# taz.de -- Die Wahrheit: Wie das alles riecht
       
       > Wer auswärts essen geht, muss verbal so einiges Olfaktorisches über sich
       > ergehen lassen.
       
 (IMG) Bild: Brüten eigentlich nur Riesenideen aus: die Ferres und ihr Maschi.
       
       Da wo ich zur Zeit wohne, gibt es die Porreebar, Kneipe und Restaurant in
       einer Kleingartenanlage. Superleckerer Mittagstisch. Durchgehend Küche.
       Kommt man sehr spät, isst man allein. Kommt man etwas zu spät sehr spät,
       kommen Mütter. Alle Tische sind frei, aber die zwei Mütter mit vier Kindern
       setzen sich natürlich an den Nachbartisch. Bislang waren nur Vögel zu
       hören. Jetzt Mütter.
       
       Ich hatte Spaghetti bestellt. Mit grünem Spargel und Bärlauch. „Parmesan?“
       „Gerne.“ Zauberhafte Bedienung. Wir zwei hätten die Eltern der Mütter am
       Nebentisch sein können.
       
       Mütter sind ein ganz eigenes Volk innerhalb der weiblichen Gemeinschaft.
       Ich drehte meine Spaghetti auf die Gabel. „Hier, der Parmesan.“ „Danke.“
       Ich begann zu essen – und zu hören.
       
       „Du, schau mal, die Pampers bei Sarah. Da kommt hier oben immer was raus.
       Und an der Seite. Bei Pipi und bei A-a. Also, wenn es flüssig ist. Mein
       Kind hat einfach keine Pampers-Figur!“ Sie wirkte bestürzt. „Das saugt zwar
       ein bisschen auf, aber eben nicht alles. Und das Flüssige …“
       
       „Probier doch mal die No-Name-Dinger von Rossmann.“ „Meinst du?“ „Nehme ich
       auch. Die sind super. Und kosten weniger.“ „Bei meiner Sarah läuft das
       immer am Bein runter.“ „Eben.“ „Und das riecht ja alles. Ich riech’ das ja
       alles. Also, wie das alles riecht. Zum Beispiel mit Rindfleisch.“ „Sarah
       bekommt schon Rind?“ „Von Hipp. Ist aber bio. Weil, ihr Vater isst ja auch
       Rind. Ich bin eigentlich Vegetarierin. Außer ich ess’ mal was mit Fleisch.“
       „Interessant.“ „Ja, nicht wahr? Ich riech’ bei Sarah immer, wie das
       riecht.“ „Echt?“ „Klar.“ „Mama, darf ich Kuchen?“ „Anna, hast du den Noah
       alleingelassen?“ „Nein, der Noah spielt da.“ „Maja, kommst du mal? Anna
       will Kuchen!“ „Noah, kommst du bitte?“ „Maja, schau mich an, wenn ich mit
       dir rede!“ „Was denn für Kuchen, Anna?“ „Rhabarber.“ „Den nehm’ ich auch
       für Maja. Hoffentlich ist der nicht so süß. Ich mag den lieber sauer.“ „Ich
       will aber keinen Kuchen, Mama.“ „Maja, die haben nur den. Und schau mich
       an, wenn ich mit dir rede.“
       
       Ich kaue und denke: Riecht sie morgen wieder am Kind? Und wie riecht es
       beim Kind nach Rhabarberkuchen?
       
       „Mama, ich geh ins Versteck.“ „Ja, Anna, und nimm den Noah mit.“ „Ich will
       aber mit Maja ins Versteck.“ Jetzt weint Noah. Reden kann er noch nicht
       viel, scheint aber jedes Wort zu verstehen. Der einzige Mann zwischen fünf
       Frauen.
       
       „Mama, ich geh aufs Klo.“ „Ist gut, Maja. Aber sieh mich an, wenn ich mit
       dir rede.“ „Ja, Mama.“ Die Mutter flüstert: „Wo der Rhabarber auf dem Teig
       liegt, da schmeckt der wie Vanillepudding.“ „Schmeckt’s euch?“, fragt die
       Bedienung unsere Töchter und Enkelinnen. „Also, für mich ist der Rhabarber
       zu süß. Fast wie Vanillepudding. Ich ess den lieber sauer. Dann riecht er
       auch besser.“
       
       „Unser Kuchen riecht!?“ „Nein. Ich meine, am nächsten Tag.“ „Der ist aber
       von heute!“ Ich sehe den irritierten Blick der Bedienung. Morgen koche ich
       selbst, zu Hause. Ohne Mütter, ohne Maja, Anna und Sarah. Nur Noah, der
       würde meine Unterstützung eigentlich brauchen!
       
       15 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Gieseking
       
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