leben diese Frauen in Kellerwohnungen, Bordellen, oder auch
       völlig normal anmutenden Häusern in der Nachbarschaft und werden von den
       Zuhältern zur Prostitution gezwungen und massiv bedroht.“
       
       Die blonde Dame heißt Gaby Wentland, sie ist Pastorenfrau in der
       radikal-christlichen „Freien Gemeinde Neugraben“ und Vorstandsvorsitzende
       von „Mission Freedom“. Der 2011 gegründete Verein hat sich zur Aufgabe
       gemacht, Frauen aus der Zwangsprostitution zu befreien – sowohl durch
       Streetworking als auch durch die Betreuung im vereinseigenen „Mission
       Freedom Home“. Für ihr Engagement ist Gaby Wentland im September der mit
       20.000 Euro dotierte, von den Verlegern gesponserte „Bürgerpreis der
       deutschen Zeitungen“ verliehen worden – auf Vorschlag des Hamburger
       Abendblatts.
       
       Wentland, eine resolute Mittfünfzigerin, die E-Mails mit „Deine Gaby“
       unterschreibt, hat an diesem Vormittag einen Termin bei der Hamburger
       Sozialbehörde. Daher findet das Treffen im Starbucks des Einkaufszentrums
       „Hamburger Meile“ vor dem Eingang zur Behörde statt. Um die gute
       Zusammenarbeit mit den offiziellen Stellen zu untermauern, achtet Wentland
       darauf, dass man den ausgedruckten E-MailAustausch sieht. „Als ich vor zwei
       Jahren angefangen habe, mich mit Menschenhandel zu beschäftigen, bin ich
       zum LKA (Landeskriminalamt) gegangen, zu sämtlichen Behörden, habe mich mit
       anderen NGOs (Nichtregierungsorganisationen) verbunden, und habe
       herausgefunden, dass es noch viel schlimmer ist, als ich gedacht habe“,
       sagt Wentland.
       
       Die Ergebnisse der Arbeit des Vereins nach eigenen Angaben: 35 Personen
       seien in den letzten zwei Jahren im „Mission Freedom Home“ betreut worden,
       etwa die Hälfte von ihnen Kinder der Ex-Prostituierten, die aus den
       Heimatländern mit ihren Müttern zusammengeführt worden seien.
       
       Doch wie seriös ist der Verein wirklich? Die Hamburger
       Bürgerschaftsabgeordneten Kersten Artus und Cansu Özdemir von der Linken
       haben am 22. Oktober in einer Kleinen Anfrage an den Senat nachgefragt.
       „Ich fand sowohl die reißerische Art, wie der Verein sich präsentiert, als
       auch die Struktur höchst fragwürdig, sowohl offene Streetwork zu machen als
       auch ein Frauenhaus zu unterhalten“, sagt Artus. Im Hilfesystem gebe es
       eine klare Trennung zwischen Streetwork und Betreuung der Frau – „alles
       andere ist im Hinblick auf die Sicherheit der Frau grob fahrlässig, weil
       die Zuhälter den Frauen in die Häuser folgen können“.
       
       Die Antwort des Senats: Weder das Landeskriminalamt noch die Sozialbehörde
       vermitteln mutmaßliche Betroffene von Menschenhandel an „Mission Freedom“.
       Eine Anerkennung des „Mission Freedom Home“ als Frauenhaus wurde wiederholt
       abgelehnt. Durch die mangelnde fachliche Qualität der Arbeit des Vereins
       sei die Sicherheit der Betroffenen nicht gewährleistet. „Als kritisch wird
       zudem die spezifisch religiöse Ausrichtung im Umgang mit Opfern sexuellen
       Missbrauchs gesehen“, heißt es in der Antwort des Senats.
       
       Da keine der örtlichen Behörden mit „Mission Freedom“ zusammenarbeitet, ist
       auch eine transnationale Familienzusammenführung zumindest auf legalem Wege
       nicht zu Stande gekommen. Jörn Blicke, Leiter des Dezernats „Milieu“ beim
       LKA, verurteilt scharf, dass der Verein mutmaßliche Opfer von
       Menschenhandel öffentlich geoutet hat – auf der DVD „Heiße Ware“ und bei
       einem Flashmob auf dem Kirchentag im Mai 2013.
       
