# taz.de -- Eurokolumne: Die Ökonomie des Verschenkens
       
       > Der deutsche Exportüberschuss wird heftig kritisiert. Hierzulande wehrt
       > man sich – doch das Außenhandelsplus ist auch für uns schlecht.
       
 (IMG) Bild: Gefährlicher Exportboom: Autos von Volkswagen werden in Emden zur Verschiffung nach Übersee verladen.
       
       Warum regt sich das Ausland eigentlich so auf? Die EU-Kommission, die USA,
       bisweilen sogar IWF-Chefin Lagarde? Denn letztlich verteilt Deutschland
       doch nur Exportgeschenke. Und doch mahnt die Kommission Maßnahmen gegen den
       gigantischen deutschen Exportüberschuss an. Konkret: höhere Löhne,
       steuerliche Entlastung von Geringverdienern, mehr private und öffentliche
       Investitionen, unter anderem in Bildung, mehr Geld für Kommunen.
       
       Brüssel kann gar nicht anders. Als Reaktion auf die Eurokrise hatten die
       Mitgliedstaaten strengere Regeln beschlossen und Schwellenwerte festgelegt,
       ab wann Leistungsbilanzdefizite oder -überschüsse als schädlich anzusehen
       sind. Vor allem auf Druck der Bundesregierung ist die Kuriosität
       herausgekommen, dass Defizite ab 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts,
       Überschüsse aber erst ab 6 Prozent als Problem gelten. Dabei entsprechen
       doch die Defizite der einen genau den Überschüssen der anderen Seite.
       
       Dennoch überschreitet Deutschland seit 2007 notorisch den – höheren –
       Schwellenwert. Über Lohndumping und Wettbewerbsfähigkeit wird viel
       gestritten, obwohl allein Moral und gesunder Menschenverstand sagen
       müssten: Löhne sollten dort stärker steigen, wo sie jahrelang nicht vom
       Fleck kamen, nicht dort rabiat reduziert werden, wo die Lohnentwicklung
       besser war. Von den ökonomischen Kollateralschäden ganz zu schweigen.
       
       Lohnend ist auch ein genauerer Blick darauf, was Exportüberschuss
       eigentlich bedeutet. Aus Deutschland wurden 2013 Waren und Dienstleistungen
       im Wert von 1,1 Billionen Euro exportiert, solche für 0,9 Billionen Euro
       eingeführt. Differenz: 200 Milliarden Euro oder 7 Prozent der insgesamt
       produzierten Waren und Dienstleistungen.
       
       Die Beschäftigten haben also 7 Prozent mehr produziert, als hierzulande
       konsumiert und investiert wurde. Diese 7 Prozent haben andere verwendet,
       die sich dafür oft verschulden mussten. Solche Handelsbeziehungen gehen auf
       Dauer nicht gut, sagt die EU-Kommission.
       
       ## 
       
       ## Das Auslandsguthaben schmilzt dahin
       
       Stimmt, aber nicht nur bezüglich der Schuldnerländer. Seit 1999 hat
       Deutschland 1,4 Billionen Euro an Überschüssen angehäuft. Entsprechend
       stark müsste in der gleichen Zeit auch das Auslandsvermögen Deutschlands
       angewachsen sein. Ein Guthaben also, das in ferner Zukunft wieder aufgelöst
       und gegen Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland eingetauscht werden
       könnte.
       
       Theoretisch! Denn das Auslandsvermögen ist seit 1999 nur um gut eine
       Billion gewachsen. Vor allem in der Finanzkrise hat dieses Vermögen massiv
       an Wert verloren. Der Verlust beträgt 370 Milliarden Euro – rund ein
       Viertel der aufsummierten Exportüberschüsse.
       
       Also ist ein Viertel aller exportierten Waren und Dienstleistungen faktisch
       ans Ausland verschenkt worden! Mal unabhängig davon, ob solche „Geschenke“
       schuld an der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise sind: Ist es aus Sicht der
       Menschen in Deutschland sinnvoll, so zu wirtschaften? Ist es sinnvoll, Jahr
       für Jahr 6 bis 7 Prozent der Ressourcen und Arbeitskraft darauf zu
       verwenden, Dinge für andere herzustellen – und damit auch noch den Unmut
       des Rests der Welt auf sich zu ziehen?
       
       Dabei fehlt es doch auch hierzulande überall: So hat das kommunale Eigentum
       allein im vergangenen Jahr 4,5 Milliarden Euro an Wert verloren, wie
       IMK-Ökonomin Katja Rietzler vorrechnet. Seit 2003 summiert sich der
       Substanzverlust auf 42 Milliarden Euro, weil jedes Jahr die Abschreibungen
       höher waren als die Investitionen.
       
       Ohne Exportüberschuss stünden in Deutschland zusätzliche Waren und
       Dienstleistungen im Wert von 200 Milliarden Euro zu Verfügung. 200
       Milliarden Euro jährlich! Runter mit dem Überschuss heißt mehr Konsum,
       Investitionen und Einfuhren.
       
       Ohne Umverteilung wird das nicht gehen. Umverteilung von Gewinnen zu Löhnen
       und von hohen Einkommen und Vermögen via Steuern in gesellschaftlich
       notwendige Aufgaben.
       
       23 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sabine Reiner
       
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