# taz.de -- Die Wahrheit: Korrekturfehler
       
       > Was zum Teufel ist „mirgen“ und was soll „murgen“ sein? Waren hier Jandls
       > Erben am Werk? Eine Urlaubs-SMS „aus dem total verwundeten Gomera!“
       
 (IMG) Bild: Die Spieler überfordert der schnelle Wechsel der Bandenwerbung
       
       Ich wollte eine Urlaubs-SMS schreiben. Statt einer Postkarte. Draußen
       stürmte es mächtig, ich saß windgeschützt im Valle Gran Rey. Ich tippte:
       „Beste Grüße aus dem total verwindeten Gomera!“ Und schickte ab. Sofort kam
       die Antwort: „Was ist denn Schlimmes mit der Insel passiert?“ Ich war
       irritiert. „Wieso schlimm?“, fragte ich nach. „Wegen verwundet!“, lautete
       die Antwort.
       
       Ich hatte abgesandt, ohne Korrektur zu lesen. Mein smartes Fon hatte mir
       Worte vorgeschlagen, die ich scheinbar akzeptiert hatte. Nun stand da
       tatsächlich „… aus dem total verwundeten Gomera!“
       
       Ich hasse dieses automatische Wortkorrekturprogramm in meinem Handy, das
       einem beim Tippen Vokabeln mit gänzlich anderer Bedeutung vorschlägt. Und
       wenn man dann nicht aufpasst – schwups! –, hat sich ein total
       verfälschender Fremdausdruck in dein literarisches Miniwerk gedrängt.
       
       Als ich an „Ulla“ schrieb, ich liebte sie, erhielt sie eine SMS mit „Lola,
       ich liebe dich!“. Die Folgen sind vorstellbar. Es dauerte Tage, diesen
       Systemfehler als solchen glaubhaft zu erklären, und ein Rest Misstrauen ist
       bei Ulla geblieben. Das schöne Wort „morgen“ wurde bei mir schon zu
       „mirgen“, „murren“ und „murgen“. Was zum Teufel ist „mirgen“ und was soll
       „murgen“ sein? Warum denkt sich mein Gerät vollkommen neue, sinnentleerte
       Wörter aus? Hat ein Experimentallyriker das Gerät programmiert? Waren hier
       Jandls Erben am Werk? Ist das „Neue Poesie“?
       
       ## Tirade gegen „Laubbläser“
       
       Für „Dostojewski“ liefert mein Handy erst „Distinktion“, dann „Distrikt“.
       Am Ende „DOS“. Die nächste SMS an Ulla lautete: „An dich!“. Mein Handy
       versandte: „Anbruch!“. Danach begann sie mir langsam zu glauben. Aus
       „Schulfoyer“ wurde „Schuldiger“. Aus „Eastwood“ wurden „Radreisende“! Aus
       „Burroughs“ wurde „voreiligste“. Von Kino und Literatur hat das Gerät
       jedenfalls keine Ahnung. Auch nicht von Fremdsprachen. „Danke!“ auf
       Finnisch heißt „kiitos!“. Ich aber schrieb einer deutschen Freundin auf
       Finnland-Reise auf ihre freundlichen SMS-Grüße zurück: „Koitus!“
       
       Ich schrieb „Grüße aus Nettelstedt“ und verschickte erst „Grüße aus
       Bettelärmste“ dann „Grüße aus Bettelstudent.“ „Unruhige Tage“ verwandelten
       sich in meinem Postausgang zu „neunäugigen Tagen“, „Bierbrauerei“ wurde
       „Bierquälerei“.
       
       Wurde ich philosophisch, wurde das Handy seltsam: „Jeder ist seines Glückes
       Schmidt.“ Mein „Moinsen“ wurde in den letzten Wochen erst zu „Minden“ –
       seltsam als Begrüßungsformel – dann zu „Moosen“. Ist das der Dativ von
       „Moose“? Oder „Moinsen“ auf Estnisch? Schließlich wurde es gar zu
       „Ominöse“, was mir – als Anrede verwendet– Ulla schon wieder übel nahm.
       
       Ich sendete eine Tirade gegen „Laubbläser“, die mein Gerät zu „Alaunstift“
       wandelte. Ulla fragte: „Was hast du denn so sehr gegen Alaunstifte?“. Als
       ich wegen des „Tatorts“ etwas zu „Tukur“ versenden wollte, stand dort wie
       von Geisterhand getippt „Zukurzgekommene“.
       
       Seit mein Gerät ihr aber nun statt „Beste!“ einfach „Beate!“ schickte,
       scheint es endgültig mit uns vorbei zu sein.
       
       20 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Gieseking
       
       ## TAGS
       
 (DIR) SMS
 (DIR) Mütter
 (DIR) Hannover 96
 (DIR) Ostwestfalen
 (DIR) Bundeswehr
 (DIR) Handwerk
 (DIR) Vegetarismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Wahrheit: Wie das alles riecht
       
       Wer auswärts essen geht, muss verbal so einiges Olfaktorisches über sich
       ergehen lassen.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Der Ball ist weg
       
       Wenn tausende LED-Lampen immer neue Bandenwerbung einblenden, konzentriert
       sich im Fußballstadion niemand mehr auf das Spiel.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Von rechts auf das Pferd
       
       Wer Rücken hat, wird vom Arzt früher oder später in die Röhre geschoben.
       Aber wie steigt man richtig in so einen Computertomografen ein?
       
 (DIR) Die Wahrheit: Nachwuchs ohne Pussys
       
       Bei der Bundeswehr wird sich dank neuer Chefin von der Leyen jetzt mit
       Samthandschuhen angefasst.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Gerüstbauer! Gerüstbauer!!
       
       Es kann der Ruhigste nicht in Frieden schlafen, wenn es den Trapezkünstlern
       des Handwerks gefällt, ihren traditionellen Lärm zu verbreiten.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Baum am Abhang
       
       Die Roulade ist der Inbegriff der deutschen Essensnation und die einzig
       passende Antwort auf die vegetarischen Initiativen der Grünen.