# taz.de -- Jüdisches Museum Berlin: Wider die einstudierte Engstirnigkeit
       
       > Mit einer neuen Akademie widmet sich das Museum den Themen Migration und
       > Diversität. Ein Pluralismus, der nicht selbstverständlich ist.
       
 (IMG) Bild: Offenheit für neue Perspektiven: Innenhof des Jüdischen Museums in Berlin.
       
       BERLIN taz | Er bekomme eine Menge Briefe von Leuten, die „unsere Mission
       nicht richtig verstehen“, sagt Michael Blumenthal, der Direktor des
       Jüdischen Museums in Berlin. Die beklagten sich dann etwa darüber, dass es
       im Museumsrestaurant kein koscheres Essen gebe, es in den Ausstellungen zu
       wenig um Religion gehe oder das Museum insgesamt zu wenig Einsatz für die
       israelische Politik zeige. Der Tenor laute oft: „Ihr seid nicht jüdisch
       genug“, fasst Blumenthal zusammen.
       
       Diese Leute wird das Jüdische Museum weiter enttäuschen müssen. Mit seiner
       neuen Akademie, die in einen kubischen Erweiterungsbau des Hauptgebäudes in
       Berlin-Kreuzberg eingezogen ist, hat sich das 1997 eröffnete Haus einen
       neuen Schwerpunkt gegeben. Im neuen Arbeitsbereich „Migration und
       Diversität“ beschäftigt sich die Akademie mittels Tagungen, Veranstaltungen
       und Workshops künftig verstärkt mit der wachsenden Pluralität Deutschlands.
       
       „Wir sind ein deutsches Geschichtsmuseum“, begründet Blumenthal diesen
       Schritt – wenn auch eines, das sich der deutschen Geschichte aus jüdischer
       Perspektive widme. Da sei es nur naheliegend, den deutschen Umgang mit
       anderen Minderheiten in den Blick zu nehmen: als „ein Zeichen, dass Juden
       wieder ein Teil der deutschen Gesellschaft geworden sind“. Es wäre ja
       engstirnig, sagt Blumenthal, „sich nur mit den Problemen der jüdischen
       Minderheit zu beschäftigen“.
       
       Doch so selbstverständlich ist diese offene, pluralistische Perspektive
       nicht. „Eine Herausforderung“ sei das, gibt die Historikerin Yasemin
       Shooman zu. Shooman leitet das Akademie-Programm. Vor allem der
       Nahost-Konflikt spaltet Juden und Muslime, weiß Blumenthal: „Es gibt gerade
       in der Diaspora viele Juden, die glauben, wer Israel kritisiert, der muss
       ein Antisemit sein“, hat er festgestellt. „Und unter Muslimen gibt es
       viele, die Juden und Israelis gleichsetzen und als Feinde betrachten.“
       
       ## Parallelen zum Dritten Reich
       
       Umso wichtiger sei es, die Gemeinsamkeiten zu betonen. „Es gibt enge
       Verbindungen zwischen Juden und Muslimen, was Sprache, Religion, Rituale
       und geteilte Geschichte betrifft“, betont Blumenthal. Die
       Beschneidungsdebatte habe beide Gruppen wieder stärker zusammengebracht.
       Und: „Wenn ich die Debatten um Muslime in Deutschland heute verfolge, fühle
       ich mich erinnert an Erfahrungen, die ich als Jude in Deutschland gemacht
       habe“, zieht er gar Parallelen zur Diskriminierung der Juden im „Dritten
       Reich“.
       
       Blumenthal wurde im Januar 1926 in Oranienburg bei Berlin geboren und floh
       1939 mit seiner Familie vor den Nazis nach Schanghai. Nach dem Ende des
       Zweiten Weltkriegs ging er in die USA und brachte es unter Präsident Jimmy
       Carter 1977 bis zum Finanzminister.
       
       Die amerikanische Erfahrung hat Blumenthal geprägt. In den USA könne man
       sich als regulärer Einwanderer nach 5 Jahren einbürgern lassen, erläutert
       der 87-Jährige. Deutschland könne sich an solchen Ländern ein Vorbild
       nehmen, er verweist auf deren Einbürgerungs- und
       Antidiskriminierungsgesetze. Denn mit seiner niedrigen Geburtenrate und
       seiner alternden Bevölkerung sei Deutschland weiter auf Einwanderung
       angewiesen.
       
       Doch Blumenthal weiß auch: „Für die deutsche Bevölkerung ist es nicht
       einfach, das zu akzeptieren und damit zurechtzukommen.“ In Deutschland
       frage man sich noch viel zu oft: Kann man Deutscher sein, wenn man ein
       Kopftuch trägt oder eine andere Sprache spricht? „Mentalitäten ändern sich
       langsam“, so Blumenthal.
       
       Die Akademie des Jüdischen Museums will einen Beitrag leisten, das zu
       befördern. Den Auftakt bildet am Freitag eine Fachtagung zu „Migrations-
       und Integrationspolitik heute“. Gemeinsam mit dem „Rat für Migration“ lädt
       man in die hellen Räume der Akademie. Schräge, holzvertäfelte Wände tragen
       die Handschrift des Architekten Daniel Libeskind. Bei der Podiumsdiskussion
       am Abend werden Wissenschaftler auf Politiker wie Niedersachsens
       Exintegrationsministerin Aygül Özkan treffen.
       
       22 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sibylle Biermann
 (DIR) Daniel Bax
       
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