# taz.de -- Orchester-Flashmob in der Ukraine: Alle Menschen werden Brüder
       
       > Mitten auf einem Markt im ukrainischen Odessa spielt ein Orchester die
       > Europahymne. Das Video berührt sowohl musikalisch als auch politisch.
       
 (IMG) Bild: Zwischen Fischständen und Theken voller Sonnenblumenöl spielen Odessaer Musiker für den Frieden.
       
       BERLIN taz | Kiloweise türmen sich die Fische, wohin man auch blickt. Roh,
       geräuchert, ausgenommen oder filetiert. Die Theken auf dem Privoz, dem
       größten Markt der ukrainischen Stadt Odessa, biegen sich unter der Last der
       silbern glänzenden Tiere. Ein dunkel gekleideter Mann schiebt sich
       vorsichtig durch die Menge. In seinen Händen hält er einen Kontrabass.
       
       Dies ist der Beginn eines [1][Videos, dass seit dem Wochenende] im Internet
       seine Kreise zieht. Mitten auf dem Markt beginnt er zu spielen. Leise erst,
       zwischen all den Marktgeräuschen, den Wortfetzen, Verhandlungen und dem
       Kindergeschrei ist er kaum zu hören.
       
       Nur allmählich wird erkennbar, was er spielt: Es ist Beethovens neunte
       Sinfonie. Zwischen Barschen und Forellen ertönt das Hauptthema der
       berühmten Sinfonie und ruft einem sofort die dazugehörende Textzeile in den
       Kopf: „Freude schöner Götterfunken“.
       
       Zwei weitere Streicher tauchen aus dem Meer an Fischen und Marktbesuchern
       auf, dann ein Oboist. Allmählich bemerken die Menschen, dass dieser
       Marktbesuch kein alltäglicher ist. Die ersten ziehen ihre Smartphones aus
       der Tasche und beginnen zu filmen. Hinter einer Theke mit Tütensuppen und
       Sonnenblumenöl erscheint eine Gruppe Violinisten.
       
       Die Gruppe der Musizierenden wächst immer weiter an, ebenso die der
       Schaulustigen. Inzwischen hat sich ein ganzes Orchester auf dem Privoz
       versammelt. Das bunte Treiben hat aufgehört, die Menschen stehen und
       lauschen.
       
       Ein Mann mit heller Hose und dunklem Hemd schiebt sich an den Zuschauern
       vorbei. Es handelt sich um Hobart Earle, den musikalischen Leiter des
       [2][Philharmonischen Orchesters Odessa]. Er stellt sich in die Mitte des
       Marktes und beginnt zu dirigieren. Sanft und leise fließen die Töne dahin.
       Dann macht er einen Satz, das Orchester donnert und aus der Menge der
       Zuschauer ertönt ein Chor: „Freude schöner Götterfunken“.
       
       „Odessaer Musiker für Frieden und Brüderlichkeit", heißt es im Titel des
       Videos. Die neunte Sinfonie Beethovens ist nicht nur eines der bekanntesten
       Stücke klassischer Musik weltweit, ihr Hauptthema wurde außerdem [3][1985
       zur Hymne der Europäischen Union] bestimmt. Es ist nicht nur die Wirkung
       der Musik allein, die dem Zuschauer einen Schauer über den Rücken laufen
       lässt.
       
       Die Krise in der Ukraine, die Konfrontation auf der Krim und die Angst vor
       einer weiteren Spaltung des Landes beherrschen seit Wochen die
       internationalen Medien. Und so ist es vor allem eine politische Aussage,
       dass in Odessa, einer kulturell stark russisch geprägten ukrainischen
       Stadt, ein Orchester aus voller Inbrunst die Europahymne darbietet. Ein
       Aufruf zur Einheit, von Schiller vor über 200 Jahren verfasst: „Deine
       Zauber binden wieder / Was die Mode streng geteilt / Alle Menschen werden
       Brüder / Wo dein sanfter Flügel weilt.“
       
       26 Mar 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.youtube.com/watch?v=rwBizawuIDw
 (DIR) [2] http://www.odessaphilharmonic.org/
 (DIR) [3] http://europa.eu/about-eu/basic-information/symbols/anthem/index_de.htm
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dinah Riese
       
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