# taz.de -- Das Altern der Männer: Wir haben’s auch nicht leicht
       
       > Frauen verwelken mit den Jahren, Männer werden interessant, heißt es. Von
       > wegen. Auch Mittfünfziger müssen die Arbeit am Körper aufnehmen.
       
 (IMG) Bild: Auch im Alter: „Fußball macht Spaß und hält fit.“
       
       Einst war ein Mittfünfziger ein alter Sack für mich. Das klang schon nach
       Vorhof zur Rente, und bei dem Gedanken an Rente zogen dunkle Wolken auf:
       Gebückt schlichen glatzköpfige Männer durch die Straßen, jede Treppe eine
       Herausforderung, jeder Ausstieg aus dem Bus ein Wagnis. Wenn sie Glück
       hatten, kamen sie noch ohne Stock aus, wenn es das Schicksal weniger gut
       mit ihnen meinte, waren sie auf den Rollator angewiesen. Sprechen konnten
       sie noch ganz gut, auch wenn es manchmal etwas länger dauerte. Mit ihnen
       Fußball spielen war undenkbar.
       
       Jetzt bin ich selbst Anfang 50 und denke immer noch, ich sei nicht alt.
       Dabei muss ich mir inzwischen die Haare auf dem Rücken rasieren, aus Nase
       und Ohren sprießen sie sowieso schon eine gefühlte Ewigkeit, und der Bauch
       ist seit 20 Jahren Thema.
       
       Unterhielten sich letztens drei Freunde Mitte 50 über ihre Versuche, sein
       Wachstum in Grenzen zu halten: „Wie machst du es?“ „Ich frühstücke nicht.
       Vor 12 ess ich gar nichts.“ „Und du?“ „Bei mir ist’s andersrum. Ich ess
       nach 6 nichts mehr.“ „Und du?“ „Weniger Bier. Klappt aber nicht so
       richtig.“ Nach einer Umfrage der amerikanischen Zeitschrift Psychology
       Today waren 1972 nur 15 Prozent aller amerikanischen Männer mit ihrem
       Aussehen insgesamt unzufrieden, 1997 waren es 43 Prozent. Männer haben’s
       auch nicht leicht.
       
       Oder jedenfalls: Sie haben es schwerer als früher, als Susan Sontag
       schrieb, Männer hätten es leichter – weil es einen doppelten Standard des
       Alterns gebe. Für die weibliche Schönheit gebe es nur eine Norm, die
       erlaubt sei: die des Mädchens. Wir Männer hätten dagegen den großen
       Vorteil, dass uns unsere Kultur zwei Normen von Schönheit zubillige: die
       des Jungen und die des Mannes. Zwar kenne jeder auch schöne ältere Frauen,
       aber ihre Schönheit würde sich daran bemessen, wie weit sich die Frauen ein
       jugendliches Aussehen bewahrt hätten. Ein Äquivalent zum Standard des
       reifen Mannes würde für Frauen nicht existieren, jede Runzel, jede Falte,
       jedes graue Haar sei eine Niederlage.
       
       Vierzig Jahre hat diese Theorie jetzt auf dem Buckel. Eine lange Zeit in
       der Epoche der Emanzipation. Aber wenn Männer nach 20 Jahren Ehe ihre Frau
       für eine 20 Jahre Jüngere verlassen, wird sie noch immer gern bemüht. Die
       Verlassenen finden sich dann abgestellt, während die Männer neu starten.
       Frauen fühlen sich mit 50 angeblich bestattungsreif – und Männer gründen
       fröhlich eine zweite Familie. Gerhard Schröder ist – in vierter Ehe – mit
       einer 19 Jahre jüngeren Frau verheiratet, Joschka Fischer bringt es – in
       fünfter Ehe – auf 32 Jahre Altersunterschied.
       
       Mal abgesehen davon, dass einen das eher peinlich berührt – auf die
       Gesellschaft hochgerechnet, werden aus Einzelfällen schnell Legenden.
       Männer sind nämlich keineswegs so verrückt nach deutlich jüngeren Frauen,
       wie diese Legenden glauben machen.
       
       Große Altersunterschiede sind in der Realität eher die Ausnahme. Laut
       Statistischem Bundesamt trennt lediglich 6 Prozent aller Paare ein
       Altersunterschied von mehr als zehn Jahren. Bei fast der Hälfte sind es nur
       ein bis drei Jahre. Genau gleich alt ist jedes zehnte Paar. Und nicht zu
       vergessen: Es sind immer noch deutlich mehr Frauen als Männer, die die
       Scheidung beantragen, 52,6 Prozent gegenüber 39,6 Prozent.
       
