# taz.de -- Die Wahrheit: Das war kein Salchow!
       
       > Zu den beliebtesten Disziplinen der Winterspiele gehört neben Brüllhusten
       > und Knallniesen auch das Hervorkramen unnützen Wissens.
       
 (IMG) Bild: Dudelt nachts krank vor sich hin, das Hirn.
       
       O mein Gott, es ist Winterolympiade! Zeit, krank zu werden, um den neuen
       Schleim-im-Hals-Rekord zu brechen. Dann auf dem Sofa liegen und süchtig
       Biathlon glotzen, hinterher aber nicht mehr wissen, warum eigentlich. Das
       gehört bei mir zum Vollbild der durch Schnupfenviren erzeugten
       Februardepression.
       
       Obwohl ich umgeben bin von Brüllhustern und Knallniesern, funktioniert es
       in diesem Jahr nicht. Nein, ich fühle mich noch gut, trotz der Menschen,
       deren krankheitsteigige Blassvisage zwei Zentimeter vor meinem kerngesunden
       Rotgesicht auftaucht, und die mir ihren Todesatem direkt in die Nase
       röcheln: „Ich gebe dir mal nicht die Hand, ich bin nämlich erkältet.“
       
       Ich stecke mich nicht an, aus Trotz vielleicht oder weil ich zu alt für
       diesen Scheiß bin. Da das Eis schon wieder weg ist, breche ich mir diesmal
       auch nichts. Also bin ich deutlich zu gesund für langweilige Sportarten.
       Skirennen! Slalom! Mein Gott, ja. Einer fährt den Berg runter, und dann
       noch einer. Interessant soll dabei sein: die eingeblendete Stoppuhr. Für
       mich könnten sie auch nur die Stoppuhr zeigen, das hätte jedenfalls was.
       Über Skilanglauf brauchen wir gar nicht erst zu reden, wie sie da um die
       Kurven keuchen, immer schön einer nach dem anderen, während die Ziffern der
       Stoppuhr unerbittlich grazil durch die Zeit jagen. Beim Skilanglauf gefällt
       allein der zappelige Massenstart.
       
       Beim Rodeln und Bobfahren soll es theoretisch möglich sein, mitsamt dem
       Hightech-Geschoss aus der Bahn zu fliegen. Deswegen gucke ich mir das nicht
       an, ich will keine gruseligen Träume. Abgesehen davon: Wenn niemand aus der
       Bahn fliegt, wird es auch schnell langweilig.
       
       Arno Schmidt schätzte Eiskunstlauf im Fernsehen. Er mochte ja auch Grzimeks
       „Ein Platz für Tiere“. Eiskunstlauf habe ich früher auch mal gesehen, denn
       ich habe als Kind sogar selbst Eiskunstlauf betrieben. Ich tat das, weil
       ich eine elegante Elfe werden wollte. Mit dem Wachsen gab ich den Plan dann
       auf; es ist zwar nicht genau bekannt, wie Elfen aussehen, aber man hat
       meines Wissens noch nie von welchen gehört, die über Einmeterachtzig maßen.
       Mit Kufen noch fünf Zentimeter mehr.
       
       Immerhin kann ich nun den Kommentator korrigieren: „Das war kein Salchow,
       du Horst! Das war ein Lutz!“ Aber er antwortet nicht, und sonst auch
       keiner. Eiskunstlauf fegt Sofa leer. Eislaufsprünge erkennen ist eine der
       überflüssigsten Skills in meinem Leben.
       
       Bleibt nur Eishockey. Während meiner Prüfungsvorbereitung an der Uni
       glotzte ich mal ein ganzes Turnier weg, statt zu lernen. Ich hoffte, dass
       ich mir Helm und Stock für die Prüfung ausleihen könnte. Darüber hinaus
       betete ich, dass Eislaufsprünge abgefragt würden, aber es ging dann leider
       doch um den deutschen Entwicklungsroman im 18. Jahrhundert. Wilhelm
       Meister? War das nicht der Erfinder der Zweiminutenstrafe? Oder doch des
       Crosschecks? Trotzdem bekam ich mein Examen. Und gleichzeitig einen
       höllischen Schnupfen mit Schleim-im-Hirn-Rekord.
       
       11 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Fischer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Sotschi
 (DIR) Winterspiele
 (DIR) Eiskunstlauf
 (DIR) Erkältung
 (DIR) Hamburg
 (DIR) Gehirn
 (DIR) Nachbarn
 (DIR) Valentinstag
 (DIR) Jahreswechsel
 (DIR) Spam
 (DIR) Konsum
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Wahrheit: Warnung vor dem Stöckelschuh
       
       Schmonzettenqueen Ildikó von Kürthy zieht in ihrem neuen Roman nach Hamburg
       und gleich weiter in ein Labyrinth aus schiefen Bildern und betrunkenen
       Treppen.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Hirn, Hirn, wenn ich das schon höre
       
       Die Gedankenwege des menschlichen Gehirns verlaufen immer wieder
       überraschend und nicht immer zum eigenen Vorteil.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Von Mardern und Menschen
       
       Sogar temporäre Nachbarn sind anstrengende, weil lärmende Wesen. Ganz
       besonders wenn sie im Zug ihre Sekretärinnen anpfeifen.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Neun Minuten Trieb
       
       Flirten schwer gemacht: Beim süßlich-scharfen Speed-Dating am Valentinstag
       kommen sowohl Beklemmungen als auch Erinnerungen an Verflossene hoch.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Steilvorlagen für schlechte Laune
       
       Den Jahreswechsel verbringe ich inzwischen am liebsten mit einem Arzt,
       einer Spezialistin für Gewaltprävention und einem Jazzmusiker.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Stille Post, heilige Post
       
       Die alltäglichen Quälgeister der Elektrokommunikation und ihre sagenhaften
       Umgangsformen.
       
 (DIR) Die Wahrheit: In der Paybackhölle
       
       „Haben Sie eine Kundenkarte?“ Ich hasse diese Frage. Warum ich einfach mal
       so an der Kasse blechen und nicht länger an kapitalistischen Auswüchsen
       leiden will.