# taz.de -- Veranstaltung Heinrich-Böll-Stiftung: Mythos vom triebgesteuerten Täter
       
       > In der Berliner Heinrich Böll Stiftung suchten Experten nach den Ursachen
       > sexualisierter Gewalt gegen Kinder. Sie fordern mehr Rechte für
       > Minderjährige.
       
 (IMG) Bild: Missbrauch hinterlässt tiefe Spuren bei den Betroffenen.
       
       BERLIN taz | Und dann wirft Barbara Kavemann diese Grafik an die Wand: Ein
       Gestrüpp aus bunten Kästchen, Pfeilen, Schlagwörtern. „Das funktioniert
       interaktiv“, sagt die Gewaltforscherin: „Das kann ich Ihnen hier nicht
       zeigen, sondern nur erklären.“
       
       In der Heinrich Böll Stiftung in Berlin reden Experten Mitte der Woche über
       die Ursachen sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Es ist der
       Abschluss einer opulenten Veranstaltungsreihe der Grünen-nahen Organisation
       zum sexuellen Kindesmissbrauch. In den vergangenen Wochen ging es um Opfer
       und TäterInnen, um Schuld, die Grünen und die 68er. Nun also die Frage, wie
       es passieren kann, dass sich Erwachsene an Kindern vergehen?
       
       „Ein Kind zu missbrauchen ist total einfach“, sagt Maren Kolshorn vom
       Frauennotruf in Göttingen: Wenn die persönliche Hemmschwelle des Täters
       gering genug und das Kind schutzlos sei, könne das ganz schnell passieren.
       Die Psychologin schult MitarbeiterInnen von Kinder- und Jugendeinrichtungen
       im Umgang mit sexueller Gewalt. Dabei verlangt sie von den aufgeklärten,
       sozial und emotional kompetente Frauen und Männern, sich selbst als
       TäterInnen vorzustellen. Deren erster Impuls: Würgen. Ließen sie den
       Gedanken jedoch zu, seien sie später erschrocken, wie leicht ihnen die
       Rolle schließlich falle.
       
       Das weiß auch Dirk Bange. Es gebe nicht den einen Täter, sagt der Hamburger
       Erziehungswissenschaftler. Beispielsweise den gewaltbereiten und sexuell
       deformierten Alkoholiker aus der Unterschicht, so wie ein Tätermythos
       aussieht. Es gebe auch nicht den einen Grund, wie es zu Übergriffen auf
       Mädchen und Jungen kommt, sagt Bange: „Beim Missbrauch stoßen viele
       Faktoren aufeinander.“
       
       ## „Sehr theorielastig“
       
       Die Täter seien zwar tatsächlich überwiegend Männer, aber es gebe auch
       Frauen. Täter seien nicht in jedem Fall früher selbst Opfer gewesen und
       schon gar nicht ausschließlich „triebgesteuert“. Der Leiter der Abteilung
       Familie und Gleichstellung in der Hamburger Sozialbehörde nennt seine
       Erkenntnisse das „multifaktorelle Modell“.
       
       Überhaupt beherrschen „Modelle“ den Abend: Es ist vom Triebstaumodell die
       Rede, vom Dreiperspektivenmodell, vom Perpetrationmodell. „Sehr
       theorielastig“ werde es in den nächsten Stunden, warnt zu Beginn der
       Veranstaltung Thomas Schlingmann, Traumaberater bei Tauwetter, einer
       Beratungsstelle für missbrauchte Jungen und Männer in Berlin.
       
       Was aber fängt man an mit all diesem kognitiven Wissen? Was haben die Opfer
       davon? Und was die unterfinanzierten Beratungsstellen? Die Experten sind
       sich einig: Kinder brauchen mehr Rechte, die Abwertung von Frauen müsse ein
       Ende haben. Missbrauch in den Familien sei unter anderem möglich, weil
       Mütter häufig schwach seien. Strafen für Täter sollten verschärft werden.
       Barbara Kavemann: „Jetzt glauben die Täter das Recht zu haben, Kinder
       benutzen zu können.
       
       16 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Heinrich-Böll-Stiftung
 (DIR) Sexuelle Gewalt
 (DIR) Missbrauch
 (DIR) Kinder
 (DIR) Jugendliche
 (DIR) Kindesmissbrauch
 (DIR) Sexuelle Gewalt
 (DIR) sexueller Missbrauch
 (DIR) Familie
 (DIR) Vatikan
 (DIR) Kinder der sexuellen Revolution
 (DIR) Kinder der sexuellen Revolution
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Hohe Missbrauchszahlen: Behörden kommen nicht hinterher
       
       Kindesmissbrauch bleibt auf konstant hohem Niveau. Jugendämter sind
       überfordert, Ermittlern fehlt Personal und im Netz verbreiten sich Bilder
       rasant.
       
 (DIR) Theater gegen Missbrauch: Pizza essen mit dem Onkel
       
       Das Projekt „GrenzWerte“ will Kinder gegen sexuelle Grenzüberschreitungen
       sensibilisieren. Auch Oma-Küsse und schmierige Sportlehrer sind Thema.
       
 (DIR) Fonds Sexueller Missbrauch: Mehr als 700 Anträge in diesem Jahr
       
       Bisher haben 720 Opfer von familiärem sexuellem Missbrauch Hilfe beantragt.
       Betroffene kritisieren aber, die Unterstützung reiche nicht aus.
       
 (DIR) Debatte Sexueller Missbrauch: Du Opfer!
       
       Viel wurde im Sommer über sexuelle Gewalt an Kindern debattiert – fast
       folgenlos. Die Stigmatisierung der Opfer ist geblieben und damit das
       Schweigen.
       
 (DIR) Hilfe für Opfer sexueller Gewalt: Papst setzt Missbrauchsausschuss ein
       
       Franziskus setzt ein Gremien zum Schutz von Kindern ein. In den vergangenen
       Jahren kam es zu Tausenden Missbrauchsfällen in der Katholischen Kirche.
       
 (DIR) Missbrauch und sexuelle Revolution: „68 hat mich gerettet“
       
       Winfried Ponsens wurde in einem katholischen Internat Opfer sexueller
       Gewalt. Trotz ihrer Widersprüche befreite ihn die 68er-Bewegung. Ein
       Protokoll.
       
 (DIR) Die Grünen und die sexuelle Revolution: Kindliche Sexualität „falsch gedeutet“
       
       Die 50er Jahre waren extrem sexualfeindlich, sogar Onanie wurde bestraft.
       Das wollten die Grünen aufbrechen – und verharmlosten den Sex mit Kindern.