# taz.de -- Die Wahrheit: Neun Minuten Trieb
       
       > Flirten schwer gemacht: Beim süßlich-scharfen Speed-Dating am
       > Valentinstag kommen sowohl Beklemmungen als auch Erinnerungen an
       > Verflossene hoch.
       
 (IMG) Bild: Dann doch lieber zum Blumenhändler.
       
       „… zu Ihrem gebuchten Speed-Dating am Valentinstag möchten wir Sie bitten,
       sich pünktlich um 19 Uhr 30 in der Lounge des Hotels einzufinden.“ 
       
       Im hinteren, schummrig beleuchteten Drittel der Hotellobby entdecke ich den
       Tisch. Schmal, lang, zum Essen wenig geeignet. Allein der Anblick treibt
       meinen Puls vierzig Schläge höher. Damit liege ich für eine Frau im
       zweitbesten Alter deutlich im pathologischen Bereich.
       
       Ich flüchte an die Bar. Der Mann hinter der Theke gehört in die Kategorie
       „Hip, gestylt, gegelt“. Solche Männer interessieren sich niemals für mich.
       Ich interessiere mich allerdings immer für sie.
       
       „Sie können den Drink gleich zum Tisch mitnehmen“, sagt der Gegelte. Ich
       erstarre. Er hat sofort erkannt, dass ich an diesen Tisch gehöre. „Sie
       machen das zum ersten Mal“, konstatiert der Gegelte. „Nein, nein“, behaupte
       ich souverän, „ich hab da schon einige Erfahrung.“
       
       ## Der Gegelte mit Profilächeln
       
       Erst als der Gegelte sein mitleidig professionelles Lächeln an meinem
       Körper entlangwandern lässt, wird mir klar, dass es nicht für mich spricht,
       Erfahrung im Speed-Dating zu haben. Der Blick des Gegelten driftet ab zu
       einem Mann im besten Alter, also ungefähr so alt wie ich, drei Barhocker
       weiter. Noch so einer, der niemanden findet im realen Leben, ein einsamer
       Loser.
       
       Eine zu blonde Frau erscheint an der Bar und führt uns zur Hinrichtung.
       Vierzehn Stühle, an jeder Seite sieben. Sieben Frauen auf der einen, fünf
       Männer auf der anderen. Der Sechste hetzt gerade in die Lobby und nimmt auf
       dem Stuhl mir gegenüber Platz. Die zu Blonde stellt einen übergroßen,
       peinlichen Wecker in die Mitte und gibt das Zeichen für den ersten Kontakt.
       Der Mann gegenüber perlt auf der Nase, seine süßlich-scharfen Ausdünstungen
       lösen leichte Übelkeit aus. Nervös stottert er sich durch den ersten Satz:
       „Wirklich schlimm in der Großstadt … ähm, nirgends Parkplätze …“
       
       ## Erlösendes Klingeln
       
       Wir verbringen neun Minuten mit den Parkplatzproblemen deutscher
       Metropolen. Das Klingeln des Weckers macht mich glücklich – zum ersten Mal
       in diesem Jahr. Zum Glück haben wir erst Mitte Februar, da löst das noch
       keine Depression aus.
       
       Kandidat Nummer zwei stellt die Hobbyfrage, die mich immer sprachlos macht,
       weil ich keine Hobbys habe. Kandidat Nummer drei ist unsagbar fett. Ich
       stelle fest, Einstein hatte recht mit der Relativität. Je näher man einer
       Masse kommt, desto langsamer vergeht die Zeit.
       
       ## Ein neuer Vorsatz
       
       Stuhl Nummer vier ist leer. Ich habe Zeit, die Kandidaten zu betrachten.
       Der Mann von der Bar verschlingt gerade seine Enkelin gegenüber mit den
       Augen.
       
       Mann Nummer fünf hat die großporige, aufgequollene Haut eines Harald
       Juhnkes und trinkt Whiskey. Mann Nummer sechs sieht aus wie meine erste
       große Liebe. Die war mein Mathelehrer und dreißig Jahre älter als ich.
       Dreißig Jahre älter sind ungefähr vierzig zu viel. Ich stehe auf und
       verlasse die Hotellobby.
       
       Vor dem Blumenladen nebenan steht eine ziemlich lange Schlange. Der
       attraktive Blumenhändler lächelt mir durch die Scheibe zu. Endlich habe
       auch ich einen guten Vorsatz fürs neue Jahr. Ich will einen Blumenhändler
       heiraten.
       
       14 Feb 2014
       
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