# taz.de -- Klimakonferenz in Warschau: Der Gipfel des Lobbyismus
       
       > Kohle- und Ölkonzerne sponsern die Klimakonferenz in Warschau. Unter
       > Protest haben mehr als 70 Umweltgruppen den Gipfel verlassen.
       
 (IMG) Bild: Wes Brot ich es, des Lied ich sing? Von der Airline Emirates gibt es 10 Prozent Rabatt für alle Konferenzteilnehmer.
       
       WARSCHAU taz | Die Frage war UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sichtlich
       unangenehm: „Die Weltgesundheitsorganisation WHO verbietet Werbung der
       Tabakindustrie. Warum macht das die Klimakonferenz nicht auch mit fossilen
       Industrien?“ Moons Antwort in der Pressekonferenz am Beginn der Woche:
       Aussperrung mache keinen Sinn: „Für eine Lösung des Klimaproblems brauchen
       wir die Energiekonzerne.“ Die globalen Umweltorganisationen sind anderer
       Meinung.
       
       Gestern verließen 70 Organisationen wie Greenpeace, WWF, Friends of the
       Earth und Oxfam unter Protest die Konferenz, gaben ihre Akkreditierungen ab
       und wollen nicht mehr wiederkommen. Der „Walk-out“ einen Tag vor den
       entscheidenden Sitzungen am Freitag solle den „in dieser Form noch nie
       dagewesenen Einfluss der Wirtschaftsverbände auf den Klimaschutzprozess“
       zeigen, sagte der deutsche BUND-Chef Hubert Weiger. „Die fossile Industrie
       hat die Klimakonferenz in Warschau okkupiert und macht es damit unmöglich,
       im Klimaschutz voranzukommen“.
       
       Tatsächlich ist der Einfluss der fossilen Lobbies auf die
       Klimaverhandlungen noch nie so deutlich geworden wie in Warschau. Die
       modische Filztasche für alle Teilnehmer mit Schreibblock, Handschuhen und
       Mütze und dem Logo der staatlichen polnischen Ölfirma „Lotos“ ist nur die
       sichtbare Spitze. Etwa ein Dutzend Firmen hat die polnische Regierung als
       Sponsoren für die 25-Millionen-Dollar teure Veranstaltung an Bord geholt.
       Die Firmen stellen Autos und Fahrdienste, bauen Konferenzräume auf oder
       stellen Trinkwasser und Papier für die insgesamt 11.000 Teilnehmer bereit.
       
       Auch bisher präsentierten sich auf den Konferenzen Lobbygruppen aus
       Energie, Landwirtschaft und Industrie genauso wie Kirchen, Umwelt- und
       Entwicklungsgruppen. Doch in Warschau gibt es zum ersten Mal offizielle
       Sponsoren. Die industriekritische Organisation „Corporate Europe
       Observatory“ (CEO) aus Brüssel hat eine umfassende Broschüre über diese
       „Auswahl der größten Klimaschurken der Geschichte“ erstellt. Zu ihnen
       gehören der größtenteils staatliche polnische Kohlekonzern PGE, der zwei
       riesige Braunkohleminen und mit Belchatow das Kohlekraftwerk mit dem
       höchsten CO2-Ausstoß in ganz Europa betreibt und ein neues Atomkraftwerk
       bauen will.
       
       ## Zehn Prozent Rabatte bei „Emirates“
       
       PGE-Chef Krzysztof Kilian gilt als enger Vertrauter von Ministerpräsident
       Tusk. Auf der Liste der Sponsoren steht außerdem der französische Konzern
       Alstom, der die Kohlekraftwerke des Landes mit Anlagen ausrüstet und an
       einem neuen 900-Megawatt-Kohleriesen mitarbeitet; dann der Stahlkonzern
       ArcelorMittal mit CO2-Emissionen wie ganz Tschechien und Lobbyarbeit gegen
       die Klimaziele in der EU und die Autohersteller BMW und General Motors.
       
       Die Fluggesellschaft „Emirates“ aus Dubai bietet zehnprozentige Rabatte für
       alle Gipfelteilnehmer und wehrt sich international gegen den
       Emissionshandel für Airlines. Dem Sponsor „International Paper“ wirft CEO
       Nähe zu den Klimaskeptikern vor. Schließlich ist auch der Ölkonzern „Lotos“
       dabei, der in der Ostsee nach Öl bohrt. „Diese Verschmutzer gefährden den
       UNFCCC-Prozess und unsere Zukunft“, schreibt CEO, „sperrt die dreckigen
       Unternehmen aus den Verhandlungszimmern aus!“
       
       Wie direkt der Einfluss der fossilen Industrien auf den Klimaschutz ist,
       zeigt eine aktuelle Studie des „Climate Accountability Institute“ in den
       USA. Demnach haben nur 90 weltweite Firmen fast zwei Drittel des bisherigen
       Klimawandels zu verantworten. Die Studie, die demnächst veröffentlicht wird
       und dem britischen Guardian vorliegt, hat für Aktiengesellschaften,
       staatliche Betriebe und direkte staatliche Industrie ihre Emissionen seit
       1750 zusammengestellt. Auf jeden dieser Sektoren entfallen etwa ein Drittel
       der historischen Emissionen. Die Hälfte des gesamten Kohlendioxids aus über
       260 Jahren wurde demnach erst in den letzten 25 Jahren produziert.
       
       An der Spitze der Klimasünder steht nach dieser Studie der Kohlebergbau in
       Russland und der Ex-UdSSR mit fast neun Prozent aller Emissionen, knapp
       gefolgt von der Kohleindustrie Chinas. Unter den Energiekonzernen in
       staatlicher Hand steht Saudi Aramco ganz oben, gefolgt vom russischen
       Energieriesen Gazprom. Auf das Kohlenstoff-Konto der privaten Konzerne
       stehen drei Prozent der weltweiten Emissionen für den US-Ölkonzern
       Chevron/Texaco, knapp gefolgt von ExxonMobil. Deutsche Unternehmen gibt es
       unter den Top-90 der Klimakiller zwei: RWE mit einem Anteil von 0,5 und die
       RAG Ruhrkohle mit 0,08 Prozent.
       
       21 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
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