# taz.de -- Die Wahrheit: Warnung vor dem Stöckelschuh
       
       > Schmonzettenqueen Ildikó von Kürthy zieht in ihrem neuen Roman nach
       > Hamburg und gleich weiter in ein Labyrinth aus schiefen Bildern und
       > betrunkenen Treppen.
       
 (IMG) Bild: Dudelt nachts krank vor sich hin, das Hirn.
       
       Schriftsteller scheinen zu glauben, dass chronischer Ideenmangel durch
       einen simplen Ortswechsel aus der Welt geschafft werden kann. Todesmutige
       Berliner Hipsterautoren stürzen sich deswegen in die deutsche Provinz. Nach
       allem, was man hört, bleibt die Provinz davon relativ ungerührt. Ich
       jedenfalls habe die Bücher nicht gelesen, ich wohne auf dem Lande und weiß
       schon alles darüber: Nix los. Da widme ich meine Zeit doch lieber
       unrealistischen amerikanischen Fernsehserien mit hohem Gewaltanteil, als
       mir von Hauptstädtern was über mein Leben erzählen zu lassen. Könnten die
       nicht mal was über Berlin berichten? Über die hippen Clubs und so? Oder
       werden sie da nicht reingelassen?
       
       Den Vogel schießt derzeit Madame von Kürthy ab, die sich für ihren neuen
       Roman „Sternschanze“ tatsächlich getraut hat, den Hamburger Stadtteil zu
       wechseln. Von Harvestehude ins Schanzenviertel! Was für ein Abenteuer! Als
       gäbe es keine Gentrifizierung. Gelangweilte reiche Tusse sucht im
       aufgebrezelten ehemaligen Glasscherbenviertel nach dem wahren Leben.
       Vielleicht kommt sie ja auch nicht in die hippen Clubs.
       
       Aber auch ich schrecke vor Selbstversuchen nicht zurück. Ich habe nämlich
       genauso viele Seiten von „Sternschanze“ gelesen, wie man darf, ohne für den
       Quatsch bezahlen zu müssen. Ich geriet in ein Labyrinth aus schiefen
       Bildern, banalen Adjektiven, rätselhaften Zuschreibungen und
       weitschweifigen Erläuterungen. Das Schicksal ist „verhängnisvoll“, die
       künstlichen Wimpern sind „lang“. Wer würde sich auch kurze ankleben wollen?
       Und damit dann noch in ein verhängnisfreies Schicksal geraten? Was aber mag
       ein „herzschlagendes Versprechen“ sein? Und möchte man über eine Frau
       lesen, deren Selbstbewusstsein und Body-Mass-Index „zusammengewachsen sind
       wie siamesische Zwillinge“?
       
       Nein, nicht wenn das Buch von einer Frau geschrieben wurde, deren Hirn mit
       dem ihres Lektors siamest, während beiden eine Stilblüte nach der anderen
       durchrutscht, bis sie „verblassen wie Polaroids im Schuhkarton“. Oh
       Verzeihung, das tun bei Kürthy natürlich die Gefühle. Wahrscheinlich
       kriegen sie vorher einen Blaustich.
       
       Erst wird aber von der ehemals „knackigen Möhre“ noch ein „Gefühls-Tsunami“
       erlitten. Den bekomme ich ebenfalls, wenn ich lesen muss, dass sie Bier ein
       „alkoholhaltiges Hefegetränk“ nennt. Ein Synonym wie frisch aus dem
       Kreuzworträtsel abgeschrieben. Falls irgendjemand nicht wissen sollte, was
       ein Tsunami ist, erklärt sie es sicherheitshalber: „Gerade noch ist das
       Meer völlig unbewegt, und Sekunden später befindest du dich in einem
       atemberaubenden Sturm.“ Aha. Bisher hatte ich geglaubt, dass man von einer
       Riesenwelle weggespült wird, aber die reichen Leute wissen das bestimmt
       besser. Am Ende erfreut mich noch die „Wendeltreppe, die betrunken und mit
       hochhackigen Schuhen eine echte Herausforderung darstellt“. Auch
       Harvestehuder haben ihre Sorgen. Falls meine Treppe sich jemals betrinken
       und im Haus herumstöckeln sollte, werde ich gewarnt sein.
       
       13 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Fischer
       
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