       ## Zweite Familie als Armutsrisiko
       
       Das ist die Krux der romantischen Liebe: dass Partnerschaft heute mehr sein
       will als sexueller Tauschakt und Aufzuchtgemeinschaft und deshalb auch in
       die Brüche gehen kann. Wenn Kinder dranhängen, dann war das mal eine
       Familie, eine Kernfamilie. Aber schon beim zweiten Versuch passte das Wort
       nicht mehr, denn da gab es ja schon ein Kind aus der ersten Beziehung.
       
       Irgendwann kapierte ich, was für eine dämliche Idee das ist in diesen
       Zeiten und dass es damit ein Ende haben sollte. Ich bin Anfang 50, und auch
       für mich geht die Zeit der Nachwuchsproduktion langsam zu Ende. Zwar ist
       der Neustart immer eine Option. Nur hängt er auch am Geld. Bei Einkünften
       nahe dem Medianeinkommen wird der Gedanke an die Gründung einer weiteren
       Familie zum Armutsrisiko: Wenn die Neugründung ebenfalls scheitert, kann
       ich schon mal die Männer-WG in Berlin-Marzahn ins Auge fassen.
       
       Sollte man überhaupt in die Verlegenheit kommen, eine 20 Jahre jüngere Frau
       kennenzulernen, könnte man sich jenseits ökonomischer Vernunft natürlich
       auch – frei nach den Marx Brothers – die ganz grundsätzliche Frage stellen:
       Will ich mit einer Frau zusammen sein, die so einen alten Sack wie mich
       will? Selbst in Zonen ausgeprägter Einkommens- und Machtgefälle scheinen
       die Eliten nicht mehr ganz frei von solcherart Zweifeln zu sein, denn auch
       die Besserverdienenden suchen sich mehr und mehr ihresgleichen.
       
       Männer sind meist besser sozial abgesichert als Frauen. Altern wir deshalb
       besser? Wir arbeiten zu viel und gehen seltener zum Arzt. Deutlich mehr
       Männer als Frauen sind übergewichtig sowie anfällig für Herzinfarkt und
       Schlaganfall. Männer sterben früher. Das Altern wird zur schiefen Bahn,
       wenn wir aus dem Berufsleben ausscheiden.
       
       Für viele bricht dann die identitätsstiftende Säule weg, Macher, Ernährer
       zu sein, einen Platz draußen im Leben zu haben. Da wird dann der Ruhestand
       zum Tal der Depressionen. „Alt“ sein will also keiner – auch wir Männer
       nicht. Nach einer Umfrage ist man erst mit 59 alt. Für 63- bis 96-jährige
       Männer sogar erst mit 72, und keiner der Befragten stufte sich selbst als
       „alt“ ein.
       
       ## Arbeit am eigenen Körper
       
       Für Männer um die 50 ist das noch weit weg. Auf dem Spielfeld der Liebe
       aber müssen auch wir schon zulegen. Sogar Silvio Berlusconi, Milliardär und
       italienischer Ministerpräsident a. D., lässt sich mit Botox aufspritzen –
       um schön genug für seine Rubys zu sein. Nun mag einem Berlusconi wie die
       Fratze des Schönheitswahns vorkommen.
       
       Aber wenn selbst Fußballlegenden wie Jürgen Klopp und Wayne Rooney sich die
       Haare verpflanzen lassen, um nicht kahlköpfig zu sein, dämmert es auch den
       Letzten: Wir kommen nicht umhin, die Arbeit am Körper aufzunehmen. Mit
       einer Tannenbaum-Figur ist nichts mehr zu holen. Bodyshaping ist angesagt.
       Nicht mehr Bondgirls wie Ursula Andress oder Halle Berry steigen aus den
       Fluten, sondern Daniel Craig, der Bond selbst. Auch Männer sind also medial
       vermittelten Schönheitsidealen ausgesetzt.
       
       Am Montag spiele ich wieder Fußball, wie jede Woche, seit Jahren. Das macht
       Spaß und hält fit, und gute Leute trifft man da auch. Ein toller Sport. Was
       aber mach ich, wenn ich alt bin? Vielleicht einfach: alt sein?
       
       11 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Mahlke
       
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