# taz.de -- Bericht des UN-Klimarates: Vom Wandel überrollt
       
       > Detailliert wie nie erklären die Forscher des UN-Klimarates, wie stark
       > Menschen, Tiere und Pflanzen betroffen sind. Und sie schlagen Maßnahmen
       > vor.
       
 (IMG) Bild: Mehr Wasser, weniger Land, ein unbekannter Weg: Menschheit, mach was draus!
       
       BERLIN taz | Es ist eine nüchterne Grafik, aber sie sagt eine Katastrophe
       voraus: Viele Gattungen von Tieren und Pflanzen werden in der zweiten
       Hälfte des 21. Jahrhunderts von einem ungebremsten Klimawandel schlicht
       überfordert sein. Ihre Lebensräume werden sich schneller verändern als sie
       sich neue Biotope suchen können. Am schlimmsten trifft es (von einigen
       flexiblen Spezies abgesehen) die Bäume, Kräuter, aber auch Nagetiere und
       Primaten: Der Großteil dieser Arten wird schon von relativ geringen
       Klimaerwärmungen überrollt.
       
       Dieses Schaubild findet sich im zweiten Teil des 5. Sachstandsberichts des
       UN-Klimarats IPCC, der in der nächsten Woche abschließend beraten wird.
       Wieder einmal haben hunderte von Forschern den neuesten Kenntnisstand zum
       Klimawandel zusammengetragen und präsentieren in der Arbeitsgruppe II
       „Auswirkungen, Anfälligkeiten und Anpassungsmaßnahmen“.
       
       Die vertrauliche Endfassung des Berichts, die der taz vorliegt, ist eine
       überdeutliche Warnung. Es geht nicht nur um Bienen und Blumen: Auch für
       viele Menschen in den Tropen, in Küstenstädten, auf Inseln und in armen
       Regionen, für Kranke und Alte kann der Klimawandel existenzbedrohend
       werden.
       
       Die Forscher haben deutlich mehr Daten als beim letzten Bericht 2007 und
       sie sehen den Klimawandel bereits am Werk: „Zunehmendes Baumsterben“ in
       manchen Gegenden, „die Ausrottung vieler Amphibienspezies in
       Mittelamerika“, ein veränderter Wasserkreislauf durch schmelzende
       Eisflächen und verschobene Regenzeiten.
       
       Zwar gebe es auch einzelne positive Auswirkungen einer wärmeren Welt in der
       Landwirtschaft (bessere Wachstumsphasen) und bei der Gesundheit (weniger
       Kältetote). Aber „die negativen Auswirkungen bei der Landwirtschaft“ seien
       häufiger als die Vorteile und der Klimawandel trage allgemein „zu einer
       schlechteren menschlichen Gesundheit“ bei.
       
       ## Teilweise schwere Risiken 2030
       
       Was tun? Das IPCC rät zur Anpassung nach dem Modell der nachhaltigen
       Entwicklung: Kurz- und mittelfristig könnten die Auswirkungen des
       Klimawandels durch Fortschritte auf anderen Gebieten abgemildert werden:
       Zugang zu sauberem Wasser, Bau von Abwassersystemen, besseres Saatgut, mehr
       Bildung und Mitsprache der Bevölkerung, bessere Vorwarnsysteme bei
       Unwettern, Kredite für Kleinbauern, bessere Waldpolitik, weniger
       Korruption.
       
       Ohne Maßnahmen drohen bereits um 2030 teilweise schwere Risiken, warnt der
       Report der Wissenschaftler die Regierungen: Etwa bei den Ernteerträgen in
       Teilen Afrikas und Lateinamerikas, bei der Anfälligkeit gegenüber
       Hitzewellen in Europa oder dem Risiko von Waldbränden in Nordamerika.
       
       Zum ersten Mal nennt der Bericht konkrete Bedrohungen und Opfergruppen:
       „Tod, Verletzung und Verlust der Heimat“ drohen demnach in Küstenregionen
       und Inselstaaten durch Meeresspiegelanstieg und Sturmfluten, unsichere
       Ernährung für „ärmere Bevölkerungsgruppen“, Überflutungen und Hitzestress
       für „große urbane Populationen“, Wasserknappheit auf dem Land, aber auch
       „systemische Risiken“, wenn etwa in einer Großstadt nach Überflutung oder
       Sturmflut die Versorgung zusammenbricht.
       
       ## Totale Überforderung
       
       Wie gut sind einzelne Regionen gewappnet? Ganz unterschiedlich, befinden
       die Forscher: In Europa seien Anpassungsmaßnahmen wie Deichbau und eine
       andere Landwirtschaft in der Planung, in Australien sorge man für einen
       Rückgang des Wassers vor, in Nord- und Südamerika beginne das Planen
       langsam.
       
       Dagegen setzten Regierungen in Afrika Gegenmaßnahmen wie
       Katastrophenschutz, angepasste Landwirtschaft oder neue Technologien
       „hauptsächlich in isolierten Anstrengungen“ um. In der Arktis, wo der
       Klimawandel am schnellsten zuschlägt, zeigten sich „beispiellose
       Herausforderungen“ – eine Umschreibung für totale Überforderung.
       
       Die Ungerechtigkeit im Klimawandel zwischen den reichen Industriestaaten
       (die einen großen Teil des Problems verursacht haben) und den armen Ländern
       zeigt sich auch konkret in zwei anderen Fällen: Die Niederschläge werden
       gerade in den trockenen Gebieten weniger, in den gemäßigten Zonen nehmen
       sie zu. Und die Fischschwärme, wichtigste Quelle von Proteinen für viele
       Menschen in Afrika und Asien, wandern aus den wärmeren Meeren am Äquator
       nach Norden und Süden – in die Netze von Europäern und Amerikanern.
       
       ## Zu wenig Geld
       
       Die IPCC-Forscher unterfüttern ihre Aussagen mit harten Zahlen. Ob mit oder
       ohne Anpassung werde der Klimawandel „die mittleren Ernteerträge um 0 bis 2
       Prozent pro Dekade reduzieren“, heißt es – in einer Zeit, wo die Nachfrage
       nach Lebensmitteln um 14 Prozent pro Jahrzehnt steigen soll. Ein
       Temperaturanstieg von 2,5 Grad Celsius (nach vielen Prognosen ohnehin kaum
       noch zu vermeiden) „könnte zu globalen Einkommensverlusten von 0,2 bis 2
       Prozent führen“, schreiben die Wissenschaftler mit „mittlerer Gewissheit“.
       
       Jeder weitere Temperaturanstieg werde teurer, aber um wieviel, da gibt es
       keine Einigkeit. 2009 hatte der britische Ökonom Sir Nicholas Stern
       gemahnt, mit nur einem Prozent des weltweiten Wirtschaftsprodukts ließe
       sich der Klimawandel bremsen.
       
       Und auch eine andere Zahl des IPCC wird für Furore sorgen. Denn für die
       Anpassung an den Klimawandel steht nach diesen Berechnungen viel zu wenig
       Geld zur Verfügung. Allein für die Entwicklungsländer schätzt das
       Expertengremium jährliche Kosten von 70 bis 100 Milliarden Dollar. Eine
       solche Summe – 100 Milliarden Dollar – haben die Industrieländer ab 2020
       versprochen.
       
       Allerdings für die gesamte Klimafinanzierung: Also für saubere Kraftwerke,
       Hilfe beim Technologietransfer, dem Aufbau von Verwaltungen, für private
       Investitionen, Versicherungsfonds und Entschädigungen. Anpassung ist da nur
       ein Kapitel unter vielen.
       
       21 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
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