# taz.de -- Die Zeichen in Kiew stehen auf Sturm: Staatsmacht stellt sich taub
       
       > In Kiew haben sich erneut gewaltbereite Demonstranten Kämpfe mit der
       > Polizei geliefert. Oppositionschef Klitschko sieht auch Provokateure am
       > Werk.
       
 (IMG) Bild: Wurde auch schon Ziel von Angriffen: Vitali Klitschko, weiß von Löschmittel aus einem Feuerlöscher.
       
       BERLIN taz | In der ukrainischen Hauptstadt Kiew stehen die Zeichen weiter
       auf Gewalt. Am Dienstag kam es erneut zu Zusammenstößen zwischen
       Demonstranten und der Polizei. Sicherheitskräfte versuchten vergeblich,
       Barrikaden in der Nähe von Regierungsgebäuden zu räumen. Regierungsgegner
       warfen Brandbomben und Steine auf Polizeibeamte, die mit Blendgranaten,
       Tränengas und Gummigeschossen reagierten.
       
       Auch in der Nacht zu Dienstag hatten sich gewaltbereite Demonstranten
       wieder Straßenschlachten mit der Polizei geliefert. Seit dem Ausbruch der
       gewalttätigen Auseinandersetzungen am vergangenen Wochenende wurden über
       200 Personen verletzt.
       
       Nach Angaben des Innenministeriums seien bisher 32 Verdächtige festgenommen
       worden. Etwa einem Dutzend von ihnen droht eine mehrjährige Haftstrafe
       wegen der Beteiligung an Massenunruhen.
       
       Der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko warf der Führung um
       Staatspräsident Wiktor Janukowitsch vor, sie wolle die Situation
       destabilisieren und Chaos schaffen. Schläger seien in die Hauptstadt
       gebracht worden, um Autos anzuzünden, Schaufenster einzuschlagen, zu
       stehlen und Prügeleien zu provozieren, behauptete der Exboxweltmeister. Er
       selbst habe zwei Provokateure gestellt. Gleichzeitig räumte Klitschko ein,
       dass die Opposition die Bewegung nicht mehr unter Kontrolle habe.
       
       Der Chef der Oppositionspartei Batkiwtschina („Vaterland“), Arsenij
       Jazenjuk, machte Janukowitsch für die jüngsten gewaltsamen Entwicklungen
       verantwortlich. „Da sich die Staatsmacht taub stellt, haben die Menschen
       jetzt das Recht von friedlichen zu nichtfriedlichen Formen des Protestes
       überzugehen“, zitiert das Internetportal Ukrainska Pravda den Politiker.
       
       Noch am Sonntag hatte Janukowitsch direkte Gespräche zwischen Regierung und
       Opposition in Aussicht gestellt, um nach einem Ausweg aus der politischen
       Krise zu suchen. Doch anstelle von Gesprächen überbrachten Unterhändler am
       Montagabend Vertretern der Regierung lediglich die Forderungen der
       Opposition: den Abzug der Sicherheitskräfte und Sondereinheiten „Berkut“
       aus dem Zentrum von Kiew sowie ein Ende der Gewalt, die Rücknahme der
       „diktatorischen“ Gesetze und den Rücktritt der Regierung.
       
       Die sogenannten diktatorischen Gesetze waren in der vergangenen Woche in
       Rekordzeit durchs Parlament gepeitscht und von Janukowitsch unterzeichnet
       vor. Sie sehen massive Einschränkungen der Versammlungs- sowie
       Pressefreiheit vor und sollen an diesem Mittwoch in Kraft treten.
       
       ## Eine Frage von Tagen
       
       Andrej Nesterko, Journalist aus Kiew, befürchtet das Schlimmste. „Eine
       Eskalation kann eine Frage von Tagen, aber auch von Stunden sein“, sagt er.
       Die radikal eingestellten Demonstranten hätten sowieso nichts mehr zu
       verlieren und stünden wegen der jüngst verschärften Gesetze ohnehin mit
       einem Bein im Gefängnis. „Die sind zu allem entschlossen“, sagt Nesterko.
       
       Unterdessen meldete sich auch Russlands Außenminister Sergei Lawrow zu
       Wort. Die Situation in der Ukraine drohe außer Kontrolle zu geraten, sagte
       er. Der Westen trage eine Mitschuld an den Gewaltexzessen. Durch ihre
       Teilnahme an den Protesten auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz (Maidan)
       versuchten Politiker westlicher Staaten Gewalt zu provozieren.
       
       Die Ereignisse in Kiew taugen nicht nur dafür, den Westen zu kritisieren,
       sondern liefern auch noch einen Vorwand, um die Daumenschrauben in Russland
       weiter anzuziehen. Entsprechend dem Gesetz über
       Nichtregierungsorganisationen sollen sich Medien, die finanzielle Mittel
       aus dem Ausland erhalten und über politische Ereignisse berichten, künftig
       als „ausländische Agenten“ registrieren lassen müssen.
       
       21 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
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