# taz.de -- Sozialarbeiterin über Prostitution: „Wir brauchen kein neues Gesetz“
       
       > Juanita Henning von der Beratungsstelle Doña Carmen kritisiert das neue
       > Gesetzesvorhaben zur Prostitution. Menschenhandel hält sie für einen
       > Kampfbegriff.
       
 (IMG) Bild: Straßenstrich in Saarbrücken.
       
       taz: Frau Henning, es gibt derzeit eine neue Debatte über das Verbot der
       Prostitution. Gleichzeitig plant die künftige Große Koalition ein neues
       Prostitutionsgesetz. Ist das in Ihrem Interesse? 
       
       Juanita Rosina Henning: Die Debatte über das Verbot geht an den
       tatsächlichen Problemen völlig vorbei. Das betrifft vor allem das geplante
       Gesetzesvorhaben.
       
       Was rügen Sie an den Plänen? 
       
       Dabei geht es um eine weitgehende Reglementierung von Prostitutionsstätten.
       Die Betreiber sollen alle Frauen, die bei ihnen tätig sind, bei den
       Behörden melden. Sie sollen die aufenthaltsrechtlichen Papiere der Frauen
       kontrollieren. Die Frauen würden möglicherweise alle zentral polizeilich
       registriert. Das lehnen wir entschieden ab.
       
       Das Argument für mehr Kontrolle lautet, dass man so dem Menschenhandel
       wirksamer begegnen könne. 
       
       „Menschenhandel“ – das ist doch ein Kampfbegriff gegen die Prostitution.
       Dass der Begriff mit der Wirklichkeit wenig zu tun hat, zeigt ein Blick auf
       die Zahlen. Im Jahre 2010 gab es 761 Fälle von mutmaßlichen Opfern von
       Menschenhandel, bei geschätzt 200.000 Prostituierten. Davon waren 159
       Fälle, in denen die Opfer tatsächlich Gewalt, Drohung, körperliche
       Misshandlung erlebt hatten. Das sind also weniger als ein Promille.
       
       Es heißt ja immer, die Dunkelziffer sei so hoch, weil es sich um
       organisierte Kriminalität handelt und die Frauen sich nicht trauten,
       auszusagen. 
       
       In den vergangenen elf Jahren gab es im Schnitt pro Jahr 130 gerichtlich
       festgestellte Täter im Menschenhandel, das Täter-Opfer-Verhältnis war dabei
       in etwa eins zu eins. Das spricht gegen organisierte Kriminalität. In einer
       Studie des Bundeskriminalamtes von 2006 konnte keine organisierte
       Kriminalität in diesem Bereich festgestellt werden.
       
       Das heißt, das Bild der armen Frau aus Osteuropa, die nach Deutschland
       gelockt und hier von einer Bande unter Druck gesetzt wird, ist falsch? 
       
       Ja. Ich habe selbst eine Studie durchgeführt, bin durch die Bordelle
       gegangen, habe die Frauen interviewt. Über 90 Prozent der Frauen, die nach
       Deutschland kommen, wissen, dass sie in der Prostitution arbeiten werden.
       
       Es besteht also kaum Handlungsbedarf? 
       
       Doch. Aber wir brauchen eben kein neues Sondergesetz, das die Bordelle
       stärker kontrolliert, um gegen die Fälle von Gewalt und Misshandlung
       vorgehen zu können. Dazu reichen die Strafrechtsparagrafen, die es gibt:
       Nötigung, Erpressung, Körperverletzung. Es geht auch viel ums Arbeitsrecht,
       Einbehaltung von Lohn etwa. Da müsste man nur die normale Rechtsprechung
       greifen lassen. Gewerberechtlich reicht es aus, wenn Prostitutionsstätten
       nach Paragraf 14 der Gewerbeordnung anzeigepflichtig wären.
       
       Was fordern Sie noch? 
       
       Wir wollen zum Beispiel, dass selbstständige Prostitution endlich als
       freiberufliche Tätigkeit anerkannt wird. Damit hätten die Frauen mehr
       Möglichkeiten, auch in Wohngebieten legal zu arbeiten. Außerdem sind wir
       für die Abschaffung der Strafrechtsparagrafen, die Zuhälterei und die
       Förderung der Prostitution verbieten. Damit wird es Arbeitgebern nämlich
       unmöglich gemacht, Prostitution als sozialversicherungspflichtiges
       Beschäftigungsverhältnis anzubieten.
       
       22 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
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