# taz.de -- Rechtspopulisten in Schweden: Anonyme Hetze im Netz
       
       > Hinter der Maske der Anonymität ließen Politiker der „Schwedendemokraten“
       > im Internet so richtig die Sau raus. Doch ihre Identität wurde enthüllt.
       
 (IMG) Bild: Ohne Schwedendemokraten wäre Schweden gleich viel schöner
       
       STOCKHOLM taz | „Hoffentlich hungern sie sich zu Tode“, kommentierte das
       Pseudonym „folkkultur“ auf der ausländerfeindlichen schwedischen Website
       „Avpixlat“ einen Text über einen Hungerstreik von Flüchtlingskindern. Auch
       vom norwegischen Terroristen Breivik könne man in Schweden lernen, meinte
       „folkkultur“, dessen Taten würden sicher „im Licht der Geschichte anders
       beurteilt werden“.
       
       Jetzt weiß man, wer sich hinter „folkkultur“ versteckte: Marie S., eine
       54-jährige Lehrerin. Erst kürzlich war die Regionsvorsitzende der
       „Schwedendemokraten“ bei deren Parteitag in den nationalen Vorstand gewählt
       worden und wollte eigentlich im kommenden Jahr für den Reichstag
       kandidieren.
       
       Das wird sie vermutlich nicht mehr. Wenige Stunden nachdem am Dienstag die
       Boulevardzeitung Expressen „folkkultur“ mit bürgerlichem Namen, Anschrift,
       Foto, ihren Kommentaren und einem Internet-Videoclip präsentierte, erklärte
       S. ihren Verzicht auf alle Parteiämter. Von ihrem Lehrerjob wurde sie am
       gleichen Tag suspendiert. „So etwas ist mit unserem Menschenbild
       unvereinbar“, erklärte ihr Chef.
       
       Zehn weitere Mitglieder der „Schwedendemokraten“, vorwiegend
       Kommunalpolitiker, wurden in entsprechender Form mit ihren rassistischen
       Kommentaren an den öffentlichen Pranger gestellt. Sie hatten über „Neger“
       schwadroniert, ihnen „Bleib in Afrika und stirb“ gewünscht, meinten Hitler
       habe „schon recht“ gehabt, bezeichneten das KZ Auschwitz als
       „Entlausungsstation“ oder stellten den Holocaust infrage.
       
       ## Parteivorstand: Eine Minderheit
       
       Der Vorstand der Partei versprach Konsequenzen. Es sei „völlig
       inakzeptabel“, wenn man solche Meinungen vertrete, erklärte
       „Schwedendemokraten“-Parteisekretär Björn Söder, solche Personen hätten „in
       der Partei nichts verloren“. Gleichzeitig beschwerte er sich aber darüber,
       dass nun die ganze Partei Prügel bekomme, angesichts der einer
       „verschwindend kleinen Anzahl“ unter ihren 12.000 Mitgliedern.
       
       Wenn er sich da nicht täuscht. Am Mittwoch legte Expressen mit einer
       weiteren Sammlung rassistischer Kommentatoren in Wort und Bild nach.
       Gefüttert werden die Medien von einer antirassistischen „Researchgruppe“.
       Sie hat in monatelanger Arbeit und unter Ausnutzen einer Schwachstelle im
       weltweit genutzten Webseiten-Kommentarsystem „Disqus“ über 50.000
       Useraccounts von drei der populärsten den „Schwedendemokraten“
       nahestehenden ausländerfeindlich-rassistischen Foren unter die Lupe
       genommen.
       
       Man suchte sich 6.200 „Vielkommentierer“ heraus, die unter Pseudonym
       teilweise mehrmals täglich ihren Hass im Netz verbreiteten, und konnte ein
       Viertel sicher identifizieren. Für die Tageszeitung Fria Tidningen
       erstellte die „Researchgruppe“ eine Statistik der Hasskommentatoren: 20
       Prozent waren Frauen und 80 Prozent Männer. Alter der Mehrheit: zwischen 40
       und 59 Jahren.
       
       Auf die Enthüllungen der „Researchgruppe“ reagierte die Vorsitzende der
       schwedischen Piratenpartei, Anna Troberg, kritisch und fragte: „Wer hat das
       Recht, die Grenzen der Meinungsfreiheit und das Recht auf Anonymität zu
       bestimmen?“ Sie fordert, sich beim Kampf gegen rassistische
       Meinungsäußerungen auf gesetzliche Mittel zu beschränken, statt öffentliche
       Pranger einzurichten.
       
       Expressen-Redakteurin Anna Hellgren ist dagegen der Ansicht, dass man
       diesen Volksvertretern oder Kandidaten für öffentliche Ämter, die sich
       rassistisch äußern, die Hosen ausziehen müsse, damit den Wählern klar
       werde, welches rassische und neonazistische Gedankengut sich in vielen der
       sich gern „nationalkonservativ“ gebenden Biedermänner der
       „Schwedendemokraten“ in Wahrheit verstecke.
       
       11 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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