       Dort wurde eine junge Frau vorgestellt, die erzählte, von ihrem Vater in
       die Prostitution verkauft worden zu sein. Zum Zwecke der Aufrüttelung wurde
       sie sodann als „frische Ware“ in Frischhaltefolie eingewickelt. „Man
       präsentiert keine Opfer in der Öffentlichkeit. Das ist gegen alle
       moralischen Einschätzungen und Vorgaben“, sagt Blicke.
       
       Wenn es um mutmaßliche Opfer von Menschenhandel geht, wendet sich das LKA
       in Hamburg an die „Koordinierungsstelle gegen Frauenhandel“ Koofra – doch
       auch dort lehnt man die Zusammenarbeit mit „Mission Freedom“ ab. Auch das
       Diakonische Hilfswerk will mit dem Verein nichts zu tun haben.
       
       Wie viele Frauen unter welchen Umständen von „Mission Freedom“ betreut
       werden, ist nicht bekannt. Bei anfänglichen Versuchen, mit dem Verein zu
       kooperieren, erfuhren die Mitarbeiter von Behörden und Beratungsstellen von
       den betreuten Frauen, dass diese keine weltliche Musik mehr hören durften,
       ihnen ihr Handy abgenommen wurde und sie ohne Begleitung das „Mission
       Freedom Home“ nicht verlassen durften. Seit über einem Jahr hatten weder
       das LKA noch die Sozialbehörde Kontakt zu Frauen, die von „Mission Freedom“
       betreut werden.
       
       Im Gespräch erzählt Gaby Wentland, dass Frauen beim Erstgespräch
       unterschreiben müssten, „dass sie freiwillig kommen möchte in unser Haus“.
       Eine solche Klausel gibt es in den Betreuungsvereinbarungen von
       Frauenhäusern nicht. Und Handys werden üblicherweise nicht abgenommen, es
       wird nur darum gebeten, das GPS auszuschalten, um eine Ortung der Frauen zu
       verhindern.
       
       Weder die Behörden noch die Polizei wissen, wo und unter welchen
       Bedingungen die Frauen im „Mission Freedom Home“ untergebracht sind. „Es
       scheint mir eine eher fundamentalistische Form christlichen Glaubens zu
       sein, die auch starkes missionarisches Interesse hat“, sagt Pastor Jörg
       Pegelow, Sektenexperte der Nordelbischen Kirche.
       
       Gaby Wentland und ihr Mann Winfried, Pastor der Freien Gemeinde Neugraben,
       waren 18 Jahre lang mit Reinhard Bonnke als Missionare in Afrika tätig.
       Bonnke, Spitzname: „Mähdrescher Gottes“, hat unter anderem das Buch
       „Evangelism by Fire“ geschrieben und 1991 in der nigerianischen
       Islamisten-Hochburg Kano missioniert, worauf es zu Ausschreitungen kam.
       
       Am Ende des Films von „Mission Freedom“ dankt Gaby Wentland dem „Club 700“.
       Der Club 700 ist ein Fernsehprogramm des Christian Broadcasting Network,
       das dem ultrakonservativen amerikanischen Freiprediger Pat Robertson
       gehört. Der verkündete in seiner Sendung, die Haitianer seien an dem
       verheerenden Erdbeben 2010 selber schuld, weil sie einen „Pakt mit dem
       Teufel“ geschlossen hätten.
       
       Wie kann es sein, dass ein Verein wie „Mission Freedom“ von einer Jury aus
       Chefredakteuren einen Preis für „herausragendes bürgerliches Engagement“
       verliehen bekommt? Mit der Antwort des Hamburger Senats auf die Kleine
       Anfrage der Linkspartei konfrontiert, erklärt die Pressestelle des Bunds
       der Deutschen Zeitungsverleger, davon hätten sie nichts gewusst: „Mit dem
       Sachverhalt werden wir uns befassen.“ Die Preisverleihung ist für den 20.
       Februar 2014 in Berlin geplant.
       
       12 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hanna Klimpe
       